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In ihrem neuen Buch durchwandert die Düsseldorfer Photographin Simone Nieweg, geb. 1962 und ehemalige Meisterschülerin von Bernd Becher, Wälder in Europa und Nordamerika. Natur und Landschaft, auch in der vom Menschen kultivierten Form von Gärten, Äckern und Feldern, gehört seit mehr als 30 Jahren Niewegs photographisches Interesse. Es sind stille, immer menschenleere Bilder, die sie von ihren Ausflügen an die noch unbebauten Ränder der Städte und in scheinbar unberührte Reservate unserer Zivilisation mitbringt. Das Licht, das in Baumwipfeln spielt oder auf laubbedeckten Waldboden trifft,…mehr

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Produktbeschreibung
In ihrem neuen Buch durchwandert die Düsseldorfer Photographin Simone Nieweg, geb. 1962 und ehemalige Meisterschülerin von Bernd Becher, Wälder in Europa und Nordamerika. Natur und Landschaft, auch in der vom Menschen kultivierten Form von Gärten, Äckern und Feldern, gehört seit mehr als 30 Jahren Niewegs photographisches Interesse. Es sind stille, immer menschenleere Bilder, die sie von ihren Ausflügen an die noch unbebauten Ränder der Städte und in scheinbar unberührte Reservate unserer Zivilisation mitbringt. Das Licht, das in Baumwipfeln spielt oder auf laubbedeckten Waldboden trifft, evoziert bei aller Strenge der Komposition und technischen Perfektion ihrer Aufnahmen eine Stimmung, wie nur Heinrich Heine, der aufgeklärte Romantiker, sie in seinem langen Gedicht Waldeinsamkeit beschreiben konnte:

... Im Wald, im Wald! da konnt ich führen
Ein freies Leben mit Geistern und Tieren;
Feen und Hochwild von stolzem Geweih,
Sie nahten sich mir ganz ohne Scheu.

Sie nahten sich mir ganz ohne Zagnis,
Sie wußten, das sei kein schreckliches Wagnis;
Daß ich kein Jäger, wußte das Reh,
Daß ich kein Vernunftmensch, wußte die Fee ...
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2016

Haben Bäume vielleicht gar kein geheimes Leben?

Nichts ist der deutschen Seele näher als der Wald. Und um keine Pflanze ranken sich mehr Mythen und Legenden als um den Baum. Kann da ein Künstler noch sachlich bleiben? Die Fotografin Simone Nieweg hat es probiert.

Von Freddy Langer

Zitieren wir doch ein bisschen. Zum Beispiel Virginia Woolf. "Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose." Thema erfasst, Thema beendet. Wenn es nur immer so einfach wäre. Ernst Jünger machte es sich schwerer mit der Flora, nahm sich allerdings auch einer ungleich mächtigeren Pflanze an: "Der Baum ist eines der großen Sinnbilder des Lebens, ihr größtes vielleicht." Thema erfasst, kein Ende abzusehen.

Ist es dann überhaupt möglich, Bäume einfach nur wahrzunehmen? Ohne an die Wurzeln zu denken, die in die Tiefe des Urgrunds drängen. Ohne die Äste als einen Versuch zu verstehen, nach dem Himmel zu greifen. Ohne immer gleich den Baum der Erkenntnis im Garten Eden oder die Weltesche Yggdrasil mitzudenken, hier das Heim der Götter zu sehen oder dort die verwandelte Bergnymphe? Und können wir je die Musik ausschalten, gespielt auf den Saiten der Wetterharfe, die wir immer dann zu hören vermeinen, wenn sich im Wind die Blätter kräuseln?

