sie, wenn er sich mit Zahlen beschäftigt. Matt Parker war ursprünglich Mathematiklehrer in Australien und hat sich zu einem mathematischen Hansdampf entwickelt, der in Großbritannien lebt und dort auf Bühnen, in Shows und im Fernsehen auftritt, um seine Faszination für Mathematik einem breiten Publikum zu vermitteln.
Mattia wählt für sich und Alice die Primzahlzwillinge 2 760 889 966 649 und 2 760 889 966 651. Für den Laien unvorstellbar große Zahlen, obwohl in den Zeiten der Finanzkrise nicht ungewöhnlich. Die Mathematiker jagen jedoch nach viel größeren Zahlen. Man weiß seit der Antike, dass es unendlich viele Primzahlen gibt, doch ist es bis heute ein Geheimnis, ob es unendlich viele Primzahlzwillinge gibt. Vielleicht hören diese Paare irgendwann einmal auf; auf jeden Fall werden sie immer seltener, je größer die Zahlen werden. Interessant ist die Struktur der Primzahlen auch, weil sie Zusammenhänge zu anderen Gebieten der Mathematik aufzeigen. So hat der deutsche Mathematiker Bernhard Riemann 1859 eine Vermutung aufgestellt, welche die Nullstellen der sogenannten Zetafunktion betrifft. Bis heute konnte diese Vermutung nicht bewiesen werden. Ist sie richtig, so kann man daraus weitreichende Rückschlüsse über die Verteilung der Primzahlen ziehen. Deren Bedeutung lässt sich erahnen, wenn man erfährt, dass das Clay Mathematics Institute in den Vereinigten Staaten eine Million Dollar für einen Beweis der Riemannschen Vermutung ausgelobt hat.
Bei Parkers Buch begegnen uns weitere Zahlen mit gefühlvollen Namen: narzisstische Zahlen, vollkommene Zahlen, befreundete Zahlen, aber auch die sogenannten normalen Zahlen. Letztere sind Zahlen, bei denen jeder Ziffernblock in den Nachkommastellen gleich häufig auftritt. Vermutlich sind fast alle Zahlen normal, obwohl man dies bisher für kaum eine Zahl explizit zeigen konnte. Anschaulich heißt dies, dass jede Ziffernfolge in fast allen Zahlen zu finden ist. Das kann Ihr Geburtsdatum sein oder auch der gesamte "Zauberberg", wenn man dessen Text in einen Zahlencode übersetzt. Kein Wunder, dass Parker bei diesen Dingen aus dem Häuschen gerät. Natürlich spukt hier der Begriff des Unendlichen herein, der wie kaum ein anderer für Verwirrung und Faszination sorgt.
Trotz des Titels dreht sich das Buch um viel mehr als um Zahlen. So geht es um die Bedeutung von Algorithmen, die Funktionsweise von Computern und die Geometrie in drei, vier und höheren Raumdimensionen. Der Autor stellt den optimalen Algorithmus für die Aufgabe vor, den optimalen Lebenspartner zu finden (traditionell auch als "Heiratsproblem" bekannt). Er beschreibt, wie man 10 000 Dominosteine so aufstellen muss, dass sie beim Umwerfen wie ein Schaltkreis in einem Computer funktionieren und zum Beispiel in der Lage sind, 6 und 4 zu addieren. Dieser Dominocomputer wurde bei einer Show publikumswirksam realisiert und mit gebührendem Beifall bedacht, als sich nach dem Umwerfen tatsächlich das Ergebnis 10 einstellte. Zum Aufbau der Steine benötigt man allerdings mehrere Stunden.
Eine besondere Liebe hat der Autor zur Geometrie entwickelt. Er beschreibt nicht nur die fünf bekannten Platonischen Körper in unseren normalen drei Raumdimensionen, sondern auch deren Verallgemeinerungen in höheren Dimensionen. So bewies etwa der heute weitgehend vergessene schweizerische Mathematiker Ludwig Schläfli um 1850, dass es in vier Dimensionen einen Platonischen Körper mehr gibt, den sogenannten Hyperdiamanten. Wir erfahren auch, wie man einen vierdimensionalen Würfel konstruiert und warum Monster in vier Dimensionen keine Schnürsenkel binden können. Wer jemals dachte, Mathematik sei trocken und habe keinen Bezug zum Leben, wird eines Besseren belehrt. Parkers Buch ist für die meisten Leser keine Bettlektüre, außer einer Bereitschaft zum konzentrierten Mitdenken sollte man auch Lust zur Mitarbeit verspüren und sich mit Stiften, Papier und Dominosteinen ausstatten. Vielleicht stellen sich die Gefühle dann von selbst ein.
CLAUS KIEFER
Matt Parker: "Auch Zahlen haben Gefühle".
Aus dem Englischen von Bernd Schuh und Monika Niehaus. Rowohlt Verlag, Reinbek 2015. 496 S., geb., 24,95 [Euro].
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