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Migration und Integration prägen die europäische Geschichte seit ihren Anfängen. Heute stehen sie aus aktuellen Gründen im Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit. Viele Europäer halten die neuen Herausforderungen für eine historische Ausnahmesituation. Sie irren. Wanderungsbewegungen waren seit jeher Teil der europäischen Geschichte. Viele, die sich gegenwärtig über die Integration von Fremden sorgen, wissen nicht, dass sie selber ferne Nachfahren von Zuwanderern sind. Die Vielfalt der Gruppen, die sich innerhalb Europas bis heute über die Grenzen staatlicher, kultureller und sozialer Räume…mehr

Produktbeschreibung
Migration und Integration prägen die europäische Geschichte seit ihren Anfängen. Heute stehen sie aus aktuellen Gründen im Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit. Viele Europäer halten die neuen Herausforderungen für eine historische Ausnahmesituation. Sie irren. Wanderungsbewegungen waren seit jeher Teil der europäischen Geschichte. Viele, die sich gegenwärtig über die Integration von Fremden sorgen, wissen nicht, dass sie selber ferne Nachfahren von Zuwanderern sind. Die Vielfalt der Gruppen, die sich innerhalb Europas bis heute über die Grenzen staatlicher, kultureller und sozialer Räume bewegten oder von außerhalb nach Europa zuwanderten und dies weiter tun, ist nur wenigen bewusst. Dieser Mangel an Information hat deutliche politische und gesellschaftliche Folgen. Das notwendige Wissen über Migration und Integration stellt jetzt die neue Enzyklopädie Migration in Europa übersichtlich, klar und kompetent bereit - von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Die Enzyklopädie istein Gemeinschaftswerk internationaler Fachleute. Ihr erster Teil behandelt alle europäischen Großregionen und Länder in ausführlichen Überblicksartikeln. Sie beschreiben die Wanderungsgeschichte der jeweiligen Räume und untersuchen die sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen von Integration. Diese raumbezogenen, epochenübergreifenden Überblicke bieten den Orientierungsrahmen für die im zweiten Teil der Enzyklopädie folgenden mehr als 220 Lexikonartikel.
Autorenporträt
Klaus J. Bade, geboren 1944, ist o. Professor für Neueste Geschichte und Vorstand des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.04.2017

Selbstbilder vom Identitätsmanager

Migration ist für Jochen Oltmer ausweislich des Titels seines Buchs zugleich "Geschichte und Zukunft der Gegenwart". Die Geschichte der Migration fängt bei Oltmer im sechzehnten Jahrhundert an. Der "Blick auf lange Linien des historischen Wandels" soll dazu beitragen, "Wanderungsverhältnisse der Gegenwart zu erklären und Perspektiven zu absehbaren migratorischen Zukunftsfragen zu entwickeln".

Das ist auf knappem Raum ein hehres Ziel, das der Autor denn auch verfehlt. Sei es in der Erörterung der Migrationsmotive, der historischen Darstellung von Migrationsbewegungen oder der Auseinandersetzung mit Integrationspolitik: Der Autor präsentiert oftmals elementare Einsichten, aus denen sich kaum triftige neue Erkenntnisse gewinnen lassen. So erfahren wir zum Beispiel, dass Migrationsentscheidungen "in der Regel multiplen Antrieben" unterlägen, Gewaltmigration kein Phänomen der Neuzeit sei und zahlreiche Studien belegten, dass Armut die Bewegungsfähigkeit einschränkt.

Mehr Konkretion täte da not. Statt Sätzen wie diesem: "Es bestehen je spezifische, von Akteur zu Akteur unterschiedliche, stets im Wandel befindliche Paradigmen, Konzepte und Kategorien, um Migration vor dem Hintergrund der jeweiligen Interessen zu benennen, zu beschreiben und daraus Wirklichkeitskonstruktionen und Handlungen zu formen." Worauf eine solche Diagnose zu beziehen ist, lässt auch die folgende Feststellung offen: "Migrantische Infrastrukturen und Identitätsmanager entwickeln unter anderem Selbstbilder, die Vergemeinschaftungsprozesse von Migranten identitätspolitisch steuern."

Man lernt bei Oltmer immerhin, dass Migration kein Prozess ist, der bloß geradlinig "von der Wanderungsentscheidung im Ausgangsraum über die Reise in das Zielgebiet bis zur dort vollzogenen dauerhaften Niederlassung" reicht. Flüchtlinge bewegten sich vielmehr meist in Etappen, in denen eine mehrfache Rückkehr und erneute Flucht nicht ausgeschlossen sind. Oltmer reiht hölzern Fakten aneinander - über den Bevölkerungswandel in der frühen Neuzeit, die "Massenmigration" und die Arbeitswanderungen im neunzehnten Jahrhundert, über Kolonialismus, Flucht, Vertreibung und Deportation im vorigen Jahrhundert, über Wanderungsbewegungen im Kontext des Kalten Krieges und, sehr knapp, über die globale Migration heute. Aber so etwas wie eine argumentative Struktur ist in dem Buch nicht recht zu erkennen, und es fehlt eine explizite Rückkopplung des ausgebreiteten historischen Wissens an die aktuelle Flüchtlingssituation, die doch der eigentliche Anlass für die Behandlung des Thema gewesen sein dürfte.

hbt.

Jochen Oltmer: "Migration".

Geschichte und Zukunft der Gegenwart.

Theiss Verlag, Darmstadt 2017. 288 S., geb., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.02.2008

