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Roland Barthes' »Mythen des Alltags« sind längst selbst zum Mythos geworden. In seinen provokativ-spielerischen Gesellschaftsstudien entschlüsselt er Phänomene wie das Glücksversprechen der Waschmittelwerbung, das Sehnsuchtspotential von Pommes frites und die göttlichen Qualitäten des Citroën DS. Seine radikale Hinterfragung des Alltäglichen ist bis heute von bestechender Aktualität. Die Essays ermuntern dazu, dem scheinbar Selbstverständlichen kritisch gegenüberzutreten und den Blick für mögliche Veränderungen zu schärfen. Die erste vollständige Übersetzung enthält 34 zusätzliche Essays und…mehr

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Produktbeschreibung
Roland Barthes' »Mythen des Alltags« sind längst selbst zum Mythos geworden. In seinen provokativ-spielerischen Gesellschaftsstudien entschlüsselt er Phänomene wie das Glücksversprechen der Waschmittelwerbung, das Sehnsuchtspotential von Pommes frites und die göttlichen Qualitäten des Citroën DS. Seine radikale Hinterfragung des Alltäglichen ist bis heute von bestechender Aktualität. Die Essays ermuntern dazu, dem scheinbar Selbstverständlichen kritisch gegenüberzutreten und den Blick für mögliche Veränderungen zu schärfen. Die erste vollständige Übersetzung enthält 34 zusätzliche Essays und macht diesen Kultklassiker deutschsprachigen Lesern erstmals in seiner ganzen Bandbreite zugänglich. »Mythen des Alltags« bietet ein Instrumentarium zur Deutung unserer Alltagskultur und begründete Roland Barthes' Ruf als brillanter Interpret der Welt der Zeichen.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D, I ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Roland Barthes wurde am 12. November 1915 in Cherbourg geboren und starb am 26. März 1980 in Paris an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Er studierte klassische Literatur an der Sorbonne und war danach als Lehrer, Bibliothekar und Lektor in Ungarn, Rumänien und Ägypten tätig. Ab 1960 unterrichtete er an der École Pratique des Hautes Études in Paris. 1976 wurde er auf Vorschlag Michel Foucaults ans Collège de France auf den eigens geschaffenen Lehrstuhl »für literarische Zeichensysteme« berufen. In Essais critiques beschäftigt sich Barthes mit dem avantgardistischen Theater. Prägend für ihn waren unter anderem Brecht, Gide, Marx, de Saussure sowie Jacques Lacan. Zudem war Barthes ein musikbegeisterter Mensch, vor allem als Pianist und Komponist.

Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.12.2010

Echtheit statt Plastik
Roland Barthes’ „Mythen des Alltags“, erstmals komplett
auf Deutsch, treffen heute auf eine veränderte Weltsicht
Es gehört zu den merkwürdigen Details der deutschen Rezeption von Roland Barthes, dass eines seiner populärsten Bücher bislang nur in bruchstückhafter Übersetzung verfügbar gewesen ist. Die „Mythologies“ von 1957 begründeten Barthes’ Popularität als Semiologe der Alltagskultur. In der deutschen Fassung, dem Edition-Suhrkamp-Band von 1964, waren nur 19 der 53 Einzeltexte sowie die komplett übersetzte theoretische Nachschrift enthalten. Eine „Notiz“ am Ende des Buches besagte, dass jene Analysen fehlen, „deren Thematik und Bedeutung einem mit den Verhältnissen in Frankreich wenig vertrauten Leser nur unzureichend sich erschlossen hätten“. Nun wird die ganze Absurdität dieses Hinweises deutlich, die Willkür der früheren Auswahl: Denn unter den weggelassenen Texten gibt es großartige, geographisch völlig neutrale Beiträge wie „Der Schriftsteller in Ferien“, „Seifenpulver und Detergenzien“, „Ornamentale Küche“ oder „Marsmenschen“. Mit Waschmittel und Außerirdischen wären auch deutsche Leser vertraut gewesen.
Fast sechzig Jahre nach dem Entstehen der ersten Essays geht von Barthes’ Interpretationen immer noch große Überzeugungskraft aus, und unwillkürlich möchte man ihm folgen, sucht beim Lesen nach aktuellen Entsprechungen, nach den „Mythen“ der Gegenwart. Kehrt nicht die Rede über Einsteins Gehirn, als „Essenz des Denkens“, heute in der öffentlichen Wahrnehmung Stephen Hawkings wieder, dem „reinen Geist“ in einem schrumpfenden Körper? Ließen sich Barthes’ Ausführungen zu den unsicheren Anfängerinnen im Striptease, die allein noch ein erotisches Versprechen erzeugen, nicht mit der Amateurpornographie im Internet vergleichen, die der gepanzerten Nacktheit professioneller Darsteller ermangelt? Und was ist mit den Fernsehköchen? Haben sie nicht jene Visualisierung des Geschmacks optimiert, die Barthes schon an den aufwendigen Glasuren und Krusten der Essensfotos in Frauenzeitschriften beschrieben hat?
Der Impuls des Weiterdenkens, der Verdoppelung des Gesagten ist jederzeit präsent. Und doch stellt sich im Verlauf der Lektüre auch ein anderer, distanzierender Effekt ein: Die Texte tragen inzwischen eine deutliche historische Markierung; sie beschreiben Prozesse der Sinnbildung, zielen auf ein gesellschaftliches Gefüge, das sich innerhalb eines halben Jahrhunderts fundamental verändert hat. Barthes’ wiederkehrende Formulierung von den „Kleinbürgern“ etwa, von der „bürgerlichen Norm“, die der „Hauptfeind“ der Analysen sei: Im Insistieren auf dem „gesunden Menschenverstand“, bei der Beurteilung von Kunstwerken oder politischen Ereignissen, erkennt er einen Hauptproduzenten der mythologischen Redeweise. Die Dinge verstehen sich im System „kleinbürgerlicher“ Weltwahrnehmung von selbst, sollen mit dem bloßen Gemüt erfassbar sein, und jedes Denken von Geschichtlichkeit zieht sofort den Verdacht des übermäßig „Intellektuellen“ auf sich.
Diese Stoßrichtung der Texte wirkt inzwischen fremd und von einem überkommenen Machtbegriff gestützt. Barthes’ Genre ist Ideologiekritik: Ihr liegt ein bestimmtes Verständnis von Macht zugrunde, als einer abgegrenzten, benennbaren Sphäre, die ein Drinnen von einem Draußen scheidet, die Eingeweihten von den Ahnungslosen. Die Tautologien der „Kleinbürger“, ihre unbewusste Feier des Selbstverständlichen zementieren diese Machtverhältnisse. Ein paar Jahre nach dem Erscheinen des Buches beginnt Michel Foucault damit, die Lokalisierbarkeit von Macht in Frage zu stellen, die allzu statischen Grundlagen der marxistischen Klassenlehre deutlich zu machen. Der souveräne Standort der Ideologiekritik gerät ins Wanken – Barthes wird nie mehr so unbefangen vom „Kleinbürger“ sprechen wie in diesem Buch.
