10,95 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 1-2 Wochen
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Marc Augé beschreibt in diesem fiktiven Tagebuch fünf Monate im Leben eines "modernen Obdachlosen". Aufgrund der Zwänge moderner Arbeitsverhältnisse und steigender Mietpreise wächst in Großstädten eine Masse von neuen Heimatlosen heran, die sich, obwohl sie durchaus Geld haben, keine festen Wohnsitze mehr leisten können (oder wollen). Sie müssen mobil und flexibel sein, nehmen befristete Jobs für zu wenig Geld an und übernachten bei Freunden auf der Couch oder in ihrem Auto. Der Tagebuchschreiber bildet sich zwar ein, seine bisherige mentale Verfassung aufrechterhalten zu können, der Leser…mehr

Produktbeschreibung
Marc Augé beschreibt in diesem fiktiven Tagebuch fünf Monate im Leben eines "modernen Obdachlosen". Aufgrund der Zwänge moderner Arbeitsverhältnisse und steigender Mietpreise wächst in Großstädten eine Masse von neuen Heimatlosen heran, die sich, obwohl sie durchaus Geld haben, keine festen Wohnsitze mehr leisten können (oder wollen). Sie müssen mobil und flexibel sein, nehmen befristete Jobs für zu wenig Geld an und übernachten bei Freunden auf der Couch oder in ihrem Auto. Der Tagebuchschreiber bildet sich zwar ein, seine bisherige mentale Verfassung aufrechterhalten zu können, der Leser merkt aber schnell, dass mit dem Verlust der festen Behausung auch eine schleichende Erosion von Orientierung, Identität und sozialen Kompetenzen einhergeht.
Augé nennt die Form des Tagebuchs Ethnofiktion. "Candide oder Montesquieus Perser waren ethnofiktive Figuren, aber sie beobachteten die Welt, um sich darüber zu wundern. Die ethnofiktive Person, die sich heute selbst beobachtet, enthüllt dagegen den Wahnsinn der Welt."
Autorenporträt
Marc Augé, geboren 1935, ist Hauptvertreter einer "Ethnologie des Nahen". Er lehrte Anthropologie an der Pariser École des Hautes Ètudes en Sciences Sociales, deren Präsident er viele Jahre war.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Marc Auges "Tagebuch eines Obdachlosen" hat es Sabine Vogel angetan - besonders die Ethnofiktion: die Konstruktion der Romanfigur mit sozialwissenschaftlichem Anspruch, beladen mit gesellschaftlichem Ballast. Die Rezensentin schildert, wie der Protagonist der Geschichte, ein Pensionär, seine Wohnung aufgeben muss und sich Schritt für Schritt von allen gesellschaftlichen Banden befreit. Sie sieht in den Orten, an denen sich sein Leben fortan abspielt Nicht-Orte, eigentlich nur Durchgangspunkte des täglichen Lebens. Im Drang zur Auflösung der eigenen Identität, im Brechen mit den persönlichen Fixpunkten, erkennt sie den Tod des Sozialen - festgehalten in einem Tagebuch.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.2012

Erzählung Warum nicht einfach eine Erzählung? Warum nennt Marc Augé sein "Tagebuch eines Obdachlosen" (Verlag C.H.Beck, 10,95 Euro) eine "Ethnofiktion"? Jedenfalls ist dies kein gefälschter Forschungsbericht und keine erfundene Sozialreportage. Es ist die in Tagebuchform präsentierte Erzählung von Henri Cariou, der allein lebt, erst von der ersten, dann von der zweiten Frau verlassen, in Paris, von einer nicht allzu schlechten Rente, die aber nicht mehr für die Miete reicht, weshalb er fortan auf der Rückbank seines Mercedes schläft. Man wird bei der Lektüre nervös, will an Henri rütteln, damit er vernünftig wird, die teure Stadt verlässt. Augé macht prekäre finanzielle Verhältnisse zum Thema, aber im Gegensatz dazu auch die Entfremdung des Menschen durch das Materielle. So ist das Prekäre an Henris neuem Leben auch ein bisschen das Abenteuer, nach dem er sich sehnt. Er wird zum Beobachter des öffentlichen Lebens, nur um sein eigenes Leben kümmert er sich nicht. "Liebe Deine Stadt!", ist die sozialromantische Botschaft dieses angenehm kurzen und durchaus betörenden Buches.

lste

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.06.2012

Erosion
einer Existenz
Marc Augé ist der Ethnologe des Nahen, berühmt für das Buch „Nicht-Orte“, in dem er die sinnentleerten Verkehrs- und Konsumräume der globalisierten Welt wie Flughäfen, Supermärkte oder Hotelketten untersucht hat. In seinem „Tagebuch eines Obdachlosen“ betreibt er nun Ethnofiktion. Der Finanzbeamte, der nach der Pensionierung nicht mehr für den Lebensunterhalt sorgen kann, untertags durch Paris stromert und nachts im Auto schläft, ist zwar eine erfundene Figur, besitzt aber gerade dadurch Symbolcharakter. Sein Schicksal steht stellvertretend für das Menschenheer ohne stabilen Wohnsitz, das in stetig wachsendem Maße unsere Städte bevölkert. Dem Leser wird eine einst solide bürgerliche Existenz vor Augen geführt, die mit dem Verlust der eigenen vier Wände auch ihren inneren Halt zu verlieren beginnt. „Ich bin nur noch eine lebende Leiche.“
Florian Welle
Marc Augé:
Tagebuch eines Obdachlosen. Ethnofiktion. Verlag C.H. Beck, München 2012.112 Seiten, 10,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de