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'Berlin, Rosenthaler Platz: Unsanierte Altbauten, der Geruch von Kohleöfen, die brüllende Vierspurigkeit der Torstraße. Inmitten dieses Ost-Charmes tritt ein junger Mann auf den Plan: Er will die Gastronomie ganz neu denken und ein Café eröffnen, das die Welt noch nicht gesehen hat. Und obwohl ihm anfangs Gäste und Mitarbeiter auf der Nase herumtanzen: Aus ASCHINGER 9te BIERQUELLE, wo Alfred Döblin und George Grosz einst Stammgäste waren, wird das Zentralcafé der Digitalen Bohème.

Produktbeschreibung
'Berlin, Rosenthaler Platz: Unsanierte Altbauten, der Geruch von Kohleöfen, die brüllende Vierspurigkeit der Torstraße. Inmitten dieses Ost-Charmes tritt ein junger Mann auf den Plan: Er will die Gastronomie ganz neu denken und ein Café eröffnen, das die Welt noch nicht gesehen hat. Und obwohl ihm anfangs Gäste und Mitarbeiter auf der Nase herumtanzen: Aus ASCHINGER 9te BIERQUELLE, wo Alfred Döblin und George Grosz einst Stammgäste waren, wird das Zentralcafé der Digitalen Bohème.
Autorenporträt
Ansgar Oberholz, geboren 1972 in Stolberg bei Aachen, lebt seit über 20 Jahren in Berlin.
Heute gilt Oberholz in den Medien als Veteran der Entrepreneurszene und als Experte für Phänome des neuen Arbeitens.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.02.2013