Und auch die Gegenstände, die in den Texten beschrieben werden, die Produktion ihrer Bedeutung, sind nicht mehr ohne weiteres auf die heutigen Verhältnisse zu übertragen. Der Prozess der Mythologisierung ist laut Barthes ein Verschleiern der Entstehungsspuren, ein Naturalisieren des kulturell Hergestellten, das er an den unterschiedlichsten Alltagsprodukten oder Kunsterzeugnissen erkennt, am Erscheinungsbild des Plastiks wie an den Fotos von Schauspielergesichtern, an der Gestalt von Ufos wie an den Gedichten literarischer Wunderkinder. Einer der bekanntesten Texte der Sammlung, über den Citroën DS, macht diesen Vorgang besonders anschaulich: Die glatte, fugenlose Karosserie der „Déesse“, der Göttin unter den Autos, wirkt, als sei sie vom Himmel gefallen; keinerlei Hinweis mehr auf die Schweißnähte der industriellen Fertigung.
Gelten diese Verfahren der Mystifizierung noch immer? Ist die Umwandlung von Geschichte in Natur weiterhin eine geeignete Strategie, um ein Weltbild zu etablieren? Vor zehn, fünfzehn Jahren hat eher die entgegengesetzte Bewegung eingesetzt: alles, sogar das Anonyme und Ahistorische, wird nun mit einer Geschichte ausgestattet. Fast-Food-Restaurants, die ehemaligen Imperien des Plastiks schlechthin, richten ihre Lokale wie traditionelle Kaffeehäuser ein und publizieren Zeitungsanzeigen, in denen die exakte Quelle der benutzten Lebensmittel angegeben wird. Discountbäcker integrieren einsehbare Backstuben in die Geschäftsräume, auch wenn die mehlbestäubten Arbeiter darin vermutlich nichts als Dekoration sind. Und weltweit operierende Espresso-Ketten verfolgen die Herkunft ihres Kaffees bis zur letzten äthiopischen Plantage. Ein heutiger Roland Barthes müsste gerade diese Mythen des Offenlegens und Hinter-die-Kulissen-Blickens betrachten, die Welt des Naturtrüben und Hausgemachten, die Folklore der Differenz. Was der „gesunde Menschenverstand“ der fünfziger Jahre mit all seiner Nivellierungskraft gewesen ist, wird heute vom selbstgewissen Diktum der „Authentizität“ und „Nachhaltigkeit“ übernommen. Geschichtssimulation statt Geschichtsverleugnung.
Eines jedenfalls hat Barthes mit seinem Buch für immer vorgegeben: dass ein Mythos nicht inhaltlich oder chronologisch zu definieren ist, sondern allein sprachlich, durch den Bezug auf eine bereits gegebene Bedeutung. Der Mythos ist ein „sekundäres semiologisches System“, sagt er in seiner umfangreichen Nachschrift, die in der ersten deutschen Ausgabe die Hälfte des gesamten Bandes ausmacht (man wollte den Strukturalisten Barthes, nicht den Schriftsteller) und in der Neuedition immer noch ein Fünftel. Der theoretische Aufwand dieses Nachworts, das die Einzeltexte ja eigentlich überschreibt, löst heute fast Erstaunen aus, wenn man sich Barthes’ weiteren Weg als Autor vergegenwärtigt.
Spätestens nach dem Balzac-Buch „S/Z“ hat er sein Unbehagen an jedem Hierarchieverhältnis von Texten bekräftigt – das „Modell“ etwa, das die Mikroanalysen zum „Beispiel“ degradiert; diesem Unbehagen entsprach ein zunehmendes Misstrauen gegenüber dem Strukturalismus, dem Fetisch der Struktur, den die singuläre Formulierung, der gelungene Satz nur als Variante eines zugrundeliegenden Musters interessiert. In seinem letzten Lebensjahrzehnt näherten sich die Bücher Roland Barthes’ immer mehr der erzählenden Literatur an. Die „Mythen des Alltags“ versuchen noch, die beiden Seiten seines Schreibens zu verbinden, wie er einmal sagt, die „Objektivität des Gelehrten“ und die „Subjektivität des Schriftstellers“. Endlich ist die vollständige Fassung dieses Buches auch in deutscher Sprache zugänglich. ANDREAS BERNARD
ROLAND BARTHES: Mythen des Alltags. Aus dem Französischen von Horst Brühmann. Suhrkamp Verlag, Berlin 2010. 330 Seiten, 28 Euro.
Von den Frauenzeitschriften zu den
Fernsehköchen, vom Striptease
zur Pornographie im Internet
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2010

