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Ein Tagebuchroman über den Beginn der NS-Zeit. Berlin, April 1933: Der Rechtsanwalt Dr. Johannes Bauer kehrt von einem viermonatigen Urlaub in der Schweiz nach Berlin zurück. Er muß feststellen, daß sich Deutschland während sei ner Abwesenheit stark verändert hat: Der Erlaß neuer Gesetze und Verordnungen sowie die Omnipräsenz der Nationalsozialisten schaffen eine zuvor nicht gekannte Atmosphäre der Gewalt und Bespitzelung. Die radikale Unterscheidung von Ariern und Juden schlägt eine Schneise durch die Bevölkerung. Schockiert ist Bauer, als er bei der Durchsicht seiner Familiendokumente…mehr

Produktbeschreibung
Ein Tagebuchroman über den Beginn der NS-Zeit. Berlin, April 1933: Der Rechtsanwalt Dr. Johannes Bauer kehrt von einem viermonatigen Urlaub in der Schweiz nach Berlin zurück. Er muß feststellen, daß sich Deutschland während sei ner Abwesenheit stark verändert hat: Der Erlaß neuer Gesetze und Verordnungen sowie die Omnipräsenz der Nationalsozialisten schaffen eine zuvor nicht gekannte Atmosphäre der Gewalt und Bespitzelung. Die radikale Unterscheidung von Ariern und Juden schlägt eine Schneise durch die Bevölkerung. Schockiert ist Bauer, als er bei der Durchsicht seiner Familiendokumente feststellen muß, daß seine Großmutter jüdischer Abstammung war. Nach den Rassengesetzen der Nazis gilt Johannes Bauer damit als Jude und dürfte unter anderem nicht mehr als Anwalt tätig sein. Seine Freundin Karin unterhält gute Kontakte zu Carl Adriani, einem hochrangigen und einflußreichen NS-Funktionär. Adriani könnte Bauer einen »Ariernachweis« verschaffen, doch Johannes Bauer wird schnell klar, daß er für die ses Papier einen hohen - nicht nur finanziellen - Preis zahlen müßte. Der Autor hat historische Ereignisse zusammengezogen, um seinen Roman zu verdichten. Es ging ihm nicht um historische Genauigkeit, sondern um die Atmosphäre, die er in den ersten Jahren der Nazi-Herrschaft am eigenen Leib erfuhr; er war 1935 noch einmal nach Berlin zurückgekehrt, um einem Freund zu helfen, der im Gefängnis saß.
Autorenporträt
Felix Jackson (1902 als Felix Joachimson in Hamburg geboren) arbeitete in den 1920er Jahren als Journalist für den Berliner Börsen Courier. Später wurde er ein erfolgreicher Bühnenautor (»Fünf von der Jazzband«, »Wie werde ich reich und glücklich«). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte er nach Österreich und Ungarn und verfaßte Filmdrehbücher, hauptsächlich für Hermann Kosterlitz (Henry Koster). 1936 ging er in die USA, setzte seine Tätigkeit als Drehbuchautor fort (»Destry Rides Again«) und wurde Produzent, zuletzt für das amerikanische Fernsehen. »Berlin, April 1933« war sein dritter Roman, er erschien 1980 unter dem Titel »Secrets of the Blood« in den USA. 1992 starb Jackson in Camarillo, Kalifornien. Die deutsche Übersetzung erschien zuerst 1993 im Alano-Verlag, Aachen, und wird nun nach 25 Jahren wieder zugänglich gemacht, nicht ganz ohne Gedanken an gegenwärtige beunruhigende Entwicklungen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.08.2018

Flut der Barbarei
„Berlin, April 1933“: Felix Jackson erzählt Terror, Angst und Überleben
Ende der Dreißigerjahre verwandelte sich der 1902 in Hamburg geborene Drehbuchautor, Komponist und Kritiker Felix Joachimson in den amerikanischen Filmproduzenten und Romancier Felix Jackson. Die Amerikanisierung geschah nicht freiwillig; die Zeitumstände ließen keine Wahl. Zuerst floh Joachimson vor den Nazis nach Österreich und Ungarn, wo er mit dem Produzenten Joe Pasternak und dem Regisseur Henry Koster zusammenarbeitete. Schließlich emigrierte er in die USA. In Hollywood begann er sein neues Leben und im Gegensatz zu vielen anderen Exilanten konnte er dort reüssieren. Jackson war sogar äußerst erfolgreich, stieg beim neuen Leitmedium Fernsehen auf bis zum Vizeprogrammchef von NBC an der Westküste. Nebenbei veröffentlichte er drei Romane, sein letzter erschien 1980: „Secrets of the Blood“.
Dieses Buch kam erstmals 1993, ein Jahr nach Jacksons Tod, in der Übersetzung von Stefan Weidle unter dem Titel „Berlin, April 1933“ auf Deutsch heraus, im Aachener Alano-Verlag. Nun hat Weidle das längst nicht mehr lieferbare Buch in sein eigenes Verlagsprogramm aufgenommen – aus aktuellem Anlass. „Zwar wiederholt sich Geschichte nicht“, schreibt Stefan Weidle in seinem Nachwort, „doch manche ihrer Ungeheuer erheben nach Dezennien erneut das Haupt – zumal wenn die Vernunft schläft. Das geschieht gerade, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Rechtsradikale sind überall auf dem Vormarsch, in Deutschland haben sie es gar ins Parlament geschafft und treiben dort lautstark ihr hetzerisches Unwesen. Damit haben sie immerhin schon erreicht, dass Deutschland ein ‚Heimatministerium‘ bekommt (…). In den USA tobt ein schon beinahe überwunden geglaubter Rassismus, die weiße Plutokratie strebt nach der absoluten Macht. In Syrien findet ein Krieg statt, der Land und Leute vernichtet. Die Grenzen für Flüchtlinge sind inzwischen so dicht wie 1933, als Juden aus Deutschland zu fliehen versuchten.“
Jacksons „Berlin, April 1933“ ist geprägt von Erinnerungen des Emigranten, die allerdings nicht historisch streng, sondern eher verdichtet wiedergegeben werden. Mitte der Dreißigerjahre reiste der Autor noch einmal nach Deutschland, um einem Freund zu helfen, der verhaftet worden war.