Die Familie bleibt der wichtigste Ort
Ohne Multikultischwärmerei: Eine Enzyklopädie informiert über Migration und Integration in Europa
Vor zwei Jahren warf Necla Kelek der „öffentlich finanzierten” Migrationsforschung Versagen vor: Diese habe nicht erkannt, dass sich inmitten der freien und offenen Gesellschaft unter muslimischen Migranten repressive, vor allem frauenfeindliche Parallelgesellschaften herausgebildet hätten. Zwangsehen, Ehrenmorde und ethnische Segregation seien den Wissenschaftlern verborgen geblieben, weil sie vom Multikulturalismus träumten, die Migrationsforschung habe das „Problem Islam” in Europa ignoriert.
In der Tat hat die wissenschaftliche Beschäftigung mit Migration lange Zeit andere Probleme gehabt. Angesichts der gefühlten Natürlichkeit von Nationen und Nationalstaaten, der hässlichen Fratze von Rassismus und Xenophobie und der nationalistischen Lebenslüge, Deutschland sei kein Einwanderungsland, hat sie die historische Normalität der Wanderungen von Menschen über Grenzen und zuweilen auch von Grenzen über Menschen betont: Migration gehöre zur Conditio humana wie Essen und Schlafen, Lieben und Leiden, denn der Homo sapiens habe sich als Homo migrans über die Welt ausgebreitet.
Gleichwohl ist Keleks Kritik unbegründet und allein politisch zu erklären. Denn zum einen wird durch ein neues Problem nicht alles hinfällig, was zuvor wichtig war; zum anderen ist die Frage von Integration seit jeher eine der zentralen der Migrationsforschung gewesen. Wie beides zusammengeht, ist zu bewundern, in der Enzyklopädie „Migration in Europa”, herausgegeben von einem deutsch-niederländischem Herausgebergremium um Klaus J. Bade. An dem Unternehmen beteiligten sich weit über 200 Historiker aus ganz Europa. Die Enzyklopädie ist nicht nur ein wunderbar zu handhabendes Nachschlagewerk über Wanderungsbewegungen seit dem 17. Jahrhundert, es bietet auch einen glänzenden Überblick über die europäische Migrationsgeschichte. Schließlich stellt es das öffentliche Sorgenthema Integration in den Mittelpunkt fast jeden Beitrags, ohne sich jedoch von einer normativen Assimilierungserwartung leiten zu lassen.
Die Konzeption ist bestechend klar: Der relativ kurze erste Teil erläutert kompakt und klar strukturiert die Idee des Projektes bis zu seiner Realisierung und stellt die Terminologien und Konzepte in der Migrationsforschung vor. Er analysiert Wanderungsysteme, stellt Typologien der Migrationen vor, untersucht Migrationsregime von der Frühen Neuzeit an, kurzum legt dar, was eine Theorie der Migration zu leisten hat.
Im zweiten Teil wird anhand eines weitgehend einheitlichen Schemas die Wanderungsgeschichte der einzelnen europäischen Länder zusammengefasst. Der dritte Teil umfasst die „eigentliche” Enzyklopädie und ist nach Wanderungsgruppen gegliedert.
Wenn wir zum Beispiel den Buchstaben „A” nehmen, finden wir solch heterogene Geschichten wie die der ägyptischen „Sans-papier” in Paris seit den 1980er Jahren, die der albanischen Siedler in Italien seit der Frühen Neuzeit, der alliierten Militärangehörigen in Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Man erfährt etwas über armenische Handelskolonien in Russland seit dem Spätmittelalter und außereuropäische Fußballspieler in West- und Südeuropa seit dem späten 19. Jahrhundert.
Die Integration von Muslimen nimmt den gebührenden Platz in der europäischen Migrationsgeschichte ein. Sie spielt, trotz aller gegenwärtigen Ängste, eine kleine, aber sichtbare Rolle. Den Artikel über die türkischen Arbeitswanderer in West-, Mittel- und Nordeuropa seit der Mitte der 1950er Jahre, der Necla Kelek besonders interessieren wird, hat ausgerechnet Yasemin Karakasoglu geschrieben, mit der sie sich vor zwei Jahren öffentlich gestritten hat. Von Multikultischwärmerei ist hier nichts zu spüren. Karakasoglu stellt nüchtern fest, dass von einer erfolgreichen Integration pauschal genauso wenig gesprochen werden kann wie von einer missglückten. Dabei wird niemand aus seiner Verantwortung entlassen, weder Staat noch Mehrheitsgesellschaft noch Minderheit, wenngleich die Handlungsmöglichkeiten asymmetrisch sind. Für die Kritikerin der Migrationsforschung besonders interessant dürfte auch sein, dass die Familie der entscheidende Ort der allermeisten Migrationsangelegenheiten ist. Das gilt jedoch nicht nur für türkische Familien in Berlin oder Heilbronn, das galt bereits für galizische Juden in Österreich vor dem Ersten Weltkrieg oder für irische Industriearbeiter in England seit der Industriellen Revolution. Dieses 1100 Seiten starke Nachschlagewerk wird allein wegen seiner europäischen Dimension neue Maßstäbe setzen.
Es überzeugt auch in redaktioneller Hinsicht: Die einzelnen Artikel folgen einem strikten Aufbau, sie sind gut geschrieben und die Autoren gehören in der Regel zu den führenden ihres Sujets. Es bleibt zu hoffen, dass demnächst ein Forscherteam nach der europäischen die globale Dimension von Wanderung in den Blick nimmt, und zwar nicht nur von Süd nach Nord, sondern ebenso von Süd nach Süd, denn vermutlich 95 Prozent der gegenwärtigen Migrationen geschehen außerhalb Europas.
Es ist eben immer eine Frage der Perspektive, wie dringlich ein Problem ist, zum Beispiel das der nicht linear und eindimensional erfolgten Integration der Muslime in Deutschland. JÖRG SPÄTER
KLAUS J. BADE u.a. (Hrg.): Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Ferdinand Schöningh, Wilhelm Fink, Paderborn, München 2007. 1156 Seiten, 78 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Mit großem Lob bedenkt Andreas Eckert diese umfangreiche "Enzyklopädie der Migration in Europa", die Klaus J. Bade und andere herausgegeben haben. Er sieht in dem Band, der auf knapp 1200 Seiten über 200 Artikel eines internationalen Autorenteams versammelt, ein grundlegendes Werk zur Migration in Europa, einem Thema, das gegenwärtig wieder kontrovers diskutiert wird. Der historische Blick auf das Thema verdeutlicht für Eckert freilich, dass Zuwanderung, Integration und interkulturelle Begegnung immer schon wesentliche Momente europäischer Kulturgeschichte gewesen sind. Er bescheinigt dem Band, durchaus an die tagespolitischen Debatten anzuknüpfen, um sie allerdings auf ein historisch sicheres Fundament zu stellen. Dem Vorwort und einem kompetenten Artikel zu theoretischen und historiografischen Fragen folgen laut Eckert eingehende Überblicksdarstellungen über die Wanderungsgeschichte der einzelnen europäischen Länder sowie alphabetisch geordnete Artikel zu spezifischen Migrantengruppen. Auch wenn der Wissensstand zu den jeweiligen Einwanderergruppen deutlich differiert, zeigt sich Eckert von der "durchweg hohen Qualität" der Beiträge beeindruckt. Kritisch sieht er lediglich, dass die Herkunftsräume der Einwanderer nicht behandelt werden.

© Perlentaucher Medien GmbH