Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Finnlands jüngster Erfolgsroman stammt von einer schwedischschreibenden Autorin: Ulla-Lena Lundbergs "Eis"
Der Handlungsort des meistverkauften finnischen Buches des Jahres 2012 mutet extravagant abgelegen an. Schauplatz des im Original auf Schwedisch verfassten Romans sind die Örar-Inseln, eine diffus kartographierte Schärengruppe, den finnischschwedischen Åland-Inseln zugehörig, abgeschieden vom Festland, Schweden in scheinbar unerreichbarer Ferne. Wir befinden uns in den vierziger Jahren. Dass es sich bei diesem Teil des windumwehten finnischen Archipels in Wirklichkeit um einen Zwischenraum voller tellurischer Urkräfte handelt, erfährt der Leser durch kursiv gesetzte Betrachtungen des medial begabten Postschiffers Anton. Er ist kein düsterer Mittler zwischen Diesseits und Unterwelt wie Charon in der griechischen Mythologie, eher ein Fährmann mit Vorahnungen; das Mythische ist bei Ulla-Lena Lundberg homöopathisch dosiert und eigentlich nur Nebenschauplatz für eingeschobene Perspektivwechsel.
In die abgekapselte Dorfgemeinschaft auf den Örar-Inseln wird der junge, begeisterungsfähige Pastor Peter Kummel mit Frau und Kind beordert. Vor dem exotisch anmutenden Hintergrund spielt sich dann aber leider nicht mehr ab als nichtige Banalitäten aus dem Alltag der Pfarrersfamilie und dem Innenleben der Gemeindemitglieder. Es ist ermattend. Wer des Schwedischen nicht mächtig ist, kann nur mutmaßen, ob die Figurenrede im Roman, die vorgibt, in den vierziger Jahren weitab auf einer finnischen Insel gesprochen und gedacht zu werden, im Original ähnlich verfährt wie die deutsche Übertragung: "Du hast dich zu lange vergraben. In den Städten weht ein anderer Wind. Da geht es jetzt nicht mehr um individuellen Einsatz, da heißt es jetzt Teamwork, mannschaftliche Zusammenarbeit ist angesagt." Ähnliche Einbrüche eines anachronistisch-modernen Sprachgebrauchs ragen auch ohne Anglizismen immer wieder hervor.
Erzählt wird in seichter Untiefe vom ländlichen Leben, nämlich vom Kühemelken, Feldbestellen, Hefeteilchenbacken, dem inbrünstigen Singen in der Gemeinde und den Animositäten beim Kirchenvorstand, den Gewissenskonflikten des Pfarrers und anderer Figuren, den vielen Haushaltsarbeiten, die die junge Pfarrersgattin rigoros bewältigt - und das alles dann kombiniert mit einigen Aspekten der nordischen Landschaft: Mittsommer, Polarlichter, Kälte.
Unter das Motto des diesjährigen Ehrengastes der Frankfurter Buchmesse - "Finnland. Cool." - lässt sich Lundbergs Buch thematisch bestens subsumieren, die von der finnischen Literaturkritik vielgelobte Eleganz und poetische Kraft der Sprache lässt sich in der deutschen Übersetzung jedoch kaum nachvollziehen. Was als Beschwörung des Glücks im Kleinen, der Beschreibung persönlich erfüllender Friedensmomente angelegt ist und durch den Kollaps des behüteten Insellebens zerschlagen wird, erscheint reichlich belanglos, und zwar kraft der Sprache. Man hofft bis zuletzt, dass einer der Finnen wenigstens noch einen guten Schwedenwitz erzählt, doch man hofft vergebens.
ELEONOR BENÍTEZ
Ulla-Lena Lundberg: "Eis". Roman.
Aus dem Schwedischen von Karl-Ludwig Wetzig. Mare Verlag, Hamburg 2014. 528 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main