In seinem Roman wendet er einen geschickten Kniff an, um die Zeitenwende in ihrer ganzen Drastik zu zeigen: Sein Held, der Jurist Johannes Bauer, kehrt nach einem längeren Erholungsurlaub in der Schweiz ins Reich zurück und kommt so unvermittelt in der neuen Zeit an. Hitler ist inzwischen zum Kanzler ernannt worden. Die Drangsalierung der Opposition und der jüdischen Bevölkerung hat eingesetzt. Vieles, was im Dritten Reich sukzessive geschah, lässt Jackson in wenigen Tagen und Wochen ablaufen: Aus Freunden werden Spitzel; ein in der Kanzlei Bauers angestellter Jude begeht Selbstmord, um den Schikanen der SA-Horden zu entgehen; Kommunisten werden in Lager gesteckt; jeden Tag ergehen neue Anordnungen, die ein von Angst bestimmtes Klima erzeugen; hitlertreue Söhne verraten ihre unvorsichtigen Väter, und Liebschaften zwischen deutschen Christen und Juden werden beendet, um nicht der Rassenschande geziehen zu werden.
Bauers Gemütszustand schwankt angesichts der Veränderungen zwischen Anpassung und Ekel, und er würde sich wahrscheinlich in die innere Emigration begeben, wäre da nicht die Familienhistorie. Bei Durchsicht der Dokumente, die sein reines Ariertum beweisen sollen, stolpert er unerwartet über eine Großmutter jüdischer Abstammung. Das trifft ihn zunächst in seinem doch sehr ausgeprägten Deutschsein; schließlich in seiner gesamten Existenz. Plötzlich empfindet er sich als Fremdkörper innerhalb der gesellschaftlichen Sphären, in denen er sich bislang souverän bewegt hat. Er wird erpressbar, macht sich zum Bittsteller gegenüber Nazigrößen, die im Freundeskreis aus Künstlern und Geschäftsleuten inzwischen ungeniert das Wort führen.
Scham empfindet er angesichts der bestialischen Veränderungen, die sich in Deutschland in kürzester Zeit vollziehen. Und er selber verliert das, was er vielleicht einmal als seine Identität bezeichnet hätte. Seine Freundin Karin ermutigt ihn, sich mit den Verhältnissen und einflussreichen Nazigrößen zu arrangieren. „Ich fühlte mich weit entfernt von ihr. Ich fühlte mich von allen entfernt.“
Jackson erzählt die Geschichte einer sich immer weiter zuspitzenden Entfremdung, eines zunehmenden Misstrauens und einer sich langsam entwickelnden Widerständigkeit in Form von Tagebuchaufzeichnungen – in einfacher Sprache, die Ereignisse mit Staunen, Schrecken und Detailgenauigkeit wiedergibt. Der Vergleich zu einem in diesem Frühjahr von dem Verleger Peter Graf entdeckten und für Aufsehen sorgenden Buch drängt sich auf: Ulrich Alexander Boschwitz’ „Der Reisende“ schildert die Ausweglosigkeit, in die ein einstmals etablierter, deutschnationaler Jude gerät (SZ vom 13. Februar). Boschwitz, der den Roman als Mittzwanziger 1939 in England veröffentlicht hat und nur drei Jahre später ums Leben kam, ist das größere literarische Talent, das Buch ist psychologisch subtiler und erzählerisch überzeugender. Eindringlich sind aber beide Texte, der von Boschwitz unter dem Eindruck der Ereignisse entstandene „Reisende“ ebenso wie Jacksons Jahrzehnte später veröffentlichte Roman.
„Berlin, April 1933“ wirkt trotz der großen zeitlichen Distanz zwischen Erlebnis und Abfassung sehr direkt und bedrängend; man erahnt den versierten, Effekte nicht scheuenden Drehbuchautor. Manche der kurzen Szenen haben geradezu filmischen Charakter; es entsteht eine Atmosphäre der Lähmung und Angst, die Beklemmung erzeugt.
Der Satz, auf den alles zuläuft und der den Roman prägnant zusammenfasst, steht genau in der Mitte. Er bezeichnet den endgültigen Umkehrpunkt im Denken seines Helden: „Die moralischen Prinzipien sind in einer Flut von Barbarei und Mord untergegangen. Jetzt geht es nur noch ums Überleben.“
ULRICH RÜDENAUER
Felix Jackson: Berlin, April 1933. Roman. Aus dem Englischen und mit einem Nachwort von Stefan Weidle. Weidle-Verlag. Bonn 2018. 288 Seiten. 23 Euro.
Der Held, ein Jurist, kehrt nach
längerem Aufenthalt in der
Schweiz ins Reich zurück
Manche Szenen haben geradezu
filmischen Charakter, sie
zeigen die Atmosphäre der Angst
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