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Mit Fukushima endete eine Ära - zumindest in Deutschland. Die kurze Geschichte der Atomwirtschaft ist ein perfektes Lehrstück dafür, wie Zufälle vollendete Fakten schaffen, welche Eigendynamik einmal getroffene Entscheidungen entwickeln und wie schwer es ist, die Geister, die man einstmals rief, wieder los zu werden.Wer geglaubt hat, die "friedliche" Nutzung der Atomenergie war ein durchdachter, von Verantwortungsgefühl getragener Akt, muss seine Meinung korrigieren - im Kern war sie nicht einmal friedlich, denn Adenauer liebäugelte lange mit dem Bau einer deutschen Atombombe. Dass die…mehr

Produktbeschreibung
Mit Fukushima endete eine Ära - zumindest in Deutschland. Die kurze Geschichte der Atomwirtschaft ist ein perfektes Lehrstück dafür, wie Zufälle vollendete Fakten schaffen, welche Eigendynamik einmal getroffene Entscheidungen entwickeln und wie schwer es ist, die Geister, die man einstmals rief, wieder los zu werden.Wer geglaubt hat, die "friedliche" Nutzung der Atomenergie war ein durchdachter, von Verantwortungsgefühl getragener Akt, muss seine Meinung korrigieren - im Kern war sie nicht einmal friedlich, denn Adenauer liebäugelte lange mit dem Bau einer deutschen Atombombe. Dass die Atomenergie nicht sicher sein würde, wussten ihre Kritiker schon immer - dass sich die Befürworter wider besseren Wissens für Reaktortypen entschieden haben, die von Beginn an enorme Sicherheitsrisiken bargen, ist weit weniger bekannt.Radkau und Hahn arbeiten ein Stück deutsche Zeitgeschichte auf, von der Atomeuphorie der Nachkriegszeit über die Anti-Atomkraft-Bewegung bis zum endgültigen Aus der Risikotechnologie. Sie beleuchten eine von illusionärem Optimismus, vielfältigen Machtinteressen und ehrgeizigen Spekulationen geprägte Epoche, und zeigen, wie die Verheißungen der Technik blind machen für ihre unkalkulierbaren Risiken.
Autorenporträt
Joachim Radkau: Als Autor zahlreicher Bücher, darunter einiger Standardwerke zur Umwelt-, Natur- und Technikgeschichte, wurde Joachim Radkau einem größeren Publikum bekannt. Er ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Bielefeld. Lothar Hahn: Der Physiker Lothar Hahn, ehemaliger Leiter der Reaktorsicherheitskommission, ist ein renommierter Atomenergie-Experte.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Wirtschaftshistoriker Joachim Radkau und der Physiker Lothar Hahn beschreiben in ihrem Buch "Aufstieg und Fall der deutschen Atomwirtschaft" die Entwicklung einer einstmals gefeierten Technologie zum gesellschaftlich verschrienen Risiko, berichtet Michael Bauchmüller. Die Geschichte umfasst gerade einmal fünfzig Jahre: vom ersten deutschen Schwerwasserreaktor, den eine Forschergruppe um Werner Heisenberg gegen Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelt, der aber nie in Betrieb genommen wurde, bis zum gegenwärtigen politischen Eiertanz um die Abschaltung der deutschen Meiler nach Fukushima, fasst der Rezensent zusammen. Die Autoren sparen nicht mit "Werturteilen und Ausrufezeichen", dafür aber leider mit ihren Quellenangaben, kritisiert Bauchmüller, der das Buch deshalb aber noch nicht abtut. Dafür findet er die historische Einordnung zu wichtig und kleine Details wie die Beschwerde RWE's beim Forschungsministerium über die unpraktischen Unsicherheiten des Genehmigungsverfahrens zu aufschlussreich.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.08.2013

„Unerschöpfliches
Füllhorn“
Wie die Atomindustrie den Deutschen den Sinn für
die Gefahren vernebelte – und deshalb unterging
VON MICHAEL BAUCHMÜLLER
Gerade mal drei Wochen ist es her, da informierte Baden-Württembergs Umweltministerium offiziell über ein „Ereignis“ im Atomkraftwerk Philippsburg 2. Beim Austausch verfärbter Kabel habe sich gezeigt, dass wichtige Schrauben locker gewesen seien. Das Problem sei aber gelöst: „Der Betreiber hat die Überwurfmuttern mit dem spezifizierten Anzugsmoment angezogen.“ Ist kein Witz.
