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Die schönsten und Plätze Frankfurts sind allseits bekannt. Sightseeing-Touren über den Römer, vorbei an der Paulskirche, dem Goethe-Haus und der Messe zeigen die Stadt im Herzen Europas von seiner berühmten und geschätzten Seite. Dass der Charakter der Stadt jedoch wesentlich facettenreicher ist, erfahren meist nur die, die einen Blick hinter die Fassade der renommierten Bankenmetropole riskieren. Mit diesem einzigartigen Buch lernen sowohl Einheimische als auch Besucher Frankfurt auf unvergessliche Weise kennen. Denn die hier präsentierten 101 Unorte Frankfurts sind unerwartet vielfältig und…mehr

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Produktbeschreibung
Die schönsten und Plätze Frankfurts sind allseits bekannt. Sightseeing-Touren über den Römer, vorbei an der Paulskirche, dem Goethe-Haus und der Messe zeigen die Stadt im Herzen Europas von seiner berühmten und geschätzten Seite. Dass der Charakter der Stadt jedoch wesentlich facettenreicher ist, erfahren meist nur die, die einen Blick hinter die Fassade der renommierten Bankenmetropole riskieren. Mit diesem einzigartigen Buch lernen sowohl Einheimische als auch Besucher Frankfurt auf unvergessliche Weise kennen. Denn die hier präsentierten 101 Unorte Frankfurts sind unerwartet vielfältig und spannend: Der unbeliebte AFE-Turm, das unsaubere Pumpwerk Hinkelstein und die unbequeme Adorno-Ampel gehören ebenso zu Frankfurt wie das untadelige Wacker in Bornheim, der unterschätzte Städtische Weinberg und der unsterbliche Don Alfredo. Dabei begegnet der Leser u.a. dem Frankfurt-Hasser Otto von Bismarck, dem Stadtwald-Spaziergänger Felix Mendelsohn Bartholdy sowie dem Selbstmörder Bürgermeister Fellner. Von Oberrad bis zum Riedberg und von Fechenheim bis Höchst bleibt kein Winkel Frankfurts verborgen. Das reich bebilderte Buch lädt zu einer ungewöhnlichem Stadtbegehung ein.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.04.2011

Krawallschachtel und Ochsengrill

Hier tauchte Heiner Müller ab, dort erhängte sich ein Bürgermeister: Frank Berger und Christian Setzepfandt haben in Frankfurt 101 Unorte aufgespürt.

Von Peter-Philipp Schmitt

Ein Mann kommt aus dem Gully. So scheint es aber nur, denn Heiner Müller war in den Kanalschacht gerade erst hineingeklettert, um für ein Foto kurz aus dem Untergrund hervorzuschauen. Und das ohne zu murren. Der Dramatiker aus der DDR, der vor 30 Jahren im Westen vor allem wegen seines Stücks "Germania Tod in Berlin" gefeiert wurde, stellte nicht einmal die Bildidee des österreichischen Fotografen Joseph Gallus Rittenberg in Frage. Heute ist das Kanaldeckel-Bild des vor 15 Jahren gestorbenen Autors durchaus bekannt, die wenigsten wissen aber, wo die Aufnahme entstanden ist: Passenderweise vor dem Frankfurter Schauspielhaus hatte Rittenberg den Gully für Müller geöffnet - gleich neben der Treppe, die zur U-Bahn-Haltestelle hinunterführt.

Gerade weil die Koordinaten des Müllerschen Kanaldeckels bisher eher ein Geheimnis waren, haben Frank Berger und Christian Setzepfandt die Stelle zu einem ihrer 101 Unorte in Frankfurt erkoren. Aus ihrer Auswahl wurde ein Buch voller Anekdoten, die selbst alteingesessenen Frankfurtern nicht unbedingt bekannt sein dürften. Warum heißt zum Beispiel die "Krawallschachtel" an der Alten Gasse "Krawallschachtel"? Weil sich in dem Fachwerkhaus aus dem Jahr 1546 die "Krawaller" des Vormärz trafen - und übrigens verraten wurden und zum Teil auch getötet.

