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Quartalsberichte der Großbanken, verkürzte Lieferfristen, steigende Arbeitsintensität und ein atemloser Termindruck, der bereits Kinder und Jugendliche belastet, beschleunigen allgemein das Lebenstempo, lähmen jedoch auch schöpferische Initiativen. Der Autor spürt den Ursachen des imperialen Temporegimes nach. Er erkennt eine Ursachenkette, die von den entfesselten Finanzmärkten ausgeht, betriebliche Umbauten auslöst und in die alltägliche Lebenswelt eindringt. Doch wie lassen sich die Risiken einer rasenden Beschleunigung eingrenzen? Wie können die gesellschaftlichen Teilsysteme Politik,…mehr

Produktbeschreibung
Quartalsberichte der Großbanken, verkürzte Lieferfristen, steigende Arbeitsintensität und ein atemloser Termindruck, der bereits Kinder und Jugendliche belastet, beschleunigen allgemein das Lebenstempo, lähmen jedoch auch schöpferische Initiativen. Der Autor spürt den Ursachen des imperialen Temporegimes nach. Er erkennt eine Ursachenkette, die von den entfesselten Finanzmärkten ausgeht, betriebliche Umbauten auslöst und in die alltägliche Lebenswelt eindringt. Doch wie lassen sich die Risiken einer rasenden Beschleunigung eingrenzen? Wie können die gesellschaftlichen Teilsysteme Politik, Bildung, Familie die Übergriffe des Finanz- und Wirtschaftssystems abwehren? Friedhelm Hengsbach plädiert für ein humanes und gesellschaftliches Zeitmaß, das als Wohlstandsindikator das wirtschaftliche Wachstum ablösen sollte.
Autorenporträt
Prof. em. Dr. oec. Friedhelm Hengsbach, geboren 1937, Mitglied des Jesuitenordens, bis 2005/06 Professor für Christliche Gesellschaftsethik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main und Leiter des Oswald von Nell-Breuning Instituts für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik, lebt und arbeitet im Heinrich Pesch-Haus - Katholische Akademie Rhein-Neckar in Ludwigshafen (Rhein). Arbeitsschwerpunkte/Veröffentlichungen u.a. zum Thema Wirtschaftsethik, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie zur Theorie der kapitalistischen Marktwirtschaft.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.12.2012

Was die Börse mit
der Liebe zu tun hat
Friedhelm Hengsbach plädiert für die komplette
Umwandlung der Industriegesellschaft
VON EKKEHART KRIPPENDORFF
Es fängt ganz konventionell wie ein guter Leitartikel an, den man meint schon oft so oder ähnlich gelesen zu haben: Wir modernen Menschen, vor allem natürlich wir Wohlstandsbürger, haben keine Zeit mehr – wir sind gehetzt, gejagt, kennen den Luxus und das Vergnügen der Muße nicht mehr, alles muss schnell gehen: Statt Briefen schreiben wir E-Mails, der ICE fährt 300 km/h, während wir den Laptop auf dem Schoß haben – aber die eingesparte Zeit wird verbraucht von verplanten Terminen. Acht von zehn Deutschen empfinden ihr Leben als stressig, sie machen (sofern sie Arbeit haben) Überstunden, Schichtdienst, haben Schlafstörungen, leiden unter dem Burn-out-Syndrom, klagen über psychosomatische Krankheiten. Der Goethe-Kenner Manfred Osten hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass Goethe vor 200 Jahren Übereilung als eigentliche Krankheit der Moderne erkannte, er nannte sie teuflisch „veloziferisch“. Und kein Geringerer als Faust, der Repräsentant der kapitalistischen Industriegesellschaft, ging an diesem pathologischen Wahn der schnellen Liebe, des schnellen Geldes, der totalen Herrschaft über Mensch und Natur zugrunde. So weit so gut und so bekannt.
Die Zeitreise, auf die uns der Jesuit Friedhelm Hengsbach (Professor für christliche Sozialwissenschaft, zuletzt – bis 2005 – Leiter des Nell-Breuning-Instituts, Beiratsmitglied von Attac, engagierter Repräsentant der katholischen Soziallehre) mitnimmt, zeigt die Befindlichkeit des europäischen Menschen in seiner Arbeitswelt. Mithilfe all der empirischen Daten entfaltet sich eine dramatische Erzählung vom modernen „Charaktertyp des ,schnellen‘ Menschen“. Dieser habe sich als Repräsentant einer epochalen Entwicklung imperial und global ausgebreitet und sei im Begriff, mit einer entfesselten kapitalistisch-wirtschaftlichen Dynamik vermutlich die gesamte Landkarte der Erde zu überfluten.
  Da segeln der Leser und die Leserin (Hengsbach benutzt auch das feminisierte Substantiv) bequem durch die sozialgeschichtlichen Epochen, die sich schließlich zu der bedrohlichen „Kaskade“ beispielloser Dynamik und eben Geschwindigkeit akkumulieren. Von da an wird die Lektüre schwierig, mit sozialwissenschaftlichem Jargon aufgeladen, und dies mit Grund.
  Im Unterschied zu den meisten seiner akademischen Zunft verspricht Hengsbach etwas, wovor die übrigen sich vornehm drücken: Er will nicht nur analytisch erklären, er will der Sache, der Entfesselung der ökonomischen und soziologischen Triebkräfte, die uns alle unwiderstehlich in ihren Strudel ziehen, auf den Grund gehen: einer Dynamik, die inzwischen auch die intimsten Mikro-Zellen der Gesellschaft erfasst hat, von der Erziehung der Kinder über die Gefühlswelt der Liebenden, von der Berufs- und Arbeitswelt bis ins Renten- und Pensionsalter – und die uns alle zu ihren Komplizen, um nicht zu sagen Opfern macht.
  Hengsbach stellt nicht nur Fragen, er will auch Antworten geben, Ursachen festmachen und sagen, wo die Kritik anzusetzen hat: Er will mit einem Wort die Bedingungen der Möglichkeit einer heilenden Umkehr aus dem zerstörerischen Hochgeschwindigkeits-Industriekapitalismus aufzeigen. Und darum begnügt er sich nach der langen Exposition nicht mit der gefälligen Beschreibung, sondern spricht auch zum Beispiel von den sozialen und pathologischen Folgen, die der „informationsgestützten Dynamik der Finanzmärkte“ innewohnt, von der historisch neuen Erscheinungsform des „Finanzkapitalismus“.
  Es geht um die Unterwerfung fast aller Lebensbereiche unter das Diktat der Märkte, die ihrerseits unter dem Diktat der globalen Geschwindigkeiten stehen, mit denen Computer über die Kontinente hinweg und unter zunehmender Ausschaltung der klassischen Börsenspekulanten in Millisekunden Umsätze von gigantischen Ausmaßen tätigen. Die Endstation dieses Hochfrequenzhandels ist das ökonomische Schicksal von Familien, Arbeitsuchenden, Jugendlichen und nicht zuletzt Frauen, die ihrerseits Spielbälle der Unternehmer und der Börsenlogik sind. Arbeiter und Angestellte sind ein gerade noch toleriertes notwendiges Übel, aber eben ein letztlich verzichtbares Übel und keine Partner: „Die Führungskräfte gelten als Wertschöpfungspotenzial, die Masse der abhängig Beschäftigten dagegen als ein belastender wertevernichtender Kostenfaktor, der durch einen gezielten Personalabbau gesenkt werden kann.“
  Dass Hengsbach seinen Marx gründlich gelesen hat, ist selbstverständlich. Er kennt sich aus im Dschungel der Banken, Kreditinstitute, Rettungsschirme, der Kommissionen und Gipfelbeschlüsse, er versteht den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), führt uns den Vergleich zwischen Staatsschulden und Bankenverschuldung vor, um gleich darauf unterschiedliche Diagnosen zu zitieren, die mit derselben Expertenhaltung gegenteilige Ursachen des Zusammenhangs von Bankenkrise und Staatsschuldkrise behaupten, um dann von wieder anderen belehrt zu werden, dass wir es mit einer makroökonomischen Krise zu tun haben, nämlich dem Wegbrechen der Konsumgüternachfrage. Auch wer sich mit der Materie schwertut, bekommt einen Einblick in den Zusammenhang des Nichtzusammenhängenden und doch nicht isoliert Betrachtbaren. Klar wird: Wir – ob Fachleute oder zeitungslesende Laien – befinden uns in einem Meer von Widersprüchen und Konfusionen; das Schiff der Erkenntnis droht in Wirbelstürmen übermächtiger Naturgewalten zu kentern. Kein Land, kein Ausweg in Sicht?
  Versprochen hatte uns der Autor nicht nur fachkompetente Durchblicke durch die Wellentäler und „Kaskaden“ der Gewalten (eine Metapher, die er liebt), sondern auch Ursachenerklärung und Wege aus dem offensichtlichen Chaos der verschiedenen Kapitalismen, mit denen wir es historisch und aktuell zu tun haben. Und: Hengsbach hält sein Versprechen. Da sind zum einen die Ursachen, die er nie aus den Augen verliert. Sie hängen mit dem Generalthema seines Buches zusammen: der gesellschaftlichen Beschleunigung, die begonnen hatte mit dem Austritt der Menschheit aus dem Dorfleben und heute ihre sichtbarste Wirklichkeit in den Mega-Städten aller Kontinente findet, den Ballungszentren der Entwurzelung.
  Hengsbach hat für seine Ursachenforschung aber einen untrüglichen archimedischen Punkt der Diagnose, ein Urteilskriterium: Ob und wie die konkreten arbeitenden Menschen, die Familien, die nachwachsenden Jugendlichen von dieser Beschleunigung betroffen sind und wie sie damit umgehen. An diesem Punkt steuert sein analytisches Schiff in ruhigere Gewässer. Nun ist von den Menschen die Rede, von uns selbst: „Private Haushalte sind die letzten Glieder einer Wirkungskette der Beschleunigung, die von den Finanzmärkten ausgeht.“
  In der Privatsphäre löst sich das scheinbare Paradox auf, dass entwickelte Gesellschaften reich an Gütern, aber arm an Zeit sind. „Güterwohlstand und Zeitnotstand sind die zwei Seiten jener Beschleunigung, die von den Finanzmärkten ausgeht und über kommerzielle und politische Zwischenglieder die Privatsphäre der Haushalte und ihrer Mitglieder kontaminiert“, schreibt Hengsbach.
  Er weiß, wovon er spricht, wenn er von der psychischen, emotionalen und psychosomatischen Verelendung der Menschen in der Zwangsjacke des Konsumismus und dem Getriebensein in der Arbeitswelt schreibt. Er hat die Statistiken studiert, er kennt sich sehr genau aus in der deutschen Arbeitsgesetzgebung, dem brutalen Zynismus, mit dem Menschen aus ihren Jobs vertrieben oder zu unbezahlten Überstunden gezwungen werden, er hat einen humanen Maßstab, an dem er Wohlstand und Lebensqualität misst. Er trägt seine katholische Soziallehre nicht plakativ vor sich her, sondern deren Ethik ist selbstverständlicher Ziel der wissenschaftlichen Analyse.
  Da mögen die abschließenden Kapitel mit der Frage „Was tun?“ rührend bis naiv klingen, und doch sind sie das, worauf es ankommt: von der beruflichen Bildung bis zur Zeit für die Liebe, von einer ernst genommenen Mitbestimmung am Arbeitsplatz (die gegenwärtige nennt er einen „Etikettenschwindel“) bis hin zur partnerschaftlichen Kindererziehung und zum Projekt einer „SonntagsAllianz“ grundsätzlichen Verbots von gesellschaftlich nicht nötiger Sonntagsarbeit. Die ihrer Lebenszeit enteigneten Menschen entwickeln eine Leidenschaft des Mitleidens – sie wiederum grundiert die Analyse und die mehr angedeuteten als ausgeführten Therapien.