  Hat er also recht gehabt, der Chef des Karlsruher Forschungsreaktors. Schon 1967 hielt er nichts davon, die Öffentlichkeit in jedes Problem im Reaktor einzuweihen. „Heute ist es die Panne mit der Lademaschine, morgen ist es eine Undichtigkeit mit Schwerwasseraustritt, übermorgen das Klemmen irgendeines Ventils“, schrieb er. „Wenn wir so fortfahren, dann werden wir eines Tages veröffentlichen, dass das Türschloss geklemmt hat.“
  Schon möglich, in Deutschland im Jahr 2013. Das Vertrauen in die Atomkraft ist, vorsichtig gesagt, nicht mehr ganz intakt. Und stand die Technologie noch 1967 ganz kurz vor dem großen Durchbruch, galt sie noch zu Beginn der Sechziger mitunter als „unerschöpfliches Füllhorn neuer Erkenntnisse, neuer Aufgaben und neuer Chancen“, so steht sie ein halbes Jahrhundert später in Deutschland vor der Abwicklung.
  Wie es so weit kommen konnte, beschreiben Joachim Radkau und Lothar Hahn in ihrem Buch über den „Aufstieg und Fall der deutschen Atomwirtschaft“. Beide haben Aufstieg und Fall auf ihre Weise begleitet. Radkau als Wirtschaftshistoriker, der schon 1981 seine Habilitationsschrift zu „Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft“ eingereicht hatte – zu einer Zeit also, als die wahre Krise noch gar nicht eingetreten war. Und Hahn als Physiker und langjähriger Chef der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit – um die Jahrtausendwende einer der ersten Atomkritiker, der in eine derart einflussreiche Position gelangte.
  Der Fall der Atomwirtschaft, so legen die beiden dar, mag maßgeblich durch Fukushima und Tschernobyl befördert worden sein. Er lässt sich aber nicht von den Umständen des Aufstiegs trennen. Er lässt sich nicht trennen von der anfänglichen Euphorie, von Entscheidungen aufgrund vermeintlicher Sachzwänge, von Machtkämpfen innerhalb der Industrie und der Unfähigkeit, mit gesellschaftlichen Widerständen umzugehen.
  Die Geschichte von Aufstieg und Fall beginnt im Labor, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Verschiedene Forschergruppen wetteifern um die Entwicklung eines ersten deutschen Schwerwasserreaktors. Im schwäbischen Haigerloch hat eine kleine Gruppe um den Nobelpreisträger Werner Heisenberg in einem Weinkeller den ersten deutschen Reaktor errichtet. Doch das kleine Atomkraftwerk geht nie in Betrieb, es fehlt an Brennstoff. So endete der Reaktor, die Idee aber hatte Bestand.
  Auch nach dem Krieg forschen Heisenberg und seine Mitstreiter weiter, nun im Wettbewerb mit Kollegen in den USA, in Großbritannien, in Frankreich. Es winkt eine scheinbar unerschöpfliche Energiequelle. Die Atomkraft werde „unsere Epoche wirtschafts- und sozialgeschichtlich von anderen Zeitaltern gegenwärtig und auf unabsehbare Dauer“ unterscheiden, heißt es in dem 1956 erschienenen Buch „Wir werden durch Atome leben“. Das Vorwort schrieb seinerzeit Franz Josef Strauß, ein glühender Anhänger der Atomkraft.
  Doch der Weg in die goldene Zukunft verlangt Entscheidungen, sowohl technischer als auch wirtschaftlicher Natur. Ausführlich beschreiben Radkau und Hahn, wie sich im Wettstreit der Technologien der Leichtwasserreaktor durchsetzt – trotz evidenter Nachteile gegenüber dem Schwerwassertyp. Letzterer war zwar leichter zu beherrschen, aber auch weniger wirtschaftlich. Nicht einmal ein Jahr nach seiner Inbetriebnahme wird der einzige deutsche Schwerwasserreaktor im bayerischen Niederaichbach, kurz KKN, wieder stillgelegt. Damit das Unterfangen nicht ganz so unsinnig wirkt, bekommt Niederaichbach eine neue Aufgabe: KKN soll nun demonstrieren, wie sich so ein Kernkraftwerk wieder abreißen lässt, schreiben Radkau und Hahn. So werden den öffentlichen Millionen für die Errichtung noch viele weitere für den Abriss hinterhergeworfen.
