Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 6,95 €
  • Gebundenes Buch

Die grundgesetzlich gewährleistete Befugnis, im Wege einer Verfassungsbeschwerde durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen, ob bei Souveränitätstransfers im Rahmen der europäischen Integration die grundgesetzliche Substanz nicht Schaden nimmt, scheint gerade im Zusammenhang mit dem Lissabon-Vertrag eine besondere politische Dimension erlangt zu haben. Die vorliegende Dokumentation vermittelt jene Tatsachen, Kommentare und Hintergründe, die von den amtlichen Trägern der politischen Willensbildung und der europäischen Integration entweder ignoriert oder der Öffentlichkeit…mehr

Produktbeschreibung
Die grundgesetzlich gewährleistete Befugnis, im Wege einer Verfassungsbeschwerde durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen, ob bei Souveränitätstransfers im Rahmen der europäischen Integration die grundgesetzliche Substanz nicht Schaden nimmt, scheint gerade im Zusammenhang mit dem Lissabon-Vertrag eine besondere politische Dimension erlangt zu haben. Die vorliegende Dokumentation vermittelt jene Tatsachen, Kommentare und Hintergründe, die von den amtlichen Trägern der politischen Willensbildung und der europäischen Integration entweder ignoriert oder der Öffentlichkeit vorenthalten werden. Die europäische Einigung wird nicht gelingen ohne mehr Öffentlichkeit: Die Dokumentation soll deshalb dazu beitragen, sich ein eigenständiges Urteil zu erlauben, welche Chancen und Risiken aber auch welche Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit gesetzt sind, um als Hüter der Verfassung gerade im Prozess der europäischen Integration zu fungieren.
Autorenporträt
Professor Dr. jur. Dr.-Ing. E.H. Dieter Spethmann, geboren 1926 in Essen, wurde nach dem Studium der Volkswirtschaft und Rechtswissenschaft in Kiel, Bonn und Köln und beiden juristischen Staatsprüfungen 1958 Leiter der Finanz- und Beteiligungsabteilung der August Thyssen-Hütte AG, 1962 Vorstandsmitglied der Handelsunion AG, 1964 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Edelstahlwerke AG und 1970 Vorstandsmitglied der August Thyssen-Hütte AG (seit 1977 Thyssen AG), deren Vorstandsvorsitzender er von 1973 bis 1991 war. Seitdem ist er Rechtsanwalt in Düsseldorf und Mitglied mehrerer Aufsichtsräte im In- und Ausland. An der Hochschule St. Gallen hält er Gastvorlesungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.04.2010

Denn sie werden es wieder tun
Der Kampf um den Lissabon-Vertrag geht weiter

Die aktuellen Diskussionen über eine europäische Wirtschaftsregierung, europäische Steuern oder einen europäischen Währungsfonds erwecken den Eindruck, es habe das "Lissabon-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts nie gegeben. Zwar hat Karlsruhe den Lissabon-Vertrag als solchen nicht für verfassungswidrig erkannt; wohl aber Begleitgesetze, welche die Beteiligungsrechte von Bundestag und Bundesrat zu wenig achteten. Die Verfassungsrichter haben zudem deutlich restriktive Maßgaben für die verfassungskonforme Auslegung und Handhabung des Vertrags selbst aufgestellt.

Diese Warnsignale und Stoppzeichen aus Karlsruhe lohnt es, genau zu studieren. Denn Markus C. Kerber, Dieter Spethmann, Joachim Starbatty oder Franz Graf Stauffenberg dürften wieder klagen, wenn sie Demokratie und Subsidiarität verletzt oder das "Bail out"-Verbot im europäischen Recht umgangen sehen. Die vier Kläger haben jetzt eine umfangreiche Dokumentation ihres "Kampfes" um den Lissabon-Vertrag vorgelegt. Den größten Teil nehmen die offiziellen Schriftstücke ein: die Verfassungsbeschwerde der vier, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juni 2009, die erneute Klage gegen die im Eiltempo geänderten Begleitgesetze und deren Ablehnung durch das Gericht im September 2009.

Ergänzt werden die größtenteils auch für Nichtjuristen verständlichen, politisch brisanten und rechtlich auch die Zukunft bindenden Texte durch drei kurze Beiträge der vier Kläger. Markus C. Kerber fasst die wesentlichen Beweggründe des Verfassungsgerichts zusammen und geht mit der deutschen Politik selbst ins Gericht. Die Selbstentmündigung des Parlaments, die das Gerichtsurteil verhindern wollte, habe sich auch und gerade beim Versuch des Parlaments gezeigt, nach flüchtiger und oberflächlicher Beratung die Begleitgesetze rasch verfassungskonform zu machen.

Besonders wird die Rolle des Europaausschusses kritisiert, der dazu diene, als faktischer Treuhänder der Bundesregierung europäische Integration am parlamentarischen Willensprozess vorbeizulenken. Am Verfassungsgericht selbst wird kritisiert, dass es die Bundesregierung nicht verpflichtet habe, die Ratifikation des Vertrags mit einem völkerrechtlichen Vorbehalt zu versehen. Nun bestehe die Gefahr, dass eine extensive Auslegung des Lissabon-Vertrags etwa durch den Europäischen Gerichtshof in Widerspruch zur restriktiven Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht gerate.

Dieter Spethmann und Joachim Starbatty bemängeln, dass das Verfassungsgericht sich geweigert habe, die schon letztes Jahr erkennbare Problematik der Europäischen Währungsunion vor dem Hintergrund der Maßstäbe seines eigenen Maastricht-Urteils zu behandeln. Aus der erhofften Stabilitätsgemeinschaft sei offensichtlich die befürchtete Haftungsgemeinschaft geworden. Es wird daran erinnert, dass damals das Bundesverfassungsgericht als Ultima Ratio bei einem Scheitern des Euro-Projekts auch eine "Lösung aus der Gemeinschaft" für rechtens hielt.

Graf Stauffenberg schließlich stellt fest, dass deutsche Politiker die Tragweite des Karlsruher Urteils "nicht verstanden haben und nicht verstehen wollen". An derlei Ignoranz drohe der Rechtsstaat zu zerbrechen. Der Kampf um eine verfassungsrechtlich korrekte, aber auch wirtschaftspolitisch vernünftige Integration Europas geht weiter. Hierfür werden die vier Kläger und Autoren dieses Bandes schon sorgen. Die Politik sei gewarnt: Sie werden es wieder tun.

MICHAEL WOHLGEMUTH

Der Verfasser ist Mitarbeiter am Eucken-Institut in Freiburg.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr