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Von der Krise der Sozialdemokratie ist allerorten die Rede. Doch auch viele traditionsreiche Mitte-rechts-Parteien befinden sich im Niedergang oder zumindest in einer Zwickmühle: Sollen sie sich für progressive urbane Milieus öffnen? Oder lieber ihr konservatives Profil schärfen? Während Angela Merkel für das eine Modell steht, repräsentieren Politiker wie Donald Trump oder Sebastian Kurz das andere. Sie sind Vertreter eines radikalisierten Konservatismus. Natascha Strobl analysiert ihre rhetorischen und politischen Strategien. Sie zeigt, wie sie Ressentiments bedienen, um ihre Anhängerschaft…mehr

Produktbeschreibung
Von der Krise der Sozialdemokratie ist allerorten die Rede. Doch auch viele traditionsreiche Mitte-rechts-Parteien befinden sich im Niedergang oder zumindest in einer Zwickmühle: Sollen sie sich für progressive urbane Milieus öffnen? Oder lieber ihr konservatives Profil schärfen? Während Angela Merkel für das eine Modell steht, repräsentieren Politiker wie Donald Trump oder Sebastian Kurz das andere. Sie sind Vertreter eines radikalisierten Konservatismus.
Natascha Strobl analysiert ihre rhetorischen und politischen Strategien. Sie zeigt, wie sie Ressentiments bedienen, um ihre Anhängerschaft zu mobilisieren, oder eigene Narrative erschaffen, um »Message Control« auszuüben und Kritik als Fake News abzutun. Statt inhaltlicher Auseinandersetzung suchen sie die Konfrontation. In ihren eigenen Parteien reduzieren sie die Demokratie, setzen auf kleine Beraterzirkel und Personalisierung. Dabei greifen sie, so Strobl, immer wieder auch auf die Methoden rechtsradikaler Bewegungen und Organisationen zurück.
Autorenporträt
Natascha Strobl, geboren 1985 in Wien, ist Politikwissenschaftlerin und Publizistin. Sie schreibt unter anderem für den Standard, Zeit online und die taz. Auf Twitter veröffentlicht sie unter #NatsAnalyse Einschätzungen zu rechter Sprache und rechten Strategien. Zuletzt erschien von ihr (mit Julian Bruns und Kathrin Glösel) Rechte Konterrevolution. Wer und was ist die Neue Rechte von heute? (2015).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Hilmar Klute hält das Buch der Rechtsextremismus-Forscherin Natascha Strobl für unredlich. Weil die Autorin das Bild eines radikalisierten Konservatismus hier (mit Kurz und Trump als ihren Vertretern) und einer guten linksliberalen Gegenseite mit breitem Pinsel in Schwarzweiß malt, kommt Klute nicht auf seine Kosten. Übertreibung, fragwürdige analytische Koordinaten und vorgestrige Definitionen und Analogien (etwa zu Weimar) prägen laut Klute Strobls Essay. Katholisch-bürgerliche Konservative und Humanisten wie Christoph Probst und die Scholls kommen darin nicht vor, meint er. Eine objektive sozialpolitische Analyse ist so nicht möglich, findet der Rezensent. Schon das Literaturverzeichnis mit 18 Seiten zu Online-Quellen und knapp 5 zu analogen macht Klute stutzig.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.11.2021

Radikaler Bedeutungsverlust
Die Politologin Natascha Strobl scheitert an einer linken Kritik des zeitgenössischen Konservativismus. Das ist kein Zufall
Der Konservatismus ist gerade so etwas wie ein alter Schäferhund, den der Tierarzt nach Hause geschickt hat, damit er friedlich neben den Paradekissen des Gutsherrchens einschlafen kann. Er ist derart auf den Hund gekommen, dass sogar Robert Habeck kürzlich sagte, es wäre doch schade, wenn dieses Land keine solide konservative Partei mehr hätte. Nur jemanden, der sicher dabei ist zu verschwinden, wünschen sich selbst seine Gegner zurück. Trotzdem oder vielleicht darum gibt es diesen Herbst das schmale Suhrkamp-Bändchen „Radikaler Konservatismus“.
Die österreichische Rechtsextremismus-Forscherin und Publizistin Natascha Strobl führt darin das Modell militant konservativer Einflussnahme und Machtsicherung am Beispiel des nun schon mehrmals ehemaligen österreichischen Kanzlers Sebastian Kurz und seines radikalen Kombattanten Donald Trump vor. Beide Politiker sind letztlich wegen Machtüberblähungen aus dem Amt geflogen, dürfen aber noch als Beispiele herhalten für das Bestreben, „eine grundsätzlich andere Version der Realität zu erschaffen und möglichst viele Menschen dorthin mitzunehmen“.
Das ist die ganz große Oper, sie hat in der Regie von Natascha Strobl folgende Handlungsskizze: Während der klassische Konservatismus die Gesellschaft mit der in ihr gültigen Ordnung bewahren wolle, was schon schlimm genug wäre, sorge der radikale Konservatismus für Chaos und Unordnung, während – jetzt kommen die Guten ins Spiel – „die links-liberalen Kräfte weiterhin auf Vermittlung und Ausgleich setzen“. Kurz, Trump, auch Boris Johnson etwa werden als Impresarios der Finsternis vorgestellt, quasi erfunden nur dazu, linke und liberale Kräfte „in einen Zustand der permanenten Aufregung zu versetzen“. Nun ja. Braucht es, um Linke und Liberale heute in Aufregung zu versetzen, wirklich einen Operettenkanzler wie Kurz, oder den englischen Prime Minister der leeren Lebensmittelregale?
Wenn man an Radikalisierung denkt, fallen einem gerade ja noch andere Ideologien ein als der vor Erschöpfung japsende Konservatismus. Und es fällt einem die britische Feministin und Sprachwissenschaftlerin Kathleen Stock ein, die monatelang von Genderaktivisten bedroht wurde, weil sie der Ansicht war, dass man das biologische Geschlecht nicht einfach abschaffen kann, nur weil man halt gerade sowieso in Abschafflaune ist. Stock hat ihren Lehrstuhl an der Universität von Sussex aufgegeben, weil offenbar ihre körperliche Unversehrtheit nicht mehr garantiert war.
Besonders bei Natascha Strobls Überlegungen zu Sebastian Kurz reibt man sich die Augen: „Der Führungsperson kommt dabei ein beinahe religiöser Status zu.“ Kurz inszeniere sich als über den Dingen schwebender Erlöser, schreibt Strobl, und spätestens jetzt versteht man, woraus die Autorin den Anspruch auf Brisanz und Dringlichkeit bezieht. Aus dem Prinzip der Übertreibung und einer behaupteten Hypertrophie der wirklichen Machtorgane. Als habe der Kanzler des kleinen Österreichs den Daumen auf der ganz großen ideologischen Zementmischmaschine, aus der am Ende der Beton für ein radikalkonservatives Staatsgebäude werden soll.
Wie glitschig ihre analytischen Koordinaten sein können, zeigt Strobl mit einem Vergleich: Die FPÖ sei notorisch auf der Palme wegen des vermeintlichen Verbots, das Nikolausfest feiern zu dürfen, weil man Andersgläubige damit vergrätzen würde. Der rechtsradikale Terrorist Anders Breivik, der 2011 90 Menschen auf Utøya getötet hat, habe genau dieses Argument in seinem Bekenntnis-Manuskript als Argument für die Islamisierung Europas geschrieben. Bei dieser Analogie beginnt man zu ahnen, dass Natascha Strobl mit gezinkten Karten spielt. Sie tut dies auf der gedachten Falzlinie zwischen Faschismus und Konservatismus. Irgendwie möchte sie den Beweis führen, dass beide eng miteinander verschwistert sind, aber sie traut sich nicht so richtig. Deshalb schreibt sie von einem Mischspektrum zwischen Faschismus und Konservatismus, damit kommt man immer durch, ohne sich festlegen zu müssen. Konservatismus, sagt Natascha Strobl, sei eine „antiegalitäre, antirevolutionäre, klassenharmonisierende Haltung, deren höchste Werte Ordnung und Eigentum sind“. Konservatismus wäre demnach nichts weiter als das Gegenteil von Sozialismus. Also nichts allzu Spektakuläres. Welche Klassen sollte der Konservatismus von heute eigentlich harmonisieren wollen? Und mit welchen Mitteln? Die Klasse der SUV-Fahrer von Pankow mit der Klasse der letzten Eigenheim-Käufer im Tempelhofer Fliegerviertel, wo ein Reihenhaus im Handtuchformat inzwischen zwei Millionen Euro kostet? Und diese beiden wiederum mit der Klasse der Ungeimpften? Die Definitionen, die Natascha Strobl anbietet, sind genauso von gestern wie ihre Analogien zur Weimarer Republik. Den von Armin Mohler eingeführten Begriff der „Konservativen Revolution“ lässt Strobl gewissermaßen als historische Spalttablette ins Wasserglas plumpsen. Als habe diese Bewegung, von deren Aktivisten zum Beispiel 1922 der damalige Außenminister Walther Rathenau ermordet wurde, ihre Arme bis in die Gegenwart gestreckt. Aber selbst in Österreich hat es unter Superkanzler Kurz keine Straßenschlachten zwischen identitären und linksliberalen Kräften gegeben.
Wenn schon die Vergangenheit aufgerufen wird: Warum ist in Strobls Essay nicht vom konservativen Widerstand in Nazi-Deutschland die Rede? Weshalb findet der Kreisauer Kreis keine Erwähnung? Und waren Hans und Sophie Scholl, Christoph Probst und Kurt Huber linksliberale Widerstandskämpfer? Nein, sie waren Humanisten aus dem katholisch-bürgerlichen Milieu, also Konservative im besten Sinne.
