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Gerade in letzter Zeit hat der »Hass«-Begriff eine Karriere an öffentlicher Bedeutung hinter sich gebracht. In der publizistischen und sozialhistorischen Kritik an der in Deutschland und Europa verbreiteten Reaktion auf die Flüchtlingskrise rückte er gemeinsam mit Begriffen wie »Identität« und »Rassismus« in die vorderste Linie des Diskurses.
Doch Karl Heinz Bohrers Studie in zwölf Kapiteln sucht im literarischen Hasseffekt etwas ganz anderes. Nicht um den Hass als die begleitende Emotion eines politisch-weltanschaulichen Programms geht es ihm, sondern einzig um den literarischen
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Produktbeschreibung
Gerade in letzter Zeit hat der »Hass«-Begriff eine Karriere an öffentlicher Bedeutung hinter sich gebracht. In der publizistischen und sozialhistorischen Kritik an der in Deutschland und Europa verbreiteten Reaktion auf die Flüchtlingskrise rückte er gemeinsam mit Begriffen wie »Identität« und »Rassismus« in die vorderste Linie des Diskurses.

Doch Karl Heinz Bohrers Studie in zwölf Kapiteln sucht im literarischen Hasseffekt etwas ganz anderes. Nicht um den Hass als die begleitende Emotion eines politisch-weltanschaulichen Programms geht es ihm, sondern einzig um den literarischen Ausdruckswert, um die Rolle des Hasses als eines Mediums exzessiv gesteigerter Poesie. Dabei zeigt sich eine privilegierte Rolle von Charakteren des Hasses und ihres Ausdrucksvermögens in der Literatur, an deren Vorbild sich die Expressivität literarischer Sprache selbst entwickelt.

Bohrers Studien führen vom Beginn der Neuzeit, von Shakespeare, Kyd und Marlowe, über Milton, Swift, Kleist, Baudelaire, Strindberg und Céline bis in die Gegenwart: zu Sartre, Bernhard, Handke, Jelinek sowie Brinkmann und Goetz. Und zu Houellebecq, in dem die bösartige Affirmation des Hassenswerten, eine Zeitgenossenschaft ohne Hoffnung, kulminiert.


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Autorenporträt
Karl Heinz Bohrer, geboren 1932 in Köln, war Literaturkritiker, Herausgeber, Wissenschaftler, Verfasser vieler Werke um die zentrale Idee des Momentanismus, der »Plötzlichkeit«. Langjährige Aufenthalte in Frankreich und England als bewusste Erfahrung der »Fremde«. Hochschullehrer in Deutschland, Frankreich und den USA. Als scharfzüngiger, auch polemischer Zeitkritiker stand er immer wieder im Zentrum heftiger Diskussionen. Bohrer verstarb am 4. August 2021 in London.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.09.2019

Eine formgebende Kraft, die den Menschen lenkt
Hass als Stilphänomen: Karl Heinz Bohrers "Mit Dolchen sprechen" nimmt sich der nicht nur literarischen Faszination für das stärkste Gefühl unserer Zeit an

"Hass" ist das Wort der Stunde. Selten war so viel die Rede vom "Hass in der Gesellschaft", von "Hassmails" und "Hasskommentaren"; "Hassprediger" werden identifiziert, und "Hass" wird als Erklärung für Gewaltakte angeführt. Natürlich sind alle gegen Hass. "Wider den Hass", so heißt das Buch von Carolin Emcke, das 2016 erschien, als die Autorin mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde; "Meinen Hass bekommt ihr nicht" lautet der Titel eines Buchs von Antoine Leiris, der 2015 seine Frau bei dem Anschlag auf das Pariser Bataclan verloren hatte. Alle scheinen zu wissen, was Hass ist.

Manche wollen es aber genauer wissen, und so hat sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema "Hass" in der letzten Zeit intensiviert. Auch die Literaturwissenschaft meldet sich zu Wort, wie ein bereits im Frühjahr erschienener Band unter dem Titel "Hass/Literatur", herausgegeben von Jürgen Brokoff und Robert Walter-Jochum, belegt.

Dass die Literatur eine starke Stimme hat, wenn es um Hass geht, ja, dass sie geradezu eine Expertin für Hass ist, zeigt in zum Teil fulminanten Lektüren nun der Komparatist Karl Heinz Bohrer, der bis 1987 in Bielefeld lehrte. Allerdings: Von den gegenwärtigen Hass-Debatten will er nichts wissen. Ihm geht es um "etwas ganz anderes". Die zwölf Kapitel seines Buchs spüren der literarischen Form des Hasses nach und lesen sie als Ausdruck intensiver Poesie. Nicht Ideologiekritik und Psychologie sind gefragt, lediglich die Übersetzung - Bohrer spricht von "Transszendierung" - des Affekts in sprachlichen Effekt. Hass ist bei Bohrer ein Stilphänomen. Dabei lässt der Autor im Wesentlichen die Texte selbst sprechen, deren Themen und Plots er ausführlich referiert. Mit Forschungsliteratur zum Thema "Hass" belastet er sich nicht. Bohrers eminente Belesenheit führt, nachdem die Antike mit der Ilias, der Lyrik des Archilochos und der griechischen Tragödie nur kurz gestreift wird, von der englischen Dramatik der Renaissance über Swift, Kleist, Baudelaire, Wagner, Strindberg bis ins 20. und 21. Jahrhundert zu Céline, Sartre, Bernhard, Handke, Jelinek, Goetz, Brinkmann und Houellebecq. Das ist ein weiter Bogen, der durch viele Querverweise stabilisiert wird.

Marlowes Dramen wie "Tamburlaine the Great" und "The Jew of Malta" und Thomas Kyds "The Spanish Tragedy" geben den Einsatz mit intensiven Hass-Reden, deren aggressive Bildlichkeit eine neue, bedingungslose Sprache des Hasses bei Shakespeare vorbereitet. In den Historiendramen "Henry VI." und "Richard III." ebenso wie in den Tragödien von "Macbeth" über "Hamlet" bis zu "Othello" und "Romeo und Julia" hat der Hass in monströsen Metaphern, einer exzessiven Rhetorik, im Rhythmus der Verse und semantischen Überraschungseffekten eindrucksvolle Auftritte. "Auf, schwarze Rach'! Aus deiner tiefen Hölle! / Gib, Liebe, deine Kron' und Herzensmacht / Tyrann'schem Haß! Dich sprenge deine Last, / O Busen, angefüllt mit Natterzungen!" übersetzt Tieck die Eifersuchtsrede Othellos, dem der Intrigant Jago trügerisch Desdemonas vermeintliche Untreue vor Augen gestellt hat.

"Imagination" ist denn auch das Kriterium für die Qualität der literarischen Hass-Rede. Bohrer unterscheidet zwischen imaginativem und politisch-diskursivem Hass. Ersterer entzündet die Phantasie, während Letzterer den Hass funktionalisiert und ihn deshalb seiner literarischen Intensität beraubt. Hier macht Bohrer die Gegenprobe bei Swift, der gleichfalls verbale Hass-Attacken reitet, diese aber dem Zweck satirischer Gesellschaftskritik unterstellt. Die aufklärerische Absicht überdeckt den literarischen Ausdruck. Erst am Ende von "Gullivers Reisen", nach der Rückkehr des Protagonisten aus dem Land der Houyhnhnms, verfällt der Protagonist einem abgrundtiefen Menschenhass, der wahnhaft seine ganze Existenz ergreift.

Ein bedingungslos Hassender ist auch Satan in Miltons "Paradise Lost". Bohrer zeichnet den Gegenspieler Gottes in einem Kapitel von eindringlicher Anschaulichkeit als tragisch Leidenden, dessen Aufstand gegen Gott, mit dem menschlichen Sündenfall verschränkt, von transzendentalem Hass getragen ist. Mit der sprachlich-rhetorischen Gewalt der satanischen Hass-Reden kann das Liebesangebot der göttlichen Gegenseite keinesfalls mithalten.

Auch in Kleists Dramen und Erzählungen stellt der Hass das treibende Motiv dar. "Michael Kohlhaas" handelt nicht aus verletztem Rechtsgefühl, das wäre für Bohrer eine Verkürzung, sondern aus "entzündeter Seele" - und weil der Text den Hass für seine narrative Dynamik braucht. Aus der fundamentalen Gegnerschaft zwischen Dichter und Welt öffnet Baudelaire das bilderstarke "Fass des Hasses", auf dessen Grund sich der Hass als unerschöpflicher "Säufer" "wie die lernäische Hydra" beständig erneuert. In Wagners "Ring des Nibelungen" ist es der Hass auf alles Reaktionäre, der in mythischer Wucht mit dem ebenfalls existenziellen Affekt der Liebe kollidiert, so dass beide ineinander umkippen.

Bei alldem wird Bohrer nicht müde zu betonen, dass es nicht um psychische Zustände, sondern um Energien geht. Woher aber kommen diese Energien? Je weiter die Lektüren in die Moderne und in die Gegenwart fortschreiten, desto deutlicher kommen die Autoren selbst als Welt- und Gesellschaftshasser in den Blick. Zugleich ist klar, dass der literarische Hass Sprache ist: Hass-Wort, Hass-Rede, Hass-Metapher, Hass-Formel, Hass-Dialog. Die zwischen Affekt und Effekt wirksamen formativen Prozesse werden in ausdrucksstarken Zitaten vorgeführt, die zeigen, dass sich der literaturwissenschaftlichen Analyse hier noch ein weites Betätigungsfeld bietet. Auch wenn der literarische Hass abgründig, bedingungslos und existentiell ist, so ist er doch sprachlich geformt. Und vermutlich ist es ebendie formgebende Kraft, die ihrerseits Energie, sprachliche Energie, erzeugt, im Drama auf andere Weise als im Gedicht und im Prosatext.

