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Baumwolle, das 'Hausschwein der Botanik' ist ein Rohstoff, der die Geschichte ganzer Länder geprägt hat und von dem Millionen von Menschen bis heute leben und abhängig sind. Auf seiner Reise ins Reich des 'Weißen Goldes' besucht Erik Orsenna Plantagen in Mali und den Vereinigten Staaten, Forschungslabors und Farmen in Brasilien und Museen in Ägypten, ausgetrocknete Seen in Usbekistan, Textilfabriken in China und Frankreich.
In einer unnachahmlichen Verbindung aus Poesie, Reportage und Realienkunde bringt Orsenna die Mechanismen der Globalisierung zur Sprache, den Kampf um Marktanteile, das
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Produktbeschreibung
Baumwolle, das 'Hausschwein der Botanik' ist ein Rohstoff, der die Geschichte ganzer Länder geprägt hat und von dem Millionen von Menschen bis heute leben und abhängig sind. Auf seiner Reise ins Reich des 'Weißen Goldes' besucht Erik Orsenna Plantagen in Mali und den Vereinigten Staaten, Forschungslabors und Farmen in Brasilien und Museen in Ägypten, ausgetrocknete Seen in Usbekistan, Textilfabriken in China und Frankreich.

In einer unnachahmlichen Verbindung aus Poesie, Reportage und Realienkunde bringt Orsenna die Mechanismen der Globalisierung zur Sprache, den Kampf um Marktanteile, das Streben nach neuen Produkten, den Konflikt zwischen multinationalen Konzernen und traditioneller Ökonomie, die Rhetorik von offenen Märkten und der weltweiten Praxis des Lobbyismus. Eine brillante Erkundung unserer globalisierten Welt, die zu Recht mit dem Lettre Ulysses Award für die Kunst der literarischen Reportage ausgezeichnet wurde.
Autorenporträt
Érik Orsenna, geb. 1947, veröffentlichte eine Reihe von Romanen. Für "La vie comme Lausanne" erhielt er 1978 den Prix Roger Nimier, sein großes Opus "L'Exposition coloniale" wurde 1988 mit dem Prix Concourt ausgezeichnet. Seit 1998 ist Orsenna Mitglied der Academie Francaise in der Nachfolge von Jacques Yves Cousteau.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.03.2007