  So ist es nur logisch, dass er im aktuellen „Bürgerkrieg der politischen Klasse gegen die Armgemachten“ ein Fürsprecher starker Gewerkschaften ist. Darüber hinaus entwirft er die utopisch-realistische, aufregende Perspektive des Umbaus der industriellen Konsumgesellschaft in eine kulturelle Dienstleistungsgesellschaft, wo private Beziehungsarbeit und ziviles Engagement mindestens so viel gelten wie die traditionelle Erwerbsarbeit. Ganz nebenbei ist Hengsbach auch ein kluger Philosoph: Allein schon was er beispielsweise über das faszinierende Thema „Zeit“ schreibt, macht sein Buch zu einem Gewinn an ethischer Orientierung.
Friedhelm Hengsbach: Die Zeit gehört uns. Widerstand gegen das Regime der Beschleunigung. Frankfurt a. M., Westend Verlag 2012. 285 S. 19,99 Euro.
Ekkehart Krippendorff ist Politikwissenschaftler. Zuletzt erschien von ihm „Lebensfäden. Zehn autobiographische Versuche“ (Heidelberg, 2012).
Arbeitnehmer und Angestellte
gelten als gerade noch
tolerierbares notwendiges Übel
Hengsbach konstatiert einen
„Bürgerkrieg der politischen
Klasse gegen die Armgemachten“
Weihnachten – das Fest der Stille? Unser Zeichner macht einen Vorschlag, wie man sich des von Hektik geprägten Weihnachtsterrors erwehren kann. Friedhelm Hengsbach geht die Frage umfassender an.
ZEICHNUNG: HADERER
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einen großen Gewinn an ethischer Orientierung in unmoralischen Zeiten trägt Ekkehart Krippendorff mit nach Hause nach dieser Lektüre. Dass der Autor, Jesuit und Professor für christliche Sozialwissenschaft, nicht nur klare humane Maßstäbe an unsere Lebenswelt anlegt, sondern auch klug über Zeit (die wir nicht haben) philosophieren kann, erscheint dem Rezensenten schon erstaunlich. Wenn Friedhelm Hengsbach jedoch loslegt, um anhand empirischer Daten und dramaturgisch geschickt eine Erzählung über den europäischen Menschen in seiner beschleunigten Arbeitswelt zu entwerfen, hält der Rezensent buchstäblich inne. Hengsbachs Versuch einer Analyse und produktiven Kritik der Dynamik des Industriekapitalismus' kann er nur als gelungen bezeichnen. Nicht nur mit seinem Marx macht der Autor Krippendorff bekannt, auch durch den Dschungel der Banken und Rettungsschirme und Gipfelbeschlüsse führt er ihn sicher und umsichtig und gibt Lösungsvorschläge. Der Umbau unserer Turbokonsumgesellschaft zu einer kulturellen Dienstleistungsgesellschaft - dem Rezensenten erscheint er machbar!

© Perlentaucher Medien GmbH
"Wenn die Finazmärkte die Ursache für den Druck (...) bis ins Private hinein sind, müssen die politisch verantwortlichen handeln. Zeit muss zum Indikator für gesellschaftlichen Wohlstand werden, nicht die Menge produzierter Güter."
Süddeutsche Zeitung

"Wie können gesellschaftliche Teilsysteme Politik, Bildung, Familie, Arbeitswelt und Kultur die Übergriffe des Finanz- und Wirtschaftssystem abwehren? Hengsbach plädiert für ein humanes gesellschaftliches Zeitmaß, das als Wohlstandsindikator die alleinige Fixierung auf wirtchaftliches Wachstum ablösen sollte.
Aachener Zeitung

"Friedhelm Hengsbach, Professor für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik, bedeutender Repräsentant der christlichen Soziallehre, beschreibt und kritisiert in seiner aktuellen Veröffentlichung, wie eine rasante Beschleunigung alle Lebensbereiche, von den Arbeitsverhältnissen bis ins Familienleben, erobert hat."
Frankfurter Neue Presse
"Die Beschleunigung durchdringt alle Lebensbereiche. Was sind die Ursachen? Wie können wir das Tempo verlangsamen oder es bewältigen? Wie hängen Wirtschaftswachstum undder Lebensrhytmus einer GEsellschaft zusammen? Wem gehört die Zeit?"
NDR Info