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Robert Mohwinkel ist kein Held. Im Gegenteil: Er versucht, wo immer es geht, sich ganz und gar anzupassen. In der Familie, in der Schule, in seiner Ausbildung zum Schiffsmakler im alten Hafen in Bremen, in der Wehrmacht, stets möchte der junge Träumer nicht auffallen und bleibt Mitläufer. Nur beim Tanzen blüht er auf, bleibt aber immer noch allzu steif. