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Das Leben als Experiment: Die Wechselwirkung von Psychologie, Politik und Kunst in der Sowjetunion der 20er Jahre.Zum 90. Jubiläum der sozialistischen Oktoberrevolution wagt Margarete Vöhringer einen neuen Blick auf die darauf folgenden 20er Jahre. Statt die Umwälzung der Machtverhältnisse in Russland entlang von ideologischen Debatten zu beschreiben, geht sie einer noch wenig bekannten, folgenreichen Verbindung nach: Avantgarde und Psychotechnik. Sie richtet dabei ihr Augenmerk auf die Praktiken der Künstler und Wissenschaftler, die diesen beiden Bereichen angehörten, vergleicht ihre Labore…mehr

Produktbeschreibung
Das Leben als Experiment: Die Wechselwirkung von Psychologie, Politik und Kunst in der Sowjetunion der 20er Jahre.Zum 90. Jubiläum der sozialistischen Oktoberrevolution wagt Margarete Vöhringer einen neuen Blick auf die darauf folgenden 20er Jahre. Statt die Umwälzung der Machtverhältnisse in Russland entlang von ideologischen Debatten zu beschreiben, geht sie einer noch wenig bekannten, folgenreichen Verbindung nach: Avantgarde und Psychotechnik. Sie richtet dabei ihr Augenmerk auf die Praktiken der Künstler und Wissenschaftler, die diesen beiden Bereichen angehörten, vergleicht ihre Labore und Werkstätten, Apparate und Experimente: Das Experiment der Moderne war mehr als bloße Utopie, es war unerschrockene Praxis.Die drei wichtigsten Protagonisten dieser Studie gelten bislang als geheime Hauptfiguren der Avantgarde: der Architekt Nikolaj Ladovskij, der in seinem »Psychotechnischen Labor für Architektur« eine Reihe von Wahrnehmungsapparaten baute; der Filmemacher Vsevolod Pudovkin, der in Ivan Pavlovs Labor einen Film drehte und dabei nicht nur mit Tieren experimentierte; der Philosoph Aleksandr Bogdanov, der kollektive Bluttransfusionen durchführte, um psychisch erkrankte Arbeiter zu heilen. Ergänzt werden ihre außergewöhnlichen Experimente durch Bezüge zu den viel berühmteren Kollegen Vassily Kandinsky, Le Corbusier, Vladimir Tatlin, El Lissitzky und Dziga Vertov.Die so unterschiedlich scheinenden Ansätze zeugen alle von einer Experimentalkultur, die ganz alltägliche Mittel fand, Menschen miteinander in Verbindung zu setzen, ihre Gedanken in Einklang zu bringen, sie zu einem Kollektiv zu vereinen. In der frühen Phase des Sozialismus offenbart sich, wie subtil Macht jenseits der Staatsapparate wirken kann - in Kunst, Erziehung, Unterhaltung und Fortbewegung. Im Design und Personalmanagement sind die Folgeerscheinungen dieser Psychotechniken der Künste bis in die heutige Zeit auch außerhalb Russlands, vor allem in den Industrieländern, anzutreffen. Wie viel ihre Ästhetik einem untergegangenen Gesellschaftssystem und einer radikalen Kunst verdankt, das zeigt diese umfassend recherchierte Untersuchung.Zur Reihe:Die Wissenschaftsgeschichte verstand sich lange Zeit als eine Art Gedächtnis der Wissenschaften. Heute sucht sie ihren Platz in der Kulturgeschichte und sieht ihre Aufgabe nicht zuletzt darin, Brücken zwischen den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften zu bauen. Die Formen, in denen dies geschieht, sind keineswegs ausgemacht. Sie sind Gegenstand eines großen, gegenwärtig im Gange befindlichen Experiments. Die historische Einbettung der wissenschaftlichen Erkenntnis, der Blick auf die materielle Kultur der Wissenschaften, auf ihre Objekte und auf die Räume ihrer Darstellung verlangt nach neuen Formen der Reflexion, des Erzählens und der Präsentation. Die von Michael Hagner und Hans-Jörg Rheinberger herausgegebene Reihe »Wissenschaftsgeschichte« versteht sich als ein Forum, auf dem solche Versuche vorgestellt werden.
Autorenporträt
Margarete Vöhringer, geb. 1973, promovierte 2006 in Kunstgeschichte an der HU Berlin und erfüllte Lehraufträge an der Bauhaus-Universität Weimar und am Osteuropa-Institut der FU Berlin. Seit 2006 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin im Projekt »Reflex und Kognition«.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Mit großem Interesse hat Felix Philipp Ingold Margarete Vöhringers Studie über die russische Avantgarde und ihre Verwendung der so genannten experimentellen "Psychotechnik" - einer neuartigen Verbindung von Psychophysiologie, Wahrnehmungspsychologie und physiologischer Arbeitswissenschaft - gelesen. Anhand drei exemplarischer Beispiele - Arbeiten des Science-Fiction-Autors Aleksandr Bogdanow, des Filmregisseurs Wsewolod Pudowkin und des Architekten Nikolai Ladowski - untersucht die Autorin, wie im frühen 20. Jahrhundert in der Sowjetunion Kunst und Wissenschaft in den Dienst der "politischen Konditionierung" der Menschen gestellt wurde. Dankenswert klar und strukturiert stelle die Autorin die vielschichtigen Zusammenhänge zwischen Psychotechnik und Kunst dar, lobt der Rezensent, wenn er diese "Zuordnungen" auch nicht immer ganz nachvollziehbar findet. Kritischer dagegen sieht Ingold die Darstellung der russischen Avantgardekunst, und er moniert nicht allein, dass Vöhringer offensichtlich nicht mit der relevanten Forschungsliteratur vertraut ist, sondern auch, dass hier ausschließlich "angewandte Kunst" der postrevolutionären Epoche in den Blick rückt.

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