„Widerspruch ist unerwünscht und hat keinen Platz“, schreibt Natascha Strobl ins Stammbuch der Konservativen. Das mag ja richtig sein. Aber wäre es denn denkbar, dass ein Aktivist, der Greta Thunberg oder Luisa Neubauer widerspräche, innerhalb der Klimabewegung eine stabile Zukunft hätte? Strobls Erkundungen bilden ein schönes Beispiel dafür, wie man aus seiner eigenen ideologischen Blase heraus beim Versuch einer objektiven sozialpolitischen Analyse scheitern muss. Radikale Bewegungen und Denkfiguren, rechte wie linke, haben immer auch autoritäre Lotsen. Konservatismus sei nicht nur eine Abwehrbewegung, sondern er verfüge auch über ein eigenständiges ideologisches Inventar, schreibt Natascha Strobl, so als gelte das für den Liberalismus und den Sozialismus nicht ebenso wie auch für die Klimaschutzbewegung, den Genderaktivismus oder die religiöse Aufladung, mit der Netzaktivisten zur Freude der Tech-Konzerne für ein „freies Internet“ demonstrieren.
Den langen, stabilen und mindestens sonderbaren Amtsjahren von Angela Merkel wollte Natascha Strobl in ihrer Indizienkette offenbar keinen Platz einräumen. Nur im Klappentext kommt die Kanzlerin vor. Dabei ist die Merkel-Ära doch ein epochales Beispiel für einen Konservatismus ohne jede Verpanzerung. Das staatliche Elterngeld, gleichberechtigte Partnerschaften, die mit der Ehe für Gleichgeschlechtliche legitimiert werden kann, der Ausstieg aus der Wehrpflicht, der Ausstieg aus der Kernenergie, alles urlinke oder eben linksgrüne Themen aus den Tagen der Bundesrepublik Modell „Hofgarten Bonn“, sind inzwischen hoch ironischerweise unter der signalgebenden Mitwirkung konservativer Politiker umgesetzt worden.
Wenn hierin ein radikaler Zug gelegen haben soll, dann war es der Weg zur Angleichung ans linksliberale Milieu und dessen Interessen. Übrigens waren die radikalen Kräfte des Konservatismus auch in den Jahrzehnten davor in Deutschland eher als Kleingruppen unterwegs. Als der große Konservative Richard von Weizsäcker 1985 im Bundestag die Selbstverständlichkeit aussprach, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, tönten bloß ein paar öde Stahlhelm-Fraktionisten um Alfred Dregger dagegen. Schnell wurden sie zu Recht als Ewiggestrige in die Schranken gewiesen. Und wecken heutzutage nicht gerade Figuren wie Kurz, Johnson oder Orbán bei Konservativen das Bedürfnis, Knoblauch und Kruzifixe über jede Türschwelle zu hängen, durch die einer von den dreien mal laufen könnte? Die Höllenwandmalerei, die Strobl anfertigt, sieht realitätsfern aus, wenn man sich anschaut, wie radikal der Konservatismus gerade gegen seinen Bedeutungsverlust kämpft.
Sieht man Natascha Strobls Literaturverzeichnis an, fällt auf, dass die Auflistung der Online-Quellen mehr als 18 Seiten umfasst, die der analogen wissenschaftlichen Literatur nur viereinhalb. Es fehlen Standardwerke wie Axel Schildts Studie über den Konservatismus und die Arbeiten des griechischen Philosophen Panajotis Kondylis, der darlegt, dass der Konservativismus als Terminus nach dem Untergang des europäischen Adels eigentlich gar nicht mehr so recht taugt. Kein Wort fällt auch über den liberalen Konservatismus Friedrich Julius Stahls, Karl Mannheims Studien kommen nicht vor.
In einer redlichen Arbeit sollten Gegenthesen aber nicht einfach unter den Tisch fallen. Es sei denn, man baut seine Darlegungen um einen einzigen Aussichtsturm herum, von dem aus man ironiefrei, aber von Sendungsbewusstsein beseelt in die Zukunft schaut. Dort nämlich, damit endet Strobls Denkschrift, müsste eine linke, postkapitalistische Welt sichtbar gemacht werden. Denn: „Die große Stärke der politischen Linken besteht darin, dass es ein ausdifferenziertes und schillerndes Mosaik aus unterschiedlichen Anliegen, Bewegungen und Expertisen gibt.“ Das ist bestimmt nicht falsch, und es gibt viele Beispiele für linke Theorien, die auch den eigenen Standpunkt befragen. Natascha Strobls Aufsatz zählt nicht dazu.
HILMAR KLUTE
Die Ära Merkel ist das epochale
Beispiel für einen Konservatismus
ohne jede Verpanzerung
Impresarios der Finsternis? Ex-US-Präsident Donald Trump und der ehemalige österreichische Kanzler Sebastian Kurz 2019 in Washington.
Foto: Ting Shen/Imago
Natascha Strobl:
Radikalisierter
Konservatismus:
Eine Analyse.
Suhrkamp, Berlin 2021. 192 Seiten, 16 Euro.
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»Tatsächlich liest sich Strobls Analyse über weite Strecken wie politische Gegenwart zwischen Buchdeckeln ...« Rafaela Roth NZZ am Sonntag 20211128