Der Markt gibt seine Befehle, aber wem gehört die Natur
Dörfer in Mali, texanische Hochebenen, Ex-Kommunisten in Usbekistan, Neu-Kapitalisten in China: Der Schriftsteller Érik Orsenna reist durch die globalisierte Welt Von Joseph Hanimann
Im Gewand der Gefälligkeit vermag Kritik mehr als mit der geballten Faust. Sie bleibt geschmeidig, überrascht die Tatsachen in ihren Widersprüchen, lauert der Wirklichkeit an strategischen Stellen auf. Zum Beispiel auf einer Parkbank an der Westspitze des Dreiecks, das von der 18th Street, H Street und Pennsylvania Avenue in Washington D.C. gebildet wird. Man sieht dort Bankleute in einem Glashaus ein- und ausgehen, das als Sitz der Weltbank bekannt ist. Gerade in dieses Haus geht der Autor dieses Reisebuchs aber nicht hinein. Ihm ist, als wüsste er schon zu gut, was die Bankleute ihm sagen würden. Privatisierung. „Privatisierung in Mali, Privatisierung in Ägypten, Privatisierung in Usbekistan, Privatisierung in Indien.”
In all diese Länder ist unser Autor zuvor gereist und hat dabei erfahren, dass die Hauptleidenschaft der Weltbankleute darin besteht, mit dem einen Wort „Privatisierung” überall Recht zu haben. Der Verdacht, dass es den vielfältigen Situationen in der Welt nicht gerecht wird, ist der Inhalt dieses Buchs.
   Der Schriftsteller Érik Orsenna, Mitglied der Académie Française, Autor einer „Geschichte der Welt in 9 Gitarren” und eines „Lob des Golfstroms”, ist aber nicht der Mann, der uns mit einem Traktat käme. Er hat vielmehr eine – jüngst mit dem Lettre Ulysses Award ausgezeichnete – Reportage geschrieben über Anbau und Verarbeitung von Baumwolle. Warum Baumwolle? Dieses „Hausschwein der Botanik”, von dem alles verwertbar ist, erschien ihm als ein gutes Beispiel, um unseren Planeten besser zu verstehen und dabei zu zeigen, wie alt unsere „globalisierte Welt” schon ist.
Baumwolle war seit dem frühesten Altertum bekannt und wurde später zu einer Art Kulturscheide, als die Christen des Nordens Wolle und Leinen, die Muslime des Südens feinere Baumwolle trugen. Heute beschäftigt deren Verarbeitung Millionen von Menschen in Landwirtschaft, Textilindustrie, Biochemie.
   In sieben geographisch gegliederten Kapiteln rollt der Autor durch malische Dörfer und über horizontlose texanische Hochebenen, spricht mit hoch subventionierten amerikanischen Großproduzenten, lernt auf der Farm im brasilianischen Mato Grosse die Geheimtricks des Welthandels kennen, reist im altspanischen Luxuszug von Kairo nach Alexandria zur Modern Nile Cotton Company und ihren Baumwollknospen mit den besonders langen Fasern, befragt usbekische Ex-Kommunisten über die Tugend der Marktwirtschaft und chinesische Neu-Kapitalisten über Gewinnsteigerung. Die Antworten oder Gegenantworten liegen bei Orsenna aber nie auf der Hand. Das Lokale ist nicht unbedingt besser als das Globale, das Alte nicht immer humaner als das Neue. Durch Relativierung des Urteils und Fülle der Detailinformationen differenziert sich das Bild. Darin liegt die Stärke dieses Buchs.
   In Mali zum Beispiel ist die staatliche Compagnie malienne pour le développement du textile nur so weit korrupt, dass sie dennoch Alphabetisierungsprogramme für die Bauern und Baumpflanzungsaktionen in den Dörfern zustande bringt. Durch die sinkenden Weltmarktpreise für Baumwolle gerät sie mit ihrer Planwirtschaft aber an den Abgrund. In der Baumwollhauptstadt Koutila warten die Lastwagen zu Hunderten wochenlang vor den Fabriktoren, weil keiner an den Bau von Lagerhallen gedacht hat: Die Baumwolle wird direkt aus dem Lastwagen verarbeitet. Die Weltbank will helfen, aber nur, wenn privatisiert wird. Ist das die einzige Lösung? Das Nachbarland Burkina hat ein staatliches Teilhabermodell für die Kleinbauern geschaffen, das offenbar so gut funktioniert, dass die Sanierer aus dem Norden wenig dagegen einwenden können.
   Viel einzuwenden haben hingegen die Afrikaner gegen die europäische und amerikanische Wettbewerbsverzerrung durch Subventionen oder Einfuhrreglementierung. Und wie kommt es übrigens, dass ein so großer Baumwollproduzent wie Mali keine Textilindustrie hat? – fragt Orsenna seine Gesprächspartner. Er wird darauf hin auf die Stadtmärkte geschickt. Dort stößt er auf Tonnen von aus dem Norden gespendeten Altkleidern, die durch Heerscharen von Schneidern sofort umgeschneidert werden. Vorab die chinesische Industrie ist mit den internationalen Hilfsorganisationen eine Allianz eingegangen, um jede Textilambition Malis im Keim zu ersticken.
   So wenig Orsenna solche Zusammenhänge theoretisch abhandelt, so wenig lässt er sich zu literarischer Beschreibung der Plantagenlandschaften verlocken. Seine Schilderungen sind meistens pointiert kurz, wenn er etwa in Washington auf die zahllos in der Sonne blitzenden Messingschilder von Anwaltskanzleien hinweist – tragen deshalb so viele Amerikaner Sonnenbrille? Die Vereinigten Staaten sind das Land nicht nur der allgegenwärtigen Lobby, sondern auch des subtilsten Sinns für Marktsituationen, wie der Reisende in der Baumwoll-Weltmetropole Lubbock erfährt, die mit ihren hanseatisch anmutenden Bürgerhäusern ihrem Vorbild Lübeck Ehre macht. Wo afrikanische oder mittelasiatische Produzenten einfach mit der Überzeugung auftreten, ihre Ware sei die beste, machen die Amerikaner den Kunden zum König und lassen von Forschungsinstituten ermitteln, welcher geheime Wunsch sich in ihm demnächst gerade regen wird. Nur so kann man den Weltmarkt beherrschen. Als Waffe dagegen gibt es allenfalls den Hangar, jenen „wichtigsten Verbündeten Brasiliens”, den die Afrikaner zu bauen vergaßen. „Der Markt gibt seine Befehle”, erklärt ein junger Fazenda-Verwalter bei Campo Verde: „Aber wenn uns diese Befehle nicht passen, dann lagern wir so viel Baumwolle wie möglich und warten, bis der Markt es sich anders überlegt”. Jede Globalisierung hat ihre Elite, so geht es dem Reisenden durch den Kopf: Im sechzehnten Jahrhundert waren es die Jesuiten, heute sind es diese jungen Ingenieure und Anwälte. Roberto Azevedo hat es sogar fertig gebracht, Wall Street und die revolutionären Globalisierungskritiker zusammenzubringen, um im Namen des freien Markts Washington durch die Welthandelsorganisation für seine Subventionen verurteilen zu lassen.
Die Tücken eines so weit geflochtenen Buchs bestehen fast zwangläufig darin, dass die Sache stellenweise durchhängt. Alles, was dem Autor auf seinen Reisen widerfährt, bräuchten wir nicht unbedingt zu wissen. Doch gehört etwas Anekdotenzauber zum Genre. Und ist man dessen überdrüssig, kann man die schnellere Gangart des Lesens einschalten, hin zu den Sachfragen. Wir Europäer lassen per Subvention unseren Landwirtschaftsraum brach liegen, während in Brasilien die Landrodung sich immer tiefer in den Regenwald frisst: Wem gehört heute die Natur? – fragt Orsenna.
   So weit die Eindrücke und Impressionen. Ein paar Thesen sammelt der heimgekehrte Autor am Schluss seines Buchs. Eine Idealwelt nur aus Produzenten und Verbrauchern, ohne Händler, gibt es nicht, schreibt er da etwa. Und auch die Idee eines „gerechten Preises” erscheint ihm fragwürdig: Die Welt ist komplex und ein „fairer Handel” verleitet leicht zum guten Gewissen zu Niedrigpreisen. Entscheidend sei vielmehr, sich neben der Raum- auch der globalisierenden Zeitnivellierung zu widersetzen: Protektionismus kann erzieherisch sinnvoll sein, solange ein Staat von der freien Konkurrenz überrollt zu werden droht. Diese Thesen stehen auf fünfzehn Seiten, der Rest ist reiner Lesegenuss, von Antoinette Gittinger und Uta Goridis elegant übersetzt.
Die Hauptleidenschaft der Weltbankleute heißt Privatisierung
Messingschilder blitzen – Weshalb wohl tragen so viele Amerikaner Sonnenbrille
„Fairer Handel” verleiht ein gutes Gewissen zu Niedrigpreisen
Érik Orsenna
Weiße Plantagen. Eine Reise durch unsere globalisierte Welt
Aus dem Französischsen von Antoinette Gittinger und Uta Goridis.
Verlag C. H. Beck Verlag, München, 2007. 288 Seiten, 18,90 Euro.
Die Baumwolle gilt als „Hausschwein der Botanik” – alles von ihr kann verwertet werden. Mit ihrer Verarbeitung sind weltweit Millionen beschäftigt. Hier ein Farmer im Feld. Foto: Nelson/Corbis
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.07.2007