  Ohne öffentliche Förderung, so belegt das Buch an vielen Beispielen, hätte die Nuklearindustrie in Deutschland nie Fuß gefasst. Anders als in Großbritannien und Frankreich diente der Aufbau von Atomkraftwerken nicht der Flankierung militärischer Absichten; auf eine Atombombe hatte die Bundesrepublik schließlich verzichtet. Anders als dort bestand zunächst noch nicht einmal energiepolitisch die Notwendigkeit zum Aufbau von Atomkraftwerken. RWE, der seinerzeit größte deutsche Stromkonzern, verfügte schließlich über reichlich Braunkohle. Noch 1962 erklärte der Essener Konzern in Schreiben an die Bundesregierung, man erwarte nicht, „dass etwa im Hinblick auf eine sich in näherer Zukunft abzeichnende Energielücke der Baubeginn bereits im gegenwärtigen Zeitpunkt oder auch nur in absehbarer Zukunft erforderlich“ sei.
  Wenn RWE dann doch wenige Jahre später mit dem Kernkraftwerk Biblis das seinerzeit größte AKW der Welt bauen sollte, dann auch der Rahmenbedingungen wegen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau bietet Hilfen bei der Finanzierung an, die Haftung für die Betreiber wird begrenzt. So setzt sich bei den kommerziellen Kraftwerken fort, was bei den ersten Prototypen seinen Anfang genommen hatte: Der Bund will der Kernkraft zum Durchbruch verhelfen, und er tut einiges dafür.
  Der Blick in die Archive zeigt aber auch, wie erpressbar er wird. So beklagt das RWE in einem Schreiben an den damaligen Forschungsminister Gerhard Stoltenberg „die gegenwärtige Unsicherheit beim Genehmigungsverfahren“. Es sei „einfach untragbar“, dass durch Gerichtsverfahren „die Inbetriebnahme genehmigter Kraftwerke in Frage gestellt werden kann“.
  Hier entwickelt sich schrittweise jener Disput, der schließlich das Ende der Atomkraft besiegeln wird. Die Öffentlichkeit, die anfangs nicht von jeder kleinen Undichtigkeit erfahren soll, begehrt zunehmend auf, wenn auch zuerst lokal: Beim geplanten AKW Wyhl etwa, das nie gebaut wird, oder in der Schwarzwaldgemeinde Menzenschwand, die ein Uranbergwerk vereitelt. Zunehmend in der Defensive, behilft sich die Atomlobby mit neuen Argumenten. Sie führt in die Kalkulation möglicher Katastrophenfolgen deren Wahrscheinlichkeit ein und rechnet so den Schaden klein – zum sogenannten Restrisiko. Als dieses Restrisiko in Tschernobyl 1986 erstmals eintritt, gibt es bereits eine Umweltbewegung und eine grüne Partei. Dennoch bleiben damals Konsequenzen aus. Tschernobyl ist weit weg, und bald überlagert die deutsche Einheit die Energiepolitik. Die Atomwende gärt aber längst.
  Radkau und Hahn gelingt es, den Ausstieg aus der Atomenergie nach Fukushima einzubetten in die unglückliche Geschichte der Atomwirtschaft, mit all ihren Zufälligkeiten, ihrer Eigendynamik und Geheimniskrämerei. Das Buch ist, im Unterschied zu Radkaus Habilitation, alles andere als nüchtern, es spart nicht an Werturteilen und Ausrufezeichen. Anders als der Vorläufer aus den Achtzigern verzichtet es leider auch auf den seinerzeit fast 100-seitigen Apparat mit Fußnoten und Quellenangaben – manches wörtliche Zitat steht so etwas verloren.
  Das mindert aber nicht den Wert der historischen Einordnung, es tut auch den Lehren für die Zukunft keinen Abbruch: Eine neue Technologie lässt sich eben nicht gegen alle Zweifel durchsetzen, wirke sie zunächst auch noch so gesegnet. Und wie sagte doch der Ortspfarrer bei der Einweihung des Atomkraftwerks Biblis? „Technik und Fortschritt sind zu loben / Wenn’s schief geht, seid ihr schnellstens oben.“
Joachim Radkau, Lothar Hahn: Aufstieg und Fall der deutschen Atomwirtschaft. Oekom Verlag, München 2013. 413 Seiten, 24,95 Euro.
Ohne öffentliche Förderung
hätte die Nuklearindustrie
in Deutschland nie Fuß gefasst
Die Atomindustrie scheiterte
auch am Vorgehen derjenigen,
die für sie eintraten
Zündeln mit dem Fortschritt: Drei Jahrzehnte lang galt die Atomenergie vielen Ingenieuren als unerschöpfliche Energiequelle, deren „Restrisiko“ sich beherrschen ließ. Bis das dann irgendwann schiefging .
ZEICHNUNG: HADERER
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