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Mit psychologischem Feingefühl und sehr spannend erzählt Bret Anthony Johnston in seinem Debütroman von einer Familie unter Schock. Vor vier Jahren ist Justin Campbell, damals 12 Jahre alt, entführt worden. Seine Eltern und sein Bruder, die nie aufgehört hatten, nach ihm zu suchen, haben unterschiedliche Wege gefunden, mit diesem Erlebnis umzugehen. Wege, die die Familie eher auseinanderdriften lassen. Da wird Justin wie durch ein Wunder ganz in der Nähe entdeckt und seinem Entführer entwunden - der inzwischen 16jährige kehrt in die Familie zurück. Aber ist der Wiedergefundene nicht doch…mehr

Produktbeschreibung
Mit psychologischem Feingefühl und sehr spannend erzählt Bret Anthony Johnston in seinem Debütroman von einer Familie unter Schock. Vor vier Jahren ist Justin Campbell, damals 12 Jahre alt, entführt worden.
Seine Eltern und sein Bruder, die nie aufgehört hatten, nach ihm zu suchen, haben unterschiedliche Wege gefunden, mit diesem Erlebnis umzugehen. Wege, die die Familie eher auseinanderdriften lassen. Da wird Justin wie durch ein Wunder ganz in der Nähe entdeckt und seinem Entführer entwunden - der inzwischen 16jährige kehrt in die Familie zurück. Aber ist der Wiedergefundene nicht doch verloren? Und was geschieht mit dem Täter, der vor Gericht gestellt wird und auf "nicht schuldig" plädieren will?
Bret Anthony Johnston zeigt sich in diesem Roman als hoch begabter, raffinierter und kluger Erzähler, der glaubwürdige und faszinierende Charaktere zeichnen kann und ohne Effekthascherei ins Herz der Dinge vorstößt.

Autorenporträt
Bret Anthony Johnston, 1971 geboren, veröffentlichte den Erzählungsband "Corpus Christi" (2004), gab 2008 den Band "Naming the World and other Exercises for the Creative Writer" heraus und schrieb das Drehbuch zum Dokumentarfilm "Waiting for Lightning" (2012). "Justins Heimkehr" ist sein Romandebüt. Johnston unterrichtet Fiction Writing an der Harvard University.

Sylvia Spatz arbeitet als freie Lektorin und Übersetzerin aus dem Französischen, Englischen und Italienischen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2017

Der verlorene Sohn bleibt trotz der Rückkehr verloren
Folgen einer Entführung: Bret Anthony Johnstons ungewöhnlicher Psychothriller "Justins Heimkehr"

Oft wird beklagt, dass nach Verbrechen die allgemeine Aufmerksamkeit zu sehr den Tätern und zu wenig den Opfern gelte, deren seelische Wunden oft nur langsam, wenn überhaupt heilen. Bret Anthony Johnston, Jahrgang 1971, hat einen in den Vereinigten Staaten vielbeachteten Roman geschrieben, der diesem Aufmerksamkeitsdefizit entgegenwirken soll.

Der elfjährige Justin Campbell verlässt nach einem Streit mit seinem jüngeren Bruder Griff das Haus und kommt nicht wieder. Er wollte nur ein wenig Skateboard fahren. Trotz aller Suchaktionen von Polizei und freiwilligen Helfern - die ganze Kleinstadt Southport, ein fiktiver Ort am Golf von Texas, nimmt Anteil - fehlt jede Spur. Das Leben der Familie wird zum Albtraum der Ungewissheit. Kann sein, dass der Sohn längst tot ist, kann sein, dass er irgendwohin verschleppt wurde und noch lebt. Einmal, nach Jahren, trifft aus Kalifornien eine ominöse Postkarte ein: "Gebt die Suche nicht auf", lautet die Botschaft, es sieht aus, als wäre es Justins Handschrift. Oder ist es eine Verhöhnung? Die Polizei tappt weiter im Dunkeln.

Ein solches Unglück ist ein Sprengsatz für die beste Beziehung. Das Liebesleben der Eltern ist ruiniert. Der Vater Eric hat eine Affäre, die Mutter Laura arbeitet ehrenamtlich in einem Sea Lab und kümmert sich um gestrandete Delphine - Möglichkeiten, ein paar schwer vermittelbare Gefühle und Rettungsphantasien unterzubringen. Mit Verzweiflungsanfällen muss jederzeit gerechnet werden; einmal schneidet sich Laura in einem Geschäft die Adern auf.