Die Fotografin Simone Nieweg hat es versucht. Und damit ihr Buch "Der Wald, die Bäume, das Licht" bloß keine falschen Erwartungen weckt, hat sie ihren Bildern Heinrich Heines Gedicht "Waldeinsamkeit" vorangestellt, in dem der Erzähler - das lyrisch Ich - zu Anfang sich jener Tage erinnert, in denen Elfenreigen, Nixentanz und Koboldscherz sein märchentrunkenes Herz umgaukelten, in dem er am Ende jedoch lakonisch beschreibt, dass alles sich verändert und die schöne Zeit verschlendert - nirgendwo mehr eine Spur von Elfen, Alräunchen und Fee. Vielmehr wird er selbst zu jenem Geist, der allen Zauber verscheucht und vor dem die letzte einsame Nixe am Ufer des trostlos rauschenden Bachs mit entsetzter Miene flieht. Ein wenig ist es in diesem Moment, als habe sich der Mensch selbst aus dem Paradies katapultiert. Der Eichenbaum steht traurig entlaubt.

Ganz ohne Zauber allerdings geht es selbst bei Simone Nieweg nicht. Dann läuft auf einem ihrer Bilder das Licht der tiefstehenden Sonne am Stamm einer alten Linde wie Honig herab, oder es bildet sich unter den bis zum Boden hängenden Ästen einer Fichte eine finstere Höhle, in deren Dunkel man sich auch ohne ausgeprägten Hang zur Phantastik des Märchens eine Schar kichernder Zwerge vorstellen kann. Doch es überwiegt der Eindruck sachlicher Dokumentation. Die Sonnenstrahlen tanzen bei Simone Nieweg keineswegs auf dem Waldboden zwischen Farnen oder auf dem Heidekraut, sondern sie schlagen dort auf wie vom Himmel gestürzt. Und das graue Firmament am diesigen Morgen wird ihr nicht zum magischen Schleier, sondern es gleicht dem neutralen Hintergrund in einem Atelier, vor dem sich nun der Wirrwarr der Äste besonders gut studieren lässt - oder wie ein anderer großer Baum-Fotograf, Albert Renger-Patzsch, es formuliert hat: Es tritt der "Zauber des Materials" hervor.

Es ist eine kühle Leidenschaft, die sich hinter diesem Ansatz verbirgt. Nichtsdestotrotz ist es Leidenschaft, was sich schon daran zeigt, dass sich Simone Nieweg dem Thema seit einem Vierteljahrhundert widmet und für diesen Band Fotografien von Reisen durch ganz Deutschland sowie durch Frankreich, Skandinavien und Kalifornien zusammengetragen hat. Und auch wenn knappe Verortungen wie "Pinienwald bei Le Barroux" oder "Waldrand bei Ansbach" die Fotos in einer geographischen Wirklichkeit verankern, dürfte sich hinter dem Einfall, mit der Reihenfolge der Aufnahmen im Buch den Verlauf eines Jahres wiederzugeben, vielleicht doch ein wenig mehr verbergen als ein stur buchhalterischer Ansatz. So ganz ist der Romantik des Waldes einfach nicht zu entkommen.

Aber wenn es um den Glauben ans Seelenheil geht, das vom Baum zu erwarten sei, dann hält es Simone Nieweg vermutlich mit dem Waldversteher und Bestsellerautor Peter Wohlleben, der sich angesichts des Erfolgs seines aktuellen Buchs über das Geheimnis der Bäume nun ständig genötigt sieht, darauf hinzuweisen, dass er keine Bäume umarme und auch nicht mit ihnen rede. Vielleicht darf man von einem neuen Verständnis für den Wald sprechen, wobei er seinen Reiz keineswegs dadurch verliert, dass man ihn seiner Mysterien beraubt; im Gegenteil. Die Sache ist viel zu kompliziert, als dass je ein Baum einfach ein Baum einfach ein Baum sein könnte.

"Der Wald, die Bäume, das Licht" von Simone Nieweg. Mit einem Vorwort von Lothar Schirmer. Schirmer/Mosel Verlag, München 112 Seiten, 90 Abbildungen. Gebunden, 49,80. Fotografien der Serie sind im Museum für Gartenkunst, Schloss Benrath, Benrather Schlossallee 100-106, Düsseldorf zu sehen; bis 24. April.

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