Hab' ich nicht ein unglaubliches Glück?
Im Reich des weißen Goldes: Der französische Schriftsteller Erik Orsenna hat unsere globalisierte Welt bereist und sich auf die Spuren der Baumwolle begeben

Es gibt Wohnungen in Paris, die von der großen weiten Welt erzählen und vom Ruhm, den ihr Besitzer sich dort erworben hat, Wohnungen mit weitem Glasdach oder romantischen Türmchen, versteckte Paläste oder Kutscherhäuser in verborgenen Innenhöfen. Diese nicht. La Butte aux Cailles ist ein Stück Provinz in der Nähe des Quartier Latin, die Wäsche hängt zum Trocknen aus, Schulkinder trödeln nach Hause. Das grauweiße eingeschossige Haus steht da, als wollte es lieber irgendwo anders stehen, in der Bretagne zum Beispiel oder in Genua. Ein Küstenstadthaus. Eine Fassade, die sich verwittern lässt, die keine Miene verzieht. Wie der Mann, der die Tür öffnet. Weil Eric Raoult alias Erik Orsenna sich schwer damit tut, in die expressive Gestik und Mimik seiner Landsleute zu verfallen, greift er zu großen Worten. Wie sehr er sich über den Besuch freue. Wie sehr ihm Deutschland am Herzen liege . . . Im Laufe des Gesprächs wird er aber auch die Bretagne, den Maghreb, Schwarzafrika, Mittelamerika und das Portugal des sechzehnten Jahrhunderts als seine eigentliche Seelenheimat identifizieren. Alles, bloß nicht Paris.