Wie man einen Mythos aufschäumt
Ansgar Oberholz, der Betreiber des Hipster-Cafés St. Oberholz in Berlin-Mitte,
hat einen Roman über seine Anfänge als Gastronom der „digitalen Bohème“ geschrieben
VON CORNELIUS WÜLLENKEMPER
Ist diese Geschichte nicht längst erzählt? Berlin-Mitte als hauptstädtische Drehscheibe junger, ambitionierter Internet-Entrepreneure, Lebensraum der ebenso verarmten wie selbstbestimmten Klasse der digitalen Arbeiter: Vor Jahren hatte der ehemalige Werbetexter und heutige Selfmade-Internet-Experte Sascha Lobo sie bereits zur „digitalen Bohème“ erklärt.
  Wie sehr sich die Vorstellung von modisch gekleideten jungen Menschen mit Klappcomputer und wenig Geld ästhetisch und auch kommerziell verselbständigt hat, kann man höchst anschaulich im Café St. Oberholz am Rosenthaler Platz in Berlin-Mitte beobachten. Das „Zentralcafé der digitalen Bohème“ hat schon seit geraumer Zeit Eingang in jeden Berlin-Reiseführer gefunden und ist so eher zum Brennpunkt der touristischen Globalisierung geworden. Die „wahre Geschichte“ – und welche sehr konkreten wirtschaftlichen und persönlichen Herausforderungen hinter dem geradezu mythisch aufgeladenen Ort stehen – beschreibt der Café-Gründer Ansgar Oberholz in seinem ersten Roman „Für hier oder zum Mitnehmen?“.
  Oberholz holt quasi den eigenen Mythos vom Sockel und lässt die Kundschaft in den Backstage-Bereich seiner Wirkungsstätte schauen. Sie schaut gerne hin.
  Der ehemalige Werbemanager kann dabei sogar auf eine bekannte Historie zum Gebäude des heutigen Hipster-Cafés zurückgreifen. Bevor nach dem Mauerfall die erste Filiale von Burger King auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und später ein Schwulenclub öffnete, errichteten die Gebrüder Aschinger aus dem Württembergischen an diesem Ort um 1900 die
„9. Bierquelle“, eines ihrer dreißig Lokale für einfache Angestellte, die preiswert mit Bier, Erbsensuppe und kostenlos mit Brot versorgt wurden. Alfred Döblin, der einer der Stammgäste der Bierhalle am Rosenthaler Platz gewesen sein soll, ließ seinen tragischen Helden Franz Biberkopf in „Berlin Alexanderplatz“ in dem sogenannten Schrippenpalast verkehren.
  Vor diesem historischen Hintergrund setzt Ansgar Oberholz mit seiner Geschichte ein: An einem verregneten Novembermorgen im Jahre 2005 entdeckt sein autobiografisch angelegter Ich-Erzähler an dem Abrisshaus am Rosenthaler Platz das Signet „Aschingers 9te Bierquelle“. „Das Haus ruft mich“, denkt sich der namenlose junge Mann, als er mit einem Euro in der Tasche auf dem Rückweg von der Abschiedsfeier seiner im Nachhall der Dotcom-Blase gescheiterten Werbeagentur ist. Was zu Döblins Zeiten das kostenlose Brot war, so sein Plan, sollen in seinem Café freies Wlan und viele Steckdosen für Laptop-Akkus sein – eine Art Schrippenausgabe für die digitalen Arbeiter der neuen Mitte Berlins.
  Im Folgenden erfahren wir, wie man unter den chaotischen Umständen einer turbulenten Stadtentwicklung sein Glück als Gastronom versuchen kann – und dabei scheinbar ganz ungewollt und nebenbei den für bestimmte Kreise angesagtesten Ort der Stadt erschafft. Nachdem die Bank überredet, das Gesundheitsamt ausgetrickst, und eine bunte Gruppe an mehr oder minder erfahrenen Mitarbeitern zusammengewürfelt ist, findet sich nur sehr schleppend so etwas wie eine Stammkundschaft ein: ein Alkoholiker im Rollstuhl, der seine Obdachlosenmagazine an den Mann bringen will, Drogenabhängige, die sich den gerade im U-Bahnhof gedealten Stoff auf der Café-Toilette spritzen, der melancholische Kumpel, der nach der Scheidung aus München geflohen ist und sich in Berlin neu erfinden will, die Ostberliner Zwillinge aus dem Nagelstudio von gegenüber und, als erstes Anzeichen der medienprofessionellen Zukunft des Ortes, ein amerikanischer Porno-Produzent, der seine Filmchen beim Latte macchiato entspannt am Café-Tisch zurechtschneidet.
  Im St. Oberholz, so der Subtext im weiteren Verlauf, verdichtet sich das, was für die einen bloß zerstörerische Gentrifizierung und für die anderen eine natürliche Stadtentwicklung aufgrund neuer Geschäftsideen und dynamischer Zugezogener ist. Dass dieser Prozess fürs Erste abgeschlossen ist, zeigt das Publikum im heutigen St. Oberholz, das natürlich längst ahnt, dass die Geschichte ganz woanders weitergeht, nämlich dort, wo die Mieten auch für das digitale Prekariat noch bezahlbar sind.
  Allerdings weiß der Autor sehr gut, wie man die Marke Oberholz auch literarisch verkaufen kann: Neben allerlei Anekdoten aus dem gastronomischen Alltag gewährt Ansgar Oberholz dem Leser einen reichlich indiskreten Blick hinter die Café-Kulissen und in die amourösen Abenteuer der Belegschaft. Das Ganze spielt sich ab wie auf einer „großen Theaterbühne“, wie Oberholz im Kapitel „Muppet Show“ bemerkt. In den schwächsten Momenten erinnert das an eine ziemlich klischeehafte Soap-Story über junge Abenteurer in der hippen Großstadt. Eher nebenbei gelingt dabei ein sehr persönlicher Rückblick auf die durchaus spannende Neugestaltung eines geschichtsträchtigen Stadtviertels.
  Was ein Kollege allen Ernstes als „Shades of Grey der Gastronomie“ bezeichnet, kann mindestens ebenso gut als geschickter Schachzug eines Unternehmers gelten, der in dem Haus am Rosenthaler Platz mittlerweile nicht nur ein gutgehendes Café unterhält, sondern auch Co-Working-Arbeitsplätze und stattliche „neo-mondäne Altbau-Gastwohnungen“ mit einer „frischen Brise Wireless in Berlins mittigster Mitte“ vermietet. Wie erfrischend dieser über weite Strecken durchaus unterhaltsame Einblick in die Entstehung eines Kultorts auch ist, immer wieder wirkt er wie vom Barista aufgeschäumt.
  Pünktlich zur Veröffentlichung seines Mitte-Romans ließ Ansgar Oberholz durchblicken, dass man eine Anfrage vom Apple-Konzern, einen Werbespot im Café zu drehen, ablehnte, weil „die Chemie nicht stimmte“. Franchiseanfragen aus Metropolen in aller Welt habe er ebenso ausgeschlagen, weil das St. Oberholz eben einzigartig sei. Zudem sei er heute regelmäßig als Unternehmensberater gefragt und habe „geheime Pläne“. Man darf vermuten: Der Roman ist nur ein nächster Schritt, die Oberholz-Geschichte ist noch längst nicht auserzählt.
Ansgar Oberholz: Für hier oder zum Mitnehmen?
St. Oberholz – der Roman. Ullstein Verlag, Berlin 2012. 240 Seiten, 14,99 Euro.
Für die einen ist das Café ein
Beispiel für Gentrifizierung, für
die anderen ein Kultort
Eine Art Schrippenausgabe für die digitalen Arbeiter der neuen Mitte: das Café St. Oberholz am Rosenthaler Platz.
FOTO: THOMAS MEYER/OSTKREUZ
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Roman als Marketinggag; Cornelius Wüllenkemper aber nennt es etwas einfühlsamer einen Mitte-Roman. Dass Ansgar Oberholz, seines Zeichens Wlan-Kaffeebetreiber, die Geschichte seines Erfolgs als Mischung aus historischen Bezügen (Döblin) und Barista-Lovestory erzählt, irritiert den Rezensenten allerdings doch merklich. Davon abgesehen, dass die Geschichte der digitalen Hauptstadtbohème längst erzählt ist, meint Wüllenkemper, wirkt das Buch stellenweise wie aufgeschäumte Milch.

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