Gelegentlich klingelt das Telefon, und sie werden in die größere Nachbarstadt Corpus Christi bestellt, meist, um eine Jungenleiche zu begutachten. Könnte es sich bei dem unbekannten Ertrunkenen, Überfahrenen oder Ermordeten um ihren Sohn handeln? Als sie nun nach vier Jahren ein weiteres Mal nach Corpus Christi gerufen werden, ist der Verdruss groß. Was mutet man ihnen zu? Und dann ist es der verlorene Sohn, der ihnen, einen halben Meter größer als zuletzt, entgegentritt. Die Kleinstadt feiert, die Familie wird geradezu erdrückt von Wohlwollen, Blumen und Kuscheltieren. Nicht immer angenehm, dermaßen zum Objekt einer großen Mitgefühligkeit zu werden.

Der Schockzustand der Familie endet mit dieser Heimkehr nicht, der Roman beginnt nun erst eigentlich. Justin, so stellt sich heraus, war die ganzen vier Jahre in einem heruntergekommenen Viertel von Corpus Christi. Und schlimmer noch, Dwight Harrell, der Mann, der sein Entführer und Peiniger war, kommt ebenfalls aus Southport; die Eltern sind entfernte Bekannte. Was ist passiert in der Wohnung des Entführers? Warum hat Justin nicht die Flucht gewagt? Welche Bindungskräfte spielten da eine Rolle - womöglich eine Form des Stockholm-Syndroms, der Identifikation mit dem Täter? Solche Fragen bleiben letztlich offen; der Erzähler hält konsequent Distanz zu Justin, gewährt nicht mehr als die Außenperspektive, denn mit ihr müssen sich auch die Angehörigen, die Nachbarn und Neugierigen begnügen. Es gibt nur wenige suggestive Andeutungen, die den Horror und die Gewalt der vier Jahre ahnen lassen, etwa das Humpeln, das Justin geblieben ist. Und man raunt in der Stadt, dass er von seinem Entführer fast täglich sexuell missbraucht wurde. Womöglich spricht Justin darüber auch mit seiner Therapeutin. Aber nicht in der Familie, er ist ein verschlossener Charakter, und seine Angehörigen wollen ihn nicht quälen und traumatische Erfahrungen aufrühren. So entsteht in der Familie eine Zone des Verschwiegenen. Ein Hass ist die Folge, der keine Ableitung findet und der erst recht unerträglich wird, als der Entführer auf Kaution freikommt bis zum Prozess, seine Familie hat ihr Haus dafür verpfändet.

Der Täter bleibt im Roman eine im Inneren des Hauses seiner Familie verschwundene Unfigur. Justins Vater, ein Lehrer, fährt immer wieder nach der Schule dorthin, beobachtet das Haus wie unter Zwang mit dem Fernglas, aber nie bekommt er den mysteriösen Dwight Harrell zu Gesicht. Nur so viel ist klar: Auch dies ist ein Haus des Leidens, die Mutter des Täters stirbt gerade an Krebs, sein Vater - der Einzige, mit dem es zu verbalen Konfrontationen kommt - ist eine Figur, die in ihrer Verzweiflung Justins Vater selbst viel zu ähnlich ist, als dass sich der Hass und der Rachedurst wirklich bei ihm abreagieren ließen.

Johnstons Diskretion und seine Verlagerung des Erzählinteresses auf die Psychologie und das Innenleben der Figuren ist zu rühmen angesichts einer Überzahl von Thrillern, die voyeuristische Schaulust befriedigen, indem sie Verbrechen so detailliert darstellen, als wäre es eine Form von Konzeptkunst. Stattdessen schildert der Roman eine Kette versehrter Alltage, leuchtet in die verkapselten Innenwelten von Vater, Mutter und Bruder, der sich mitschuldig fühlt an dem Familiendrama und sich selbst dafür bestrafen zu wollen scheint. Die Campbells sind weder eine außergewöhnliche, noch eine besonders sympathische Familie. Es sind Durchschnittsamerikaner aus der texanischen Provinz. Umso bemerkenswerter, mit welcher psychologischen Eindringlichkeit der Roman sie schildert, auch wenn er vor allem im letzten Drittel ein paar Straffungen gut vertragen hätte.

WOLFGANG SCHNEIDER

Bret Anthony Johnston: "Justins Heimkehr".

Roman.

Aus dem Englischen von

Sylvia Spatz. Verlag C. H. Beck, München 2016. 420 S., geb., 21,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein kluger Mix aus Psychothriller und Innenschau einer Familie. Ein Plädoyer für Mitgefühl und Wahrheit."
Für Sie, 15. August 2016