Ein kurzer Gang zum Wasserhahn, ein hohes Glas wird aufgefüllt, dann geht es zu zwei alten Clubsesseln im überdachten Innenhof dieses Fischerhauses. Es wird die Art von Besuch, bei der anschließend auf der Kassette von den anderthalb aufgenommenen Stunden die eigene Stimme vielleicht sechzig Sekunden lang zu hören ist. Der Rest ist Redefluss, besser gesagt: Redestrom. Auf dem Band sagt er dann fünf oder sechs Mal: jamais. Ich bin nie hier. Sieben Monate sei er im letzten Jahr auf Reisen gewesen, oder in der Bretagne oder sonst wo. Bloß nicht hier. Bloß nicht in Paris. Man könnte leicht vergessen, dass Eric Orsenna in Paris alle Punkte gemacht hat, die es zu machen gibt, alle Ehren wurden ihm zuteil, jede einzelne. Er hat die wichtigsten literarischen Preise gewonnen, war jahrelang Spezialberater des Staatspräsidenten und des Außenministers, gehörte dem Staatsrat an, ist Mitglied der Académie Française, der Académie Goncourt, er hat alle Orden und kennt alle wichtigen Leute.

Wenige Tage vor unserem Treffen, das kurz vor der Präsidentenswahl stattfand, war er mit Ségolène Royal zum Mittagessen verabredet, prompt galt er als Anwärter auf das Amt des Kulturministers: "Da ist der Hasspegel der anderen vielleicht gestiegen", beschreibt er die Reaktion - ja von wem eigentlich? Von Paris, irgendwie.

Mit den Sozialisten, zu denen er gehört, seit er siebzehn ist, hat er einige Probleme. Das liegt an einem Thema, seinem Lebensthema: der Arbeit. Die Sozialisten haben die Fünfunddreißig-Stunden-Woche eingeführt. So viel arbeitet Orsenna an zwei Tagen, wenn er es locker angeht: "Von fünf bis neun Uhr früh schreibe ich, dann habe ich einen ganz normalen Arbeitstag. Die Arbeit ist mir das Wichtigste. Mit der Fünfunddreißig-Stunden-Woche hat man aber das Signal gegeben, Arbeit sei zweitrangig, die Freizeit sei das Wichtigste! Das war Frankreichs Botschaft an die Welt. Wir sind intelligenter als ihr, also brauchen wir auch nicht so lange zu arbeiten." Er hingegen, sagt er, habe immer am allerliebsten nur gearbeitet. Orsenna ist Jurist, Volkswirtschaftler, Historiker, alle Geistes- und Sozialwissenschaften hat er durch. Nun sind die Naturwissenschaften sein Thema. Und natürlich die große Welt.

Mit einem Buch über den Golfstrom fing seine Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern an. "Ich kann erzählen, sie kennen die Fakten", beschreibt er die Symbiose. Beides zusammen ergibt große Bucherfolge. Sein nächstes Buch geht über das Wasser, das Wasser der Welt. In Deutschland, das ist ja der Anlass des Besuchs, ist in diesem Jahr "Weiße Plantagen", seine Geschichte der Baumwolle, erschienen. Tausend Briefe erreichten ihn als Reaktion auf dieses Buch. Bald wird er - denn einen Großteil seiner Zeit widmet er der Arbeit für Nichtregierungsorganisationen - ein Treffen veranstalten, Produzenten von Qualitätsbaumwolle aus Burkina treffen, Abnehmer aus der Bretagne, regionale Zusammenarbeit statt langwieriger Handelsdiplomatie, so was gefällt ihm.

Das Baumwollbuch ist ein Spaziergang und ein hochpolitisches Buch, das einerseits die unfaire Behandlung Afrikas schildert, andererseits aber auch mit den Lieblingsmythen der Antiglobalisierer bricht: Geld- und Kleiderspenden bedeuten Afrikas Tod, ein fairer Handel ist eine problematische Sache, und wenn überhaupt, findet man ihn bei einem Luxusunternehmen wie Hermès: garantierte Abnahme gegen Qualitätssicherung, freut sich Orsenna!

Der Protagonist des Buchs ist nicht einfach zu benennen. Es ist die Pflanze, klar, aber man vergisst beim Lesen nie den Autor. Er spaziert durch Ägypten, wo es ein Baumwollmuseum gibt, und bis nach Mali, wo man hart arbeitet, die beste Baumwolle herstellt und doch keine Chance hat: Auf den lokalen Märkten türmen sich die Klamotten aus unseren Altkleidersammlungen, eine eigene Textilwirtschaft aufzubauen lohnt sich nicht. Und die Vereinigten Staaten, die sitzen auf dem falschen Boden für die Baumwolle, also lassen sie Geld regnen.

Das alles liest sich ganz interessant, aber dennoch scheint das Buch unter einem unerklärlichen Druck zu stehen, zu posieren. Genau wie Orsenna, der nun die lange Liste seiner aktuellen und künftigen Arbeiten runterrattert: Er hat ein Märchen über die Accents geschrieben, ein Roman über einen portugiesischen Kartographen des sechzehnten Jahrhunderts ist in Arbeit ("Unsere Epoche, die ist wie das sechzehnte, das sage ich ihnen"), fünfhundert Seiten, er lässt das erst mal ruhen bis zum Wasser, und wenn er die Geschichte mit dem Wasser gemacht hat, will er den Nordpazifik bereisen. "Die Abhöranlagen der Amerikaner und all das", sagt er. Orsenna ist auch ausgebildeter Kapitän, steht dem Centre international de la Mer vor, und ein ausgezeichneter Musikkenner ist er selbstverständlich auch.

"Habe ich nicht", stellt er wieder und wieder fest, "ein unglaubliches Glück?" "Ich kann bei den größten Wissenschaftlern meine Neugier stillen, dann darüber schreiben. Ich habe durch das Schreiben alles erreicht. Beruflichen Erfolg, Preise, Ehrungen und die Gunst der Damen. Ein unglaubliches Glück habe ich!" Erst mal klingt das logisch: Für den, dem die Arbeit alles bedeutet und der sich die Welt als Arbeitsplatz auserkoren hat, ist das Leben ein einziges, tiefes Glück.

Aber sagen wahrhaft glückliche Menschen wirklich andauernd, wie glücklich sie sind? Dieser stundenlange Monolog über das Glück und die Welt entlässt den Zuhörer seltsam traurig und matt, später unangemessen froh über die zivile Langeweile eines warmen Nachmittags in der Butte aux Cailles.

NILS MINKMAR

Erik Orsenna: "Weiße Plantagen". Eine Reise durch unsere globalisierte Welt. Aus dem Französischen von Antoinette Gittinger und Uta Goridis. C. H. Beck Verlag, München 2007. 288 S., 6 Karten, 2 Abb., geb., 18,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Völlig zurecht ist dieses Buch mit dem Ulysses-Preis für Reportagen ausgezeichnet worden, wenn man Wolfgang Uchatius Glauben schenken darf, der hierin den "Bericht eines langen Spaziergangs" sieht. Eines Spaziergangs allerdings, der den französischen Reporter über die ganze Welt geführt, überall hin, wo Baumwolle angebaut, gepflückt, verarbeitet und vertreiben wird. Orsenna hat mit Pflückern in Mali gesprochen, mit Lobbyisten in die USA, mit Fabrikbesitzern in Brasilien und französischen Textilunternehmen, und sie alle ergeben einen Faden in dem gewaltigen Gewebe, zu dem sich das Wirtschaftsgut Baumwolle ausspinnt. Mit großen Interesse hat Rezensent Uchatius dies verfolgt, glücklich bemerkt er, dass der einfache Bericht weitaus spannender zu lesen sei als jede "politische Besserwisserei". Schließlich war er so in dieses weltumspannende Netz hineingezogen, dass er nicht mehr sagen konnte, wer wen beherrsche: die Baumwolle den Menschen oder der Mensch die Baumwolle. Einziges Manko: Ein wenig zu kurz gekommen findet Uchatius die gesichtslose Darstellung einiger Protagonistin.

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