Was bedeutet das eingemeißelte "OK" in den vier Steinen, die vor der Alten Nikolaikirche auf dem Römerberg liegen? Sie markieren die einstige "Ochsen-Küche", in der nach der Krönung des Kaisers im Dom jeweils ein Ochse für zwei Tage am Spieß gebraten wurde. Und warum erhängte sich 1866 Bürgermeister Karl Konstanz Viktor Fellner? Weil Bismarck, der weder die Stadt noch ihre Bewohner leiden mochte, den damals 40 000 Seelen fast 36 Millionen Gulden an Kriegskontribution aufbürdete. Das sei ein Rekord in der Weltgeschichte gewesen, schreiben die Autoren: "Nie musste ein besiegter Staat pro Kopf mehr Geld an den Siegerstaat zahlen als Frankfurt 1866." An Fellner und seinen nicht ganz freiwilligen Freitod erinnert heute eine Bronzetafel in der Friedberger Anlage, ziemlich genau dort, wo sich der nur durch ein Losverfahren, die "Kugelung", zum Bürgermeister der Stadt bestimmte Politiker an einem Baum in seinem Garten erhängt hatte.

Berger und Setzepfandt sind ausgewiesene Kenner der Materie; sie haben Spaß an abseitigen und skurrilen Geschichten, die nicht auf jeder Tour durch Frankfurt erzählt werden. Berger, Jahrgang 1957, ist Kurator am Historischen Museum, der gleichaltrige Frankfurter Setzepfandt organisiert seit 30 Jahren Führungen in und um Frankfurt. Nicht alle ihre Unorte sind wirklich "böse", auch wenn die Auswahl bewusst unausgewogen ist. Die Verfasser wollen politisch unkorrekt sein, sogar unvorsichtig. Und sie wollen belehren. Dazu laden sie zum Nachforschen ein, "gerne zu Fuß in der Innenstadt oder mit dem Fahrrad in den Stadtteilen".

Es gibt viel zu entdecken: Der Weg führt von einem Parkhaus in der Innenstadt, in dem einst der berühmteste Sportler Frankfurts, Alfred Pfaff, eine Gaststätte hatte, über ein ehemaliges Bordell im Westend, in dem 1994 sechs Leichen gefunden wurden, und drei merkwürdige Steinhaufen im Stadtwald, Reste des "Darmstädter Hofs" von der Zeil, zu einer Villa in Niederrad, in die 1949 beinahe der erste Bundespräsident eingezogen wäre.

Auch eine Ampel ist zu einem Unort geworden: Sie steht an der Senckenberganlage vor dem Institut für Sozialforschung. Dort lehrten Max Horkheimer und Theodor W. Adorno - nach Letzterem ist die Ampel benannt. Als im Sommer 1962 auf der Ringstraße erst ein Passant tödlich verunglückte, wenige Tage später eine Sekretärin des Instituts angefahren und schwer verletzt wurde, schrieb Adorno damals in einem Leserbrief an diese Zeitung: "Nachdem ich auf die Mißstände der Verkehrsregelung auf der Senckenberganlage dort . . . verschiedentlich aufmerksam gemacht hatte, ohne etwas zu erreichen, wende ich mich heute an die Öffentlichkeit." Es fehlten "Verkehrslichter", so dass man in "unwürdiger Weise" über die Straße rennen müsse. Die Verkehrslichter fehlten noch eine ganze Weile. Der Sozialphilosoph starb 1969, danach dauerte es noch einmal fast 20 Jahre, bevor 1987 endlich die "Adorno-Ampel" aufgestellt wurde.

Frank Berger, Christian Setzepfandt: "101 Unorte in Frankfurt", Societäts-Verlag 2011, 216 Seiten, 12,80 Euro.

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