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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Spätfolgen der "Gelben Gefahr": Yuanchen Zhang nimmt Hollywoods amerikanischen Orient ins Visier
Phantasmagorien aus Seide und Porzel-lan, Spielhöllen und Opiumhöhlen, eine Welt der Lampions und Leuchtreklamen - in der Chinatown des Films gibt es keinen Ort jenseits der Inszenierungen. Yuanchen Zhang untersucht diese fingierten Enklaven und das Hollywood-Kino als Medium der Darstellung von asiatischen Amerikanern - von der Stummfilmzeit über den Film noir bis hin zum postmodernen Kino der achtziger Jahre.
Die Autorin versteht Chinatowns als Ausdruck und Spiegel der Vorstellung von der "Gelben Gefahr". Die Merkmale der Chinatown wie Verbrechertum, Chaos und Amoral waren schon verbreitet, bevor ihre filmische Karriere begann; was am Ruf der Opiumhöhlen, organisierter Kriminalität und der Angst vor arbeitswilligen Fremden lag.
Die medialen Stereotypen im frühen Kino illustriert Zhang am Beispiel der Detektivfilme um Charlie Chan oder das "Imperium des Dr. Fu Manchu", in denen weiße Schauspieler mit "Yellow Face" und katzengleichen Augen für leicht erkennbare Chinesen sorgen. Solche Stereotype finden sich auch im Film Noir "The Lady from Shanghai" von Orson Welles (1947). Hier dient ein Klaustrophobie erzeugendes chinesisches Opernhaus in der Chinatown San Franciscos zur Charakterisierung der Femme fatale mit Fernostflair. Es wandelt sich von einem Fluchtort des zu Unrecht von der Justiz verfolgten weißen Helden zum Raum der tödlichen Umklammerung in den Fängen der Geliebten mit verrucht chinesischem Touch.
Gemäß einer Logik des Pastiche wurden in späteren Filmen wie "Chinatown" (Roman Polanski, 1974), "Year of the Dragon" (Michael Cimino, 1985) und "Big Trouble in Little China" (John Carpenter, 1986) die alten Detektivfilme zu Zitaten. Mit dezenten Korrekturen freilich, etwa wenn bei Cimino die Opiumraucher zu moderneren Heroinhändlern mutieren.
Chinatown bleibt dabei ein Ort jenseits der Gesetze der Mehrheitsgesellschaft. Diese Welt des Bösen ist ohne private Details. Vorgeprägte Spielfiguren bevölkern die Leinwand: der Schurke ohnehin, aber auch die China Doll, der kindisch-komische Houseboy oder - ähnlich wie die Nebenrolle des "guten" Indianers im Genre des Wildwestfilms - der chinesische Undercover-Agent. Die Protagonisten führen oft ein Doppelleben als Geschäftsmänner und Unterweltakteure.
Die Autorin wendet Jurij M. Lotmans Theorie von der "Grenze" - entwickelt in dessen Studien über die Topographien russische Zaubermärchen - auf die Erzählwelten und Simulationen der Filmarchitektur an, um zur Einsicht zu kommen, dass in Chinatown die Privatsphäre nur als "Politik der versteckten Räume" und Hinterzimmer zur Darstellung kommt. Dämmerlicht, die Farbe Rot und viel Rauch verheißen gleichzeitig zwielichtige Erotik und Gefahr. Der "Raum des Anderen", den das Mainstream-Kino hier zu bieten hat, braucht Ritual, Mord und Verbrechen. Die Wiederherstellung von Recht und Ordnung zielt im Fall von Chinatown nicht auf dessen Amalgamierung im Schmelztiegel Amerika ab.
Später betonten asiatische Amerikaner wie Wayne Wang in "Eat a Bowl of Tea" (1989) die Innenperspektive von Chinatown, ohne sich ganz von den Stereotypen ihrer Vorläufer zu lösen. Und obgleich mit dem Boom der Martial-Arts-Stars wie Jackie Chan oder Chow Yun-Fat - in Hollywood-Hongkong-Koproduktionen wie "Rush Hour" (1998) und "Corruptor" (1999) - statt Schurken nunmehr Helden in Szene gesetzt werden, bleiben Bilder eines "chaotischen Asiens" bestimmend. Zu ihrer Herkunft und Geschichte gibt dieses Buch einige erhellende Winke.
STEFFEN GNAM.
Yuanchen Zhang: "Cinematic Chinatown". Raum, Narration und Repräsentation.
Tectum Verlag, Marburg 2012. 115 S., br., 24,90 [Euro].
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