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Wille der Vorsehung: Eine Studie über Hitlers Theologie
Rainer Bucher, der Leiter des Instituts für Pastoraltheologie und Pastoralpsychologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz, hat ein anregungsreiches und wichtiges Buch über Hitlers Theologie geschrieben. Allerdings versteht der Autor darunter kein systematisches Lehrgebäude, sondern die „Rede von Gott mit individueller Relevanzoption, mit persönlichem Konsequenzpotential”. Die Quintessenz seiner Analyse lässt sich schnell zusammenfassen: Hitler, der bis zu seinem Tod katholische Kirchensteuer bezahlte, glaubte demnach an einen allmächtigen Schöpfergott und Weltenlenker. Gott habe das deutsche Volk zur Herrschaft bestimmt, doch hätten ihm feindliche Mächte den angestammten Platz geraubt. Er, Hitler, sei von der göttlichen Vorsehung zum Führer der Deutschen bestimmt und habe dieses Ziel nach langem Kampf 1933 erreicht. Er habe sich vorgenommen, das deutsche Volk von fremdem Blut zu reinigen und ihm den ihm zustehenden Lebensraum zu erkämpfen. Der Zweite Weltkrieg und der Holocaust seien, so Bucher, hier bereits vorgezeichnet.
Bucher ergänzt, dass Hitler die christlichen Kirchen nicht eigentlich bekämpft habe, solange sie sich nicht gegen den Nationalsozialismus stellten. Er sei der Meinung gewesen, das Christentum, aber auch der heidnische Germanenkult seien Mythen, die die Wissenschaft längst widerlegt habe, doch den einfachen Menschen könne und solle man ihren Aberglauben ruhig belassen. Wenn er sein Ziel der Schaffung einer rassereinen deutschen Volksgemeinschaft als Herrscherin über die Völker erreicht habe, werde das Christentum ohnehin obsolet werden.
Ob man dieses krude Gedankengemisch wirklich als Theologie bezeichnen kann, bleibe dahingestellt. Man erkennt darin unschwer Elemente der christlich-jüdischen Tradition wie Heilserwartung, Messianismus und Opfer, doch Hitlers Gottesbild bleibt wolkig und dient allein seiner Selbstbestätigung. Zentral ist Buchers Beobachtung, dass Hitler die in der Weimarer Republik weitgehend verwirklichte demokratische Zivilgesellschaft nicht dadurch zurücknimmt, dass er das feudale Gottesgnadentum durch seine ständige Berufung auf die göttliche Vorsehung restituiert, sondern dass er seine Macht noch zusätzlich durch den Führungsanspruch des deutschen Volkes und einen vermeintlich wissenschaftlich erhärteten Sozialdarwinismus legitimiert.
Hitler führt Gott zwar häufig im Mund, aber er kommuniziert nicht mit ihm. Man weiß nichts von einem betenden, bittenden, dankenden oder hadernden Hitler, und man kann ihn sich auch nur schwer vorstellen. Ein sich un-theistisch oder a-theistisch gebärdender Hitler hätte vermutlich nicht die Macht errungen, und so darf man bei seinen regelmäßig zu konstatierenden Gottesbeschwörungen ein hohes Maß an taktischem Kalkül unterstellen. Das vierte Flugblatt der „Weißen Rose” hat dies 1942 von christlicher Warte aus klar und deutlich benannt: „Jedes Wort, das aus Hitlers Munde kommt, ist Lüge. Wenn er Frieden sagt, meint er Krieg, und wenn er in frevelhaftester Weise den Namen des Allmächtigen nennt, meint er die Macht des Bösen, den gefallenen Engel, den Satan. Sein Mund ist der stinkende Rachen der Hölle, und seine Macht ist im Grunde verworfen.” FRANK-RUTGER HAUSMANN
RAINER BUCHER: Hitlers Theologie. Echter Verlag, Würzburg 2008, 228 Seiten, 16,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
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