Gemeinplätze muss man nur richtig zu dechiffrieren wissen
Ideologiekritik mit Flaubert: Die "Mythen des Alltags" von Roland Barthes liegen nun zum ersten Mal in einer vollständigen deutschen Fassung vor

Erstaunlich ist zunächst einmal, wie viel man damals dem deutschen Leser nicht hat zumuten mögen, oder, was auf das Gleiche hinausläuft, wie wenig man ihm zugetraut hat. Damals, das war 1964, als Roland Barthes' "Mythen des Alltags" erstmals in deutscher Übersetzung erschienen, in einem hübschen schmalen Bändchen der noch jungen edition suhrkamp (Nr. 92!), das am Ende mit einer Notiz versehen war, in der es hieß, es handele sich um eine Auswahl aus dem Original: "Fortgelassen wurden in der deutschen Ausgabe einige kürzere Texte des ersten Teils, deren Thematik und Bedeutung einem mit den Verhältnissen in Frankreich wenig vertrauten Leser nur unzureichend sich erschlossen hätten." (Man beachte die Adornosche Positionierung des "sich".)

Wer sich später einmal das Original gekauft hat oder wer nun die gerade erschienene erste vollständige deutsche Übersetzung in der Hand hält, der weiß, dass dieser Satz schon an beinahe stalinistische Retuschierkunst grenzt. Fortgelassen wurden nämlich nicht einige kürzere Texte, sondern deren vierunddreißig von insgesamt dreiundfünfzig. Und über die Auswahlkriterien kann man sich im Nachhinein noch immer verwundern, denn unzureichend erschließt sich dem heutigen Leser, was zum Beispiel Barthes' glänzende Analyse der Chaplinschen Filmkunst, insbesondere des Films "Moderne Zeiten", mit spezifisch französischen Verhältnissen zu tun hat. Oder warum zwar damals der Artikel "Beefsteak und pommes frites" übersetzt wurde, nicht aber der Komplementärartikel über "Wein und Milch". Etwaige kulturelle Differenzen hätten sich schon damals durch entsprechende Anmerkungen des Übersetzers überwinden lassen können, wie sie für die jetzige Ausgabe der versierte Barthes-Übersetzer (und -Interpret) Horst Brühmann geliefert hat.

Genug der Schelte. Schließlich hat der Suhrkamp Verlag ja doch nachgeholt, wozu er sich vor sechsundvierzig Jahren nicht entschließen konnte. Und das schmale Bändchen hat in diesen Jahren bis heute sechundzwanzig Auflagen erlebt und mehrere Generationen Leser in die Barthessche Kunst des Zeichenlesens eingeführt. Ums Zeichenlesen, um Semiologie geht es ja. Was damals so faszinierend und neu war für einen jungen Leser und was offenbar an Faszination nicht verloren hat, das ist Barthes' Blick auf nicht nur alltägliche, sondern auch sogenannte natürliche Phänomene, die keine sind, sondern Barthes' Lieblingsgegner, dem französischen Kleinbürgertum, nur so erscheinen.

Denn bei der Lektüre der vorliegenden Übersetzung fällt auf, was bei der ersten vor mehr als vierzig Jahren vielleicht noch übersehen werden konnte. Barthes beschränkt sich keineswegs darauf, anhand von Phänomenen der Massenkultur seine Dechiffrierkunst vorzuführen, deren bekanntestes Beispiel wohl seine Analyse des Citroën DS von 1955 geworden ist, dessen Foto folgerichtig auch den Umschlag des jetzt vorliegenden Bandes ziert. Diese Dechiffrierkunst steht vielmehr immer im Dienste der Kritik, und gut links richtet sich diese Kritik durchgängig gegen die ideologische Verwandlung von Geschichte in Natur. Ottmar Ette hat diesen Ansatz in seiner brillanten intellektuellen Biographie von Barthes als "nicht marxistisch, wohl aber ,marxisierend'" bezeichnet und lapidar festgestellt: "Die Mythen des Kleinbürgertums sind umgeschlagen in den Mythos vom Kleinbürgertum." Daraus lässt sich dann ein brauchbarer Feind basteln, eher eine Schießbudenfigur, auf die sich trefflich zielen lässt.

Nun ist diese damalige Form der political correctness allerdings etwas, was den "Mythen des Alltags" erst im zweiten, theoretischen Teil aufgezwungen wurde. Diese gut sechzig Seiten unter dem Titel "Der Mythos heute", die auch zeitlich nach den eigentlichen kurzen Beiträgen für verschiedene französische Zeitschriften entstanden, haben gleichwohl das frühe Bild des Autors Roland Barthes lange Zeit geprägt. Liest man sie heute wieder, wird deutlich, dass sie den zum Teil nicht nur brillanten, sondern auch ausgesprochen witzigen Analysen - ein Paradebeispiel dafür ist die Dechiffrierung der französischen Reiseführerreihe "Guide bleu" - nachträglich ein theoretisches Korsett anlegen möchten, das ihre Einheit stiften soll. Dieser Versuch verunglückt umso mehr, als das theoretische Korsett am Ende nur noch ein ideologisches ist und in Plattheiten wie jener endet, dass der Mythos rechts ist und es einen linken Mythos nicht geben kann. Für die politische Geschichte der französischen Intellektuellen in den Jahrzehnten nach dem Krieg ist die Lektüre dieses Textes höchst aufschlussreich, ermüdend bleibt sie gleichwohl.