Schwieriger mit der Unterscheidung von imaginativem und diskursivem Hass wird es bei den aktuelleren Beispielen. Konnte Bohrer bei den Renaissancedramatikern noch allgemein auf die Gewaltexzesse der Rosenkriege verweisen, die für das heutige Lese- und Theaterpublikum freilich weit weg sind, erscheinen die politischen und sozialen Konfliktlagen und Zielscheiben des Hasses im 20. und 21. Jahrhundert präsenter - auch und gerade wenn sich die Hass-Autoren auf aggressive Weise von ihnen absetzen: Krieg, Kolonialismus, die Unwirtlichkeit der Städte, aber auch Antisemitismus und Rassismus bei Céline, Holocaust, Kapitalismus, gesellschaftlicher Stumpfsinn bei Bernhard, Jelinek oder Handke, bildungsbürgerliche Flachheit bei Houellebecq. Die ausführliche Rekapitulation der literarischen Handlungsgefüge gibt indes zu erkennen, dass die existentiellen Hass-Reden in Kontexte eingebunden sind, dass sie ihren Ort, der oft genug ein entschiedener Nicht-Ort ist, in politischen und gesellschaftlichen Spannungsfeldern haben.

Nein, der literarische Hass-Effekt geht nicht in diskursiven und politischen Problemstellungen auf und auch nicht in psychologischer Figurenzeichnung. Auch wenn es alle Zustimmung verdient, der grassierenden Hass-Rede in der Gesellschaft die Stimme der Literatur gegenüberzustellen, so ist doch auch der literarische Hass nicht kontextfrei. Auch ein Buch wie "Mit Dolchen sprechen" ist nicht unabhängig von aktuellen gesellschaftlichen Hass-Diskursen zu sehen, auch und gerade wenn es in der entschiedenen Abwendung eine Gegenposition darstellt. Literarischer Eigenwert und Zeitbezug brauchen nicht gegeneinander ausgespielt zu werden. Beide sind wesentliche Dimensionen der Literatur. Wie sehr Literatur in gesellschaftliche Affektbeziehungen eingebunden ist, hat die öffentliche Erregung deutlich werden lassen, die etwa Bernhards "Heldenplatz", aber auch Texte von Jelinek, Handke oder Houellebecq ausgelöst haben.

Wo das Wort "Hass" fällt, ist für Bohrer auch Hass am Werk, unabhängig von historischer Semantik und dem Wissen um den geschichtlichen Wandel von Gefühlskulturen. Die präsentierten Texte benennen auch andere Affekte wie Neid, Wut, Zorn, Rache, Ekel, Wahn, aber auch Liebe in ihrem Zusammenspiel mit Hass. Da kann man fragen: Geht es um res oder um verba, um Hass als Phänomen oder um den Ausdruck, Affekt oder Effekt? Die literarischen Beispiele führen nicht nur vor, dass aus dem Affekt Sprache wird, sondern auch wie Sprache den Affekt erzeugt und modelliert. Dabei ist weder die Sache klar noch das Wort eindeutig. "Hass", so wird man sagen müssen, entsteht im Zusammenspiel einer doppelten Dynamik von Gefühl und Rede. Dass sich der Hass von Baudelaire bis Houellebecq auch gegen das mit ihm wortverwandte Hässliche richtet, verweist auf ein überraschendes Moment sprachlicher Selbstbezüglichkeit.

Der literarische Blick auf das Thema "Hass" zeigt zumindest zweierlei: Der Hass bezieht sein Aggressionspotential nicht zuletzt daraus, dass er sich immer auch gegen seine eigene brüchige Basis richtet. Und: Hass operiert im Medium der Sprache. Seinen grandiosen literarischen Effekt gewinnt er aus dem Angriff auf sprachliche Grenzen und deren bildmächtiger Überschreitung. Während jedoch der literarische Hass in der Sprache verbleibt und dort seine intensive poetische Kraft entfaltet, droht der sprachlich so ungleich ärmere gesellschaftliche Hass in tätliche Gewalt zu kippen. "Hetzen" gehört auch zur Wortfamilie von "Hass".

MARTINA WAGNER-EGELHAAF

Karl Heinz Bohrer:

"Mit Dolchen sprechen". Der literarische Hass-Effekt.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 493 S., geb., 28,- [Euro].

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»Wer glaubt, der große Essayist und Literaturtheoretiker Karl Heinz Bohrer liefere aus gegebenem Anlass nun seinen Beitrag zu den anhaltenden Debatten über die Verrohung der Gegenwartskultur, wird, wenn er Mit Dolchen sprechen aufschlägt, enttäuscht sein. ... Ihm geht es um den Hass in der Literatur. ... In der Darstellung des Extremen ... erlangt die Sprache oft eine extreme Intensität. Das demonstriert Bohrer nun an literarischen Hassreden vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart.« Manfred Koch NZZ am Sonntag 20200223