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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Valerie Schönian erkundet den katholischen Sektor
Rainer Brüderle ist schuld. Im Fahrwasser seiner Dirndlaffäre gerät die junge Berliner Journalistin und Bloggerin Valerie Schönian in die MeToo-Debatte und damit in den Feminismus. 1990 geboren, wächst sie Sachsen-Anhalt auf, wird konfirmiert, lebt dann aber ohne weiteren Gottes- oder Kirchenbezug. Erik Flügge, der als Buchautor mitteilte, "wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt", bringt sie dem Vernehmen nach auf die Idee, einen katholischen Priester zu begleiten, um Antworten auf die Frage zu bekommen, wie das heute überhaupt gehen könne - dass einer Priester wird und bleibt. Die Deutsche Bischofskonferenz unterstützt das einjährige Blog-Experiment "Valerie und der Priester".
Nun ist daraus ein Buch geworden, und um die Frage, ob es zwischen beiden gefunkt hat, gleich zu beantworten: ja. In einem freundschaftlichen Sinn. Der tapfere Priester, der sich ein Jahr lang löchern lässt - Franziskus von Boeselager -, ist ein Enddreißiger, der in Münster-Roxel als Kaplan wirkt. Er stammt aus dem Adelsgeschlecht, das sich im deutschen Widerstand exponierte, ein Umstand, den die Autorin nicht erwähnt. Franziskus hat eine weltliche Laufbahn trotz Studiums und Freundin aufgegeben, als er seine Berufung erkannte.
Schönian will also "Katholisch lernen". Beim ersten Mal dankt sie beim Friedensgruß anstelle von "Der Friede sei mit dir" mit ihrem Namen. Journalistische Distanz zu halten, wird ihr schnell klar, ist kaum möglich. Es geht um Fragen, die dafür einfach zu existentiell sind. Alle zwei Wochen fährt sie gen Westen, begleitet Franziskus' lange Arbeitstage, ist beim Weltjugendtag in Krakau und in Rom, lernt seine Eltern kennen. Berührt wird die Autorin von der Leistung des Priesters in der Seelsorge und in der Krankenpflege. Daneben müht er sich in vielen Gesprächen nach Kräften, die stürmischen Fragen der Journalistin schlüssig zu beantworten. Das sind zunächst die erwartbaren - Homosexualität, Zölibat, Ehe, Sex, Verhütung, Missbrauch -, bevor sich im Lauf der Monate für den Glaubenskern zentralere Fragen in den Vordergrund schieben.
"Sie glauben an Jesus, der Revolutionär war, aber machen selbst nie etwas anders" - Schönian ist oft aufgewühlt und genervt, die Intensität der Arbeitsbeziehung ist hoch. Sie trägt ihre Zweifel mit beachtlicher Offenheit in den Freundeskreis hinein, weiter führende Recherchen unterlässt sie. Mit einer Ausnahme umkurvt sie sogar die Lektüre der Bibel. Dass ihre Haltung gegenüber der Gender-Theorie viel mit Glauben zu tun hat, reflektiert sie eher nicht. Dennoch: Wer sich ähnliche Fragen wie Schönian stellt, trifft hier auf eine kämpferische Antwortensucherin. Am Ende bewundert man aber ebenso die Langmut und Güte des Befragten. Seine vorgelebten Antworten werden die Autorin und ihre Leserinnen noch länger beschäftigen.
hhm
Valerie Schönian:
"Halleluja". Wie ich
versuchte, die katholische Kirche zu verstehen.
Piper Verlag, München 2018. 368 S., br., 16.- [Euro].
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