Es war eben noch nicht der Roland Barthes der Vorlesungen am Collège de France oder der Autor von "Das Reich der Zeichen" oder "Die helle Kammer", der diese sechzig Seiten schrieb, sondern ein Mann, dessen wissenschaftliche Laufbahn noch ganz am Anfang stand und der sich die Souveränität, die die Texte des ersten Teils weitgehend zeigen, eigentlich noch gar nicht leisten konnte. Liest man diesen ersten Teil heute noch einmal, stellt sich außer der Lust am Text literarisch ein bisher wenig beachteter Bezug her. Dass Flauberts "Bouvard und Pécuchet" zu Barthes' bevorzugten Lektüren gehörte, ist zwar hinreichend bekannt, und die beiden Kopisten sind ungenannt in einem Großteil der Texte immer präsent, zumal da, wo Barthes sich verschiedene Erscheinungsformen der Tautologie vornimmt. Darüber hinaus lässt sich der erste Teil der "Mythen des Alltags" aber auch als eine etwas weiter ausgearbeitete Variation des "Wörterbuchs der Gemeinplätze" lesen, und die Lektüre unter dieser Perspektive verschafft mindestens ebenso viel Vergnügen wie Flauberts lakonische Sammlung von Plattitüden.

Allerdings erinnert man sich dabei auch schmerzlich daran, dass Roland Barthes viel zu früh gestorben ist. Dauernd fragt man sich beim Lesen, wie er wohl die Phänomene der achtziger und neunziger Jahre dechiffriert hätte. Madonna? Paris Hilton? Das Tamagotchi? Das Internet? Wir haben seine Kunst des Zeichenlesens, die sich später mehr und mehr von jeglichem theoretischem Korsett gelöst hat, leider nur viel zu kurze Zeit verfolgen können,

JOCHEN SCHIMMANG

Roland Barthes: "Mythen des Alltags". Erste vollständige Ausgabe. Aus dem Französischen von Horst Brühmann. Suhrkamp Verlag, Berlin 2010. 325 S.,geb., 28,-[Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Jochen Schimmang begrüßt die zum ersten Mal in einer vollständigen deutschen Fassung vorliegenden "Mythen des Alltags" von Roland Barthes. Dass der Verlag dem Leser 34 der 53 Texte sechsundvierzig Jahre mit einer windigen Begründung vorenthalten hat, scheint ihm ein starkes Stück. Um so glücklicher ist er jetzt mit vorliegender Ausgabe, die mit kundigen Anmerkungen des Übersetzers Horst Brühmann aufwartet. Barthes' hohe Kunst der Dechiffrierung von Phänomenen der Massenkultur hat für ihn nichts von ihrer Faszination verloren. Die vollständige Ausgabe verdeutlicht für ihn insbesondere, was in der gekürzten leicht übersehen werden konnte: dass dieses Dechiffrieren im Dienste der Kritik stand - der Kritik an der kleinbürgerlichen "ideologischen Verwandlung von Geschichte in Natur". Vom theoretischen Text "Der Mythos heute" abgesehen, der nach Ansicht von Schimmang mühsam versucht, die einzelnen Dechiffrierungen in ein gemeinsames Korsett zu stecken, zeugen die Texte von einer "Lust am Text". Zudem wird seines Erachtens ein Bezug zu Flaubert und dessen "Wörterbuch der Allgemeinplätze" sichtbar.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Für weniger als den Preis einer Schachtel Veronal erhält man Auskunft über Billy Graham. "The Family of Man", Einsteins Gehirn, Beefsteak und Pommes Frites, das Gesicht der Garbo, den neuen Citroen." Harun Faroqhi, Spandauer Volksblatt, 16. Mai 1965