Die Welt der verlassenen Orte

Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.06.2017Zerbröckelte Utopien

Neunzig Jahre ist es her, dass Universal Pictures in Brooklyn einen Filmpalast eröffnete, wie es kaum einen zweiten gab: Die Fassade dekoriert mit Phantasieungeheuern, der Eingang vollgestellt mit künstlichen Bäumen, als ginge man durch einen Wald, und der Saal selbst das Gegenstück zu einem Märchenschloss mit fast dreitausend Sitzplätzen. Fünfundzwanzigtausend Menschen kamen zum Premierenabend und sorgten für ein Verkehrschaos. Doch der Traum von Glanz und Glamour ist ausgeträumt. Mit dem Niedergang des Kinos in den sechziger Jahren zerfiel das Haus, diente eine Zeit lang noch als Konzerthalle für Rockbands, doch irgendwann übernahm es ein Händler gebrauchter Möbel als Lager. Dabei ist doch die Einrichtung selbst die wertvollste Antiquität, wie in dem wunderbar melancholisch stimmenden Bildband "Die Welt der verlassenen Orte" unschwer zu erkennen ist. Achtzehn zerbröckelnde Utopien werden darin vorgestellt: von der strengen Militärbasis bei Wünsdorf über ein wackeliges Gaswerk im australischen Outback bis zum futuristischen Freizeitdorf in Taiwan - lauter Memento mori der Architektur. (F.L.)

"Die Welt der verlassenen Orte II." Mit Texten von Peter Traub. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2017. 240 Seiten, zahlreiche Farbfotografien. Gebunden, 29,95 [Euro]

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