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Kann Töten gerechtfertigt sein? Gibt es moralische Gründe, die einen Krieg, zum Beispiel als Verteidigungskrieg, notwendig erscheinen lassen und dadurch legitimieren? Mit diesen Fragen beschäftigt sich James McMahan in seinem Buch, das nun auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Darin werden die klassischen Theorien über gerechte oder ungerechte Kriege genau analysiert und einer kritischen Prüfung unterzogen. Mit einer Reihe von klar vorgestellten und nachvollziehbaren Argumenten und Gegenargumenten zeigt McMahan, welche Probleme sich beim Nachdenken über Gut und Böse im Krieg auftun und wie…mehr

Produktbeschreibung
Kann Töten gerechtfertigt sein? Gibt es moralische Gründe, die einen Krieg, zum Beispiel als Verteidigungskrieg, notwendig erscheinen lassen und dadurch legitimieren? Mit diesen Fragen beschäftigt sich James McMahan in seinem Buch, das nun auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Darin werden die klassischen Theorien über gerechte oder ungerechte Kriege genau analysiert und einer kritischen Prüfung unterzogen. Mit einer Reihe von klar vorgestellten und nachvollziehbaren Argumenten und Gegenargumenten zeigt McMahan, welche Probleme sich beim Nachdenken über Gut und Böse im Krieg auftun und wie man diesen - auf Grundlage philosophischen Nachdenkens und Analysierens - begegnen kann. Das Buch berührt dabei auch eine hoch aktuelle gesellschaftliche Debatte, die unter anderem angesichts der militärischen Interventionen im Irak oder in Afghanistan mit Leidenschaft geführt wird und zu den zentralen Fragen der Gegenwart gehört.
Autorenporträt
Jeff McMahan, geb. 1954, ist Professor für Philosophie an der Rutgers University, New Brunswick, NJ, USA. Zahlreiche Veröffentlichungen, insbesondere zu Fragen der normativen und praktischen Ethik.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.04.2011

An der politischen
Realität vorbei
Wie verlässlich ist die Heimatfront? Jeff McMahan
polemisiert gegen das Töten in ungerechten Kriegen
Kann Töten gerecht sein? In Afghanistan? Im Irak? In Libyen? Die Debatte über Krieg und Ethik hat erneut Konjunktur im Westen, seit Gaddafis Regime begonnen hat, Krieg gegen das eigene Volk zu führen. Frankreich, Großbritannien und zu Beginn auch die Vereinigten Staaten haben sich entschieden, militärisch in den libyschen Bürgerkrieg einzugreifen. Deutschland war dagegen. Wer hat recht? Berlins oder Europas und Amerikas neue Koalition der Willigen? Und kann Töten im Krieg überhaupt gerecht sein? Diese Fragen stellt sich Jeff McMahan in einer grundlegenden Studie. Der an der Rutgers University in New Brunswick, New Jersey, lehrende amerikanische Moralphilosoph scheint wie geboren zum Kronzeugen all derer, die Krieg an sich für ungerecht und unmoralisch halten.
McMahan stellt die These auf, dass es für die meisten Menschen unvorstellbar sei, einen anderen Menschen vorsätzlich zu töten. Selbst das Töten „in bester Absicht“ – die freiwillige aktive Sterbehilfe beziehungsweise das Töten auf Verlan-gen einer Person, die ihr Leben nicht mehr erträgt – sei von den meisten Religionen und in fast allen Rechtssystemen der Welt unter Strafe gestellt und verboten. Doch sobald sich eine Situation ergebe, auf die das Wort „Krieg“ passe, lösten sich die Skrupel in Luft auf, und das Töten von Menschen scheine kein schreckliches Verbrechen mehr zu sein, sondern avanciere stattdessen zu einer Heldentat. Man gehe allgemein davon aus, dass mit Kriegsbeginn zahlreiche Regeln in Kraft treten, welche die Menschen davon in Kenntnis setzen, wessen Tötung Anerkennung verdient und bei wessen Tötung es sich auch weiterhin um Mord handelt. Der vorherrschenden Ansicht nach unterliege das Töten im Krieg anderen moralischen Prinzipien als denen, die das Töten in den anderen Lebenszusammenhängen regeln.
All dies zieht McMahan in Zweifel. Mit seinem Essay will er die angeblich allgemein akzeptierte Meinung zum Töten im Krieg in Frage stellen. Obwohl er sich bewusst ist, dass „man von einem philosophischen Buch nicht erwarten kann, dass es irgendeinen nicht vernachlässigbaren Einfluss auf das Denken der Allgemeinheit nimmt“, hat er es gleichwohl in der Hoffnung verfasst, es möge ein neuerliches Nachdenken über Überzeugungen auslösen, die sich verfestigt und eine selbstgefällige Haltung zum Töten im Krieg befördert hätten. Denn dadurch falle es Regierungen leichter, ihre Länder in ungerechte Kriege zu stürzen. Zu diesen Überzeugungen zählt McMahan auch die Ansicht, dass die moralische Verantwortung für das unrechtmäßige Töten, das mit der Austragung eines ungerechten Krieges einhergeht, ausschließlich bei den politischen Führern liegt, welche die Entscheidung, in den Krieg zu ziehen, gefällt haben.
Dem entgegnet McMahan, dass politische Führer überhaupt nicht in der Lage seien, sehr viele Menschen zu töten, ohne das Einverständnis und die Komplizenschaft all jener, die diesem Töten eine Begründung verschaffen, es bezahlen und ausführen. Eben weil dies in der Tat so ist, geht McMahans grundsätzliche Kritik an der angeblich weit verbreiteten Haltung zum Töten im Krieg an der politischen Realität der Gegenwart vorbei – zumindest bezogen auf den Großteil der westlichen Demokratien. Zwar haben auch Regierungen demokratischer Staaten bereits Waffengänge ohne einen legitimen Grund begonnen – McMahan spricht hier von „ungerechten“ Kriegen. Aber sie halten diese Waffengänge in der Regel nicht lange durch. Der Fall Irak ist dafür das prägnanteste Beispiel der vergangenen Jahre: Nachdem nicht nur die Verluste der Amerikaner nach dem offiziellen Kriegsende 2003 von Jahr zu Jahr stiegen, zwang innenpolitischer Druck Europas Demokratien zum Rückzug ihrer Truppen aus dem Zweistromland.
McMahans Wissen nach „ging man in allen Kulturen zu allen Zeiten in der Regel davon aus, dass es nicht nur erlaubt, sondern sogar gut, ehrenwert und heroisch sei, sich an einem Krieg zu beteiligen, selbst wenn es sich bei diesem um einen ungerechten handelte“. Doch dieses „Wissen“ deckt sich nicht erst seit dem Irak-Desaster der Vereinigten Staaten kaum mit der Realität der westlichen Mi-litärgeschichte. Schon der Feldzug in Vietnam scheiterte an der nachlassenden Unterstützung an der amerikanischen Heimatfront. Hier galt es eben nicht als „gut, ehrenwert und heroisch“, die zunehmend als ungerechtfertigt empfundene Intervention in Südostasien weiter mitzutragen.
Zwar haben Demokratien von jeher Krieg geführt. Aber ihre Gesellschaften unterstützen in der Regel nur Waffen-gänge zu ihrer direkten Verteidigung über einen längeren Zeitraum. Operationen hingegen, die eher den Charakter eines Angriffskrieges oder einer Intervention in entlegenen Weltregionen haben, erhalten wenig oder keine Unterstützung. Insofern kritisiert McMahan eine kriegerische Realität, die auch in der Ära der „humanitären Interventionen“ seit dem Ende des Kalten Krieges kaum Bestand hatte und meist in einem fatalen Kreis-lauf endete: Irgendwo auf der Welt kam es zu eklatanten Menschenrechtsverletzungen oder terroristischen Aktivitäten. Die Medien berichteten. Politik und Öffentlichkeit im Westen waren empört. Die Forderung nach einer Intervention wurde laut. Truppen wurden in Marsch gesetzt. Spätestens einige Wochen nach ihrer Ankunft erlahmte das Interesse der Medien. Ihm folgte öffentliches Desinteresse. Parallel stiegen die menschlichen Opfer und finanziellen Kosten des Einsatzes. Die Öffentlichkeit war erneut empört, große Teile der Medien auch. Der Ruf nach einer Rückkehr der Soldaten wurde lauter und lauter.
Um diesen Kreislauf in Zukunft nicht wieder in Gang kommen zu lassen, hat die Nato auf ihrem Lissabonner Gipfel im vergangenen November ein neues strategisches Konzept beschlossen, das sich auf das alte Kerngeschäft des Nordatlantikpakts besinnt: auf den defensiven Schutz der Bündnispartner auf dem Bündnisgebiet – und nicht durch groß angelegte offensive „Nation Building“-Operationen in Übersee, vor denen Washington und Brüssel auch im Fall Libyens zurückschrecken. Die durch Deutschlands Erfahrungen in Afghanistan ernüchterte und wegen ihrer pazifistischen Libyen-Politik viel kritisierte Bundesregierung dürfte das erleichtert zur Kenntnis nehmen – von McMahan ganz zu schweigen, fordert er mit seinem Essay doch die Schaffung einer Wirklichkeit, die es in den meisten Gesellschaften des Westens längst gibt: „Mission accomplished!“ THOMAS SPECKMANN
JEFF MCMAHAN: Kann Töten gerecht sein? Krieg und Ethik. Aus dem Englischen von Axel Walter. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2010. 240 Seiten, 39,90 Euro.
Demokratien halten Interventionen
im Regelfall nicht lange durch –
das war schon im Vietnamkrieg so
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Laut Thomas Speckmann rennt der Autor mit seiner Studie zu Krieg und Ethik offene Türen ein, zumindest in den westlichen Demokratien. Die Frage, ob Töten im Krieg, moralisch zu rechtfertigen sei, meint Speckmann, hätten die Bürger schließlich schon mehrfach mit ihrer Ablehnung von Überseeinterventionen und langfristigen militärischen Engagements für sich beantwortet (siehe Irak). Die Forderung des Moralphilosophen Jeff McMahan, die moralischen Prinzipien des Tötens im Krieg zu überdenken, sei also längst erfüllt.

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