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Deutsch ins Grundgesetz? Verbot für Fremdwörter? Gendern oder nicht? Deutsch in der EU?Sprachpolitik hat sich in den letzten Jahren als ein lohnendes Politikfeld etabliert. Von den Sprachschlachten im 17. Jahrhundert bis zu aktuellen sprachpolitischen Verschwörungstheorien - dieses Buch analysiert die Auseinandersetzungen zum Thema Sprache und Politik. Es zeigt, welchen hohen Stellenwert das Thema Sprache im Programm der AfD einnimmt. Was steckt dahinter? Und was kann der Vereinnahmung der Sprache für politische Zwecke entgegengesetzt werden?

Produktbeschreibung
Deutsch ins Grundgesetz? Verbot für Fremdwörter? Gendern oder nicht? Deutsch in der EU?Sprachpolitik hat sich in den letzten Jahren als ein lohnendes Politikfeld etabliert. Von den Sprachschlachten im 17. Jahrhundert bis zu aktuellen sprachpolitischen Verschwörungstheorien - dieses Buch analysiert die Auseinandersetzungen zum Thema Sprache und Politik. Es zeigt, welchen hohen Stellenwert das Thema Sprache im Programm der AfD einnimmt. Was steckt dahinter? Und was kann der Vereinnahmung der Sprache für politische Zwecke entgegengesetzt werden?
Autorenporträt
Prof. Dr. Henning Lobin, geboren 1964, seit 2018 Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim. Studium der Germanistik, Philosophie und Informatik an den Universitäten Saarbrücken und Bonn. Promotion zum Dr. phil. an der Universität Bonn, Habilitation an der Universität Bielefeld. Arbeitsschwerpunkte: Computerlinguistik, Grammatik, Korpuslinguistik, multimodale Kommunikation, Politolinguistik, Sprachkritik, Sprachpolitik, wissenschaftliche Kommunikation. Der Öffentlichkeit ist Henning Lobin auch bekannt durch seinen Blog "Die Engelbart-Galaxis".
Rezensionen
"Lobin erzahlt, wie das in Deutschland wirklich lauft und wie man Rechtschreibungen reformiert, wenn sich der allgemeine Sprachgebrauch andert." Leipzinger Internetzeitung Leipziger Internetzeitung

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Jasper von Altenbockum gesteht dem Sprachwissenschaftler Henning Lobin zu, in seiner Streitschrift mit feinerem Besteck zu hantieren als der polemische Walter Krämer vom Verein Deutsche Sprache, der Gendern und Anglizismen für Teufelszeug hält und für Lobin als sprachnationalistischer Gottseibeiuns fungiert. Dennoch ist dem Rezensenten Lobins Buch nicht unbedingt sympathisch. Dass Lobin so tut, als wären alle Kritiker des Genderns rechts, alt oder doof, jede Debatte darüber unsachlich und der geschlechtergerechte Gebrauch vom Himmel auf die Sprachgemeinschaft gefallen ohne Zutun interessierter Gruppen, möchte ihm Altenbockum nicht durchgehen lassen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.08.2021

Der wütende Herr Krämer
Eine Polemik verteidigt geschlechtergerechte Sprache gegen den Sprachnationalismus

Der "wütende Herr Krämer" muss aus dem Autor dieses Buches irgendwann einen sehr wütenden Herrn Lobin gemacht haben. Immer wieder taucht der "Verein Deutsche Sprache", kurz VDS, und dessen Vorsitzender, der in der Tat bisweilen recht wütend agierende Walter Krämer, in Henning Lobins Polemik über den "Sprachkampf" als Reich des Bösen auf. Dem "Kampfverband" ist ein ganzes Kapitel gewidmet, mit Ausläufern in nahezu allen anderen sieben Abschnitten dieses Buches, in dem der Direktor des Mannheimer Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache kein gutes Haar an dem Verein und dessen Verbündeten lässt.

Lobin tut das nicht wie Krämer, er arbeitet nicht mit dem Holzhammer. Er nimmt die Polemiken des Vereins gegen Anglizismen, Gendersternchen und "politische Korrektheit" nach allen Regeln der Kunst auseinander. Dennoch, nach mindestens der Hälfte der Lektüre fragt man sich, was es mit dem Untertitel des Buches auf sich hat ("Wie die Neue Rechte die deutsche Sprache instrumentalisiert") und worum es in diesem Buch denn nun eigentlich geht. Dass es Lobin gar nicht um Sprachkämpfe schlechthin, sondern vornehmlich um die Verteidigung geschlechtergerechter Sprache gegen allzu plumpe und polemische Angriffe geht, hat man schnell begriffen. Um das generische Maskulinum geht es auf fast jeder zweiten Seite. Was aber hat die sogenannte Neue Rechte damit zu tun?

Der Untertitel seines Buches schützt Lobin davor, sich allzu große Mühe mit den Argumenten zu machen, die Gendersprache kritisieren. Sie kommen nur in ebender schlichten Form vor, dass sie in die Nähe der AfD gerückt werden können, die als Speerspitze der Neuen Rechten den "Sprachpurismus" und "Sprachnationalismus" zum Teil ihres Parteiprogramms gemacht hat. Wo immer Lobin kann, stellt er eine Verbindung her zwischen Kritikern der Rechtschreibreform, der Gendersprache oder "politischer Korrektheit" und "neurechten" bis rechtsextremistischen Kreisen - inklusive natürlich der Rückverfolgung entsprechender Versatzstücke in die Zeit des Nationalsozialismus. Zum schulmeisterlichen Stilgefühl Lobins gehört es außerdem, bei den Leuten, die sich nicht so einfach in die braune Soße tunken lassen, wenigstens darauf hinzuweisen, wie hochbetagt oder schon emeritiert sie seien (sprich: alte weiße Männer) oder, wie im Falle Monika Marons, "nicht gerade für Differenziertheit" bekannt. Das macht dieses Buch so unsympathisch.

Dünn wird es auch, wenn sich Lobin mit dem Pro und Contra geschlechtergerechter Sprache, also mit der Sache selbst, beschäftigt. Argumente für das Pro finden sich zwar zuhauf, und auch hier gilt: Sie wögen weit schwerer, wenn Lobin beim Contra nicht immer nur wieder die rechte bis rechtsradikale Ecke entdeckte. Zum Kern indessen, der "angeblichen Unabhängigkeit" von Genus und Sexus, dringt der Linguist Lobin nur sporadisch vor, wischt die Kontroverse darüber als ungeklärt vom Tisch und fragt an einer Stelle: "Erwächst es aus dem Sprachsystem und ist somit sakrosankt, oder entspringt es einer Konvention und kann geändert werden?" Als ob es so einfach wäre. Mit Leserlichkeit, Verständlichkeit, Stil und sonstigen Konventionalitäten beschäftigt sich Lobin nicht.

Wie Lobin über Pro und Contra denkt, verrät eine andere Stelle: "Wenn nicht immer wieder aufs Neue die alten Positionen in die Diskussion eingebracht würden, könnte man fast meinen, das Pro und Contra würde sich beruhigen und einer sachlicheren Betrachtung Platz machen." Sachlich heißt also so wenig Pro und Contra wie möglich? Wer stattdessen auf Pro und Contra besteht, ist unsachlich? Bleibt also nur Pro? Lobin sucht am Ende des Buches einen Ausweg für den Rat für deutsche Rechtschreibung (dessen Mitglied er ist), wie die Genderkuh vom Eis zu holen wäre. Eine Lösung sieht er darin, dass "der Genderstern als eine zwar rechtschreibungsrelevante Erscheinung der Typografie zu verstehen ist, jedoch nicht zum Kernbereich der Orthografie gehört". Was damit geholfen ist? Es müsste, so Lobin, keine verbindliche Regel aufgestellt werden.

