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Frankfurt 1953: Zu ihrer Verwunderung haben die Teilacher, die jüdischen Handelsvertreter, sich eingerichtet im Nachkriegsdeutschland. Manche von ihnen sind sogar sesshaft geworden: Robert Fränkel, die Berliner Stimmungskanone, zum Beispiel. Doch eines Tages steht der CIA vor seiner Tür - er soll mit den Nazis kollaboriert haben, in SS-Akten taucht sein Name auf. Dabei hat er im Lager doch nur Witze erzählt, bis jemand fand, er könne Hitler Humor beibringen. Und so fangen die Machloikes (jiddisch: Streit, Durcheinander) an ...

Produktbeschreibung
Frankfurt 1953: Zu ihrer Verwunderung haben die Teilacher, die jüdischen Handelsvertreter, sich eingerichtet im Nachkriegsdeutschland. Manche von ihnen sind sogar sesshaft geworden: Robert Fränkel, die Berliner Stimmungskanone, zum Beispiel. Doch eines Tages steht der CIA vor seiner Tür - er soll mit den Nazis kollaboriert haben, in SS-Akten taucht sein Name auf. Dabei hat er im Lager doch nur Witze erzählt, bis jemand fand, er könne Hitler Humor beibringen. Und so fangen die Machloikes (jiddisch: Streit, Durcheinander) an ...
Autorenporträt
Michel Bergmann wurde 1945 als Kind jüdischer Eltern in einem Internierungslager in der Schweiz geboren. Aufgewachsen in Paris und Frankfurt am Main, machte Bergmann eine Ausbildung bei der ¿Frankfurter Rundschaü und wurde freier Journalist. Er entdeckte seine Liebe zum Film und arbeitet seither u.a. als Autor, Regisseur und Produzent. Seine Trilogie um jüdisches Leben im Frankfurt am Main der Nachkriegszeit war ein großer Erfolg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.05.2013

Der gute Witz
zur rechten Zeit
Für jede Situation hat David den passenden Witz, mit dem er die streitenden Männer im Handumdrehen versöhnt. Es ist eine Runde von Exiljuden, die sich aufgemacht hat zurück ins Nachkriegsdeutschland, um etwas Geld zu verdienen zur Verwirklichung der wahren Träume, die dann in Israel, den USA, Kanada oder Australien ausgelebt werden sollen. Aber die Geschäfte laufen gut, das Wirtschaftswunder verschafft jedem, der sich anstrengt, einen gerechten und gottgefälligen Gewinn, und so vergehen die Jahre und findet das Leben statt, während die Männer ihre Träume planen. Michel Bergmann erzählt die verworrenen Lebensgeschichten, Sprüche und Widersprüche so lapidar wie komisch und mit einer Leichtigkeit, die beinahe zu behaupten scheint, man könne sich den ganzen bitteren Hintergrund dieser Biografien wenigstens für kurze Zeit einmal wegdenken und sich darüber amüsieren, wie im Schwarzwald ein Kibbuz missglückt, weil entgegen landläufigem Vorurteil die zionistische Idee bei Weitem nicht stark genug ist, Freundschaften zu stiften, wo kein Interesse sie verlangt. Ein schelmisch vergnüglicher Roman. HELMUT MAURÓ
  
  
  
Michel Bergmann:
Machloikes. Roman.
dtv, München 2013.
336 Seiten, 9,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Ein schelmisch vergnüglicher Roman. Helmut Mauró Süddeutsche Zeitung 20130507

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.02.2012

Adorno in verqualmten Kellern

Michel Bergmann setzt in seinem neuen Roman "Machloikes" der Stadt Frankfurt und dem jüdischen Leben der fünfziger Jahre ein Denkmal.

Wenn ein Borgward Hansa um die Frankfurter Hauptwache braust, ist das ein sicheres Zeichen: Eine Zeitreise in die fünfziger Jahre beginnt. Der Aufschwung ist schon spürbar, die Gaststätten sind gut besucht. Die Eisenräder der Straßenbahnen quietschen in den Kurven, Schaffner stellen mit einer Stange die Weichen, bevor sie wieder aufspringen. Und doch hat die Stadt sichtbare Narben, gibt es die Trümmergrundstücke. Jüdische Handelsvertreter, die sogenannten Teilacher, sind aus Lagern oder der Emigration zurückgekommen, nicht unbedingt, um zu bleiben. Manche tun es doch. Von ihnen erzählte Michel Bergmann bereits in seinem ersten Roman "Die Teilacher" (2009), und auch in seinem jetzt erschienenen zweiten Roman "Machloikes", der acht Jahre nach Kriegsende einsetzt, ist das alte Frankfurt wie in einem Schwarzweißfilm Kulisse eines wuseligen Treibens.

Alfred Kleeberg, im ersten Roman schon erwachsener Schauspieler, ist hier noch Schüler und sammelt erste Erfahrungen. Mit Kindern der Jüdischen Gemeinde probt er gerade ein Stück. Zum "Casting", das er als Wort erst einmal allen erklären muss, kommen auch die ehrgeizigen Eltern mit. Alfred ist sichtlich genervt. Da beruhigt ihn sein Onkel David mit einem Witz: "Kennst du den, sagte David, da kommt der Sohn nach Hause und sagt: Mama, ich habe eine tolle Rolle in unserem neuen Schulstück bekommen. Nu, was spielst du?, fragt die Mutter. Ich spiele einen jüdischen Ehemann. Was? schreit die Mutter, keine Sprechrolle?!"

Das Lachen zieht sich wie eine Leuchtspur durch diesen Roman, der zugleich in so viele Abgründe blickt. Die Teilacher, erfahrene Menschenkenner und sympathische Melancholiker, die traditionell von Haus zu Haus ziehen, mögen zwar immer einen entwaffnenden Spruch auf den Lippen haben. Doch nicht alle schaffen unter der Bürde der Erinnerung den Sprung in ein neues Leben. Die traumatischen Erlebnisse grundieren alle Bereiche des Lebens. Aber man will sich auch nicht in die Ecke drängen lassen. Aufbruchsstimmung prägte schon "Die Teilacher", und auch das Theaterstück, das Alfred jetzt mit den Kindern einstudiert, wird von einem begeisterten Publikum als Symbol des Neuanfangs gesehen.

Bergmann erzählt von solchen bewegenden Momenten mit einer fürsorglichen Nonchalance, die jedem Pathos entgegenwirkt und warmherzige, pulsierende Figuren schafft. Sie sind in ihrem Finden, Verlieren und Wiedersuchen von unglaublicher Präsenz, was nicht zuletzt daran liegt, dass Bergmann ihnen einerseits sehr nahe rückt, andererseits ihre Intimsphäre wahrt. Er lauscht ihren virilen Gesprächen in Stammcafés. Er ist zur Stelle, wenn sie, wie Alfred, manchmal zweifeln und Auftrieb erhalten durch ältere Mentoren, die sich mit Selbstverständlichkeit des Jugendlichen annehmen. Oft sprechen sie noch das jüdisch gefärbte Deutsch ihrer Jugend, und Alfred, noch Schüler, muss manchmal nachfragen, was das eine oder andere Wort bedeutet. "Machloikes", erfährt er, heißt "Ärger". Und den haben sie alle auf irgendeine Weise: der Anwalt Lubinski, der Anträge auf Wiedergutmachung bearbeitet; oder Robert Fränkel, der inzwischen zum Unmut der anderen Hausierer neuerdings in einem eigenen Geschäft Teppiche verkauft und Alfred einen Nebenverdienst verschafft.

Robert Fränkel räumt der Autor einen wichtigen Erzählstrang ein. Wöchentlich muss er seinen Alltag unterbrechen und beim amerikanischen Geheimdienst zum Verhör antreten: Man hat seinen Namen zu oft in SS-Akten gelesen und verdächtigt ihn der Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten, ein absurder Vorwurf. Fränkel gibt Auskunft, mit viel Virtuosität, dramatischem Gespür und manchen Pausen. Seine Geschichte gleicht bisweilen einem Schelmenstück und ist doch abgrundtief dunkel. Der jüdische Conférencier überlebt versteckt im Fundus des Deutschen Theaters Berlin, dann bei Freunden und schließlich in einer Verlegergruft. Kinder denunzieren ihn. Im Lager schätzt man sein Talent, Witze zu erzählen, weshalb man auf die Idee verfällt, ihn als Humorlehrer für Hitler einzusetzen: Der Führer soll "freihändig einige Witze ohne Hilfe erzählen" können. Fränkel bekommt einen guten Anzug, wohnt luxuriös im Berliner Hotel Adlon und noch an einigen anderen Orten, Hitler hinterherreisend. Der hat aber stets Wichtigeres zu tun, weshalb es auch mit Fränkels Messerstecherattentat nie klappt. Komik und Schrecken wechseln in diesen Verhören mit beißender Schnelligkeit einander ab. Auch dem amerikanischen Offizier verschlägt es bisweilen die Sprache, bevor er sachlich weitere Details erfragt. Fränkels Sonderrolle gewährt so manchen bizarren Einblick.

Flugs taucht man zwischendurch in die verqualmte Unterwelt Frankfurts, wo Alfreds Bruder Adorno und Horkheimer hört und Alfred selbst in verrauchten Jazzkellern neue Glücksorte entdeckt. Beide Brüder stehen für einen Neuanfang, sind Suchende, die sich verschiedener Einflüsse erwehren müssen, um ihren ganz eigenen Weg finden zu können. Da ist zum Beispiel das zionistisch orientierte Ferienlager, das die israelische Kibbuzideologie in den Schwarzwald importieren soll und irritierend militaristisch organisiert ist: "Die madrichim wollten die Vergangenheit vergessen machen und übersahen, dass die meisten dieser Kinder und Jugendlichen aus traumatisierten Familien kamen. Waren sie auch dem Massengrab entkommen, so wuchsen sie doch am Rande eines solchen auf." Und da sind die Regeln der jüdischen Religion, die Einladungen, Tiefe ins Leben zu bringen. Da gibt es aber auch andere Verführungen, Tanzlokale oder erste Lieben.

Bergmanns Prosa ist schlicht und direkt, frei von künstlichem Tand, ganz oraler Natur. Sie lebt von der Chuzpe und der Spontaneität ihrer Figuren; und nicht zuletzt von den unterschiedlichsten Affekten, die sie in einem entfacht. 1945 selbst als Kind jüdischer Eltern in einem Schweizer Internierungslager geboren, zog Bergmann nach Stationen in Paris nach Frankfurt, wo er als Journalist und Drehbuchschreiber arbeitet. Der Stadt und dem jüdischen Leben der fünfziger Jahre hat er mit "Machloikes" ein weiteres Denkmal gesetzt.

ANJA HIRSCH

Michel Bergmann: "Machloikes". Roman.

Arche Verlag, Zürich 2011. 336 S., geb., 20,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als ein Denkmal des jüdischen Lebens im Frankfurt der 50er Jahre bezeichnet Anja Hirsch diesen neuen Roman von Michel Bergmann, der damit an sein Debüt "Die Teilacher" anknüpft. Der Roman zeigt uns Bergmanns Helden Alfred Kleeberg noch als Schüler, der erste Erfahrungen sammelt. Hirsch schätzt vor allem Bergmanns Fähigkeit, den Figuren warmherzig nahe zu sein, ohne angesichts ihrer stets präsenten historisch begründeten Melancholie in Pathos zu verfallen. Bergmanns Prosa, schreibt sie begeistert, ist oraler Natur. Ihre Lebendigkeit erhält sie laut Hirsch direkt durch die Chuzpe der Figuren. Und, okay, einen sehr lustigen Witz gibt es auch: ?Kommt der Sohn nach Hause und sagt: Mama, ich habe eine tolle Rolle in unserem neuen Schulstück bekommen. Nu, was spielst du?, fragt die Mutter. Ich spiele einen jüdischen Ehemann. Was?, schreit die Mutter, keine Sprechrolle?!?

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