Nicht nur an dieser Stelle ist ihm das wichtig. Auch den Duden, der in seiner 28. Auflage dem generischen Maskulinum den Kampf angesagt hat, und den Duden-Verlag, in dem das Buch erschienen ist, versetzt er ins Reich der Unschuld. "Die Missverständnisse beginnen dort, wo angenommen wird, dass durch den Namen ,Duden' dieses Anliegen zu einer Norm erhoben wird." Das stimmt natürlich (und wenn der Duden so weitermacht, erst recht). Aber es stimmt auch wieder nicht. Denn ganz ohne normierende Autorität ist der Duden nun auch wieder nicht. Lobin bezweckt mit seiner Negierung etwas anderes. Er will den "Sprachkampf" auf eine einfache Alternative reduzieren: hier der VDS, der "propagandistisch geschickt agierende Interessenverband" und das Netzwerk aus Stiftungen und Publizisten, die eine Sprache künstlich erhalten wollen; dort hingegen der Duden und die vielen anderen, die nur vollziehen, aber nicht normieren, was sich organisch, natürlich und voller Evidenz entwickelt habe.

Dass es sich bei dieser organischen Entwicklung um eine Fiktion handelt, will Lobin nicht wahrhaben. Auch der Rechtschreibrat orientiert sich schließlich nicht einfach "am Usus", wie er schreibt. Der geschlechtergerechte Usus fällt nicht vom Himmel, und zumindest Lobin scheint dem Usus immer um einen paar Schritte Anpassungsbereitschaft voraus zu sein. Es seien Unternehmen, Institutionen, die Evangelische Kirche und Zeitungen, die Sprache formten, schreibt Lobin, um zu verdeutlichen, dass hier die Gesellschaft, nicht ein Kampfverein das Sagen habe. Er erwähnt außerdem "Menschen, die Verordnungen zur geschlechtergerechten Sprache erlassen". Damit ist offenbar der Staat, sind Ministerien und Stadtverwaltungen gemeint. Und sie alle reagieren aus dem Nichts, ganz ohne "propagandistisch geschickt agierende Interessenverbände"?

Lobin selbst muss das zu einfach vorgekommen sein. Deshalb kam er nicht umhin, der "identitären" Sprachideologie der Neurechten die "Identitätspolitik" von links gegenüberzustellen, die nach allem, was aus Parteien, NGOs, Schulen und Universitäten dringt, nicht ganz frei ist von sprachkämpferischen Anwandlungen. Wenig überraschend kommt Lobin aber zu dem Ergebnis, dass das eine mit dem anderen nicht zu vergleichen sei. Lobin schreibt über eine der beiden Richtungen: Zugehörigkeit werde durch Sprache definiert, und "die Hürden einer kulturellen Integration durch die in der Sprache kodierte Eigentlichkeit, die es für jemanden, der dazugehören will, erst einmal zu erfassen gilt, werden über das Erlernen der Sprache hinaus erhöht". Es sei an dieser Stelle offengelassen, ob damit der "identitäre" rechte oder der "identitätspolitische" linke Sprachkampf auf den Punkt gebracht werden soll.

Lobins Buch ist selbst ein Teil dieses Sprachkampfs. Der "wütende Herr Krämer" mag grobschlächtig vorgehen, die Mittel des wütenden Herrn Lobin sind nicht minder wuchtig: "Wenn man nicht will, dass die eigenen Aussagen als eine Bejahung einer identitären Sprachpolitik verstanden werden, dann darf man sie nicht nur als solche stehen lassen, sondern muss sie selbst einordnen und zeigen, warum sie sich nicht für eine solche Instrumentalisierung eignen." Mit anderen Worten: lieber Klappe halten - und gendern.

JASPER VON ALTENBOCKUM.

Henning Lobin: Sprachkampf. Wie die Neue Rechte die deutsche Sprache instrumentalisiert.

Duden Verlag, Berlin 2021. 186 S., 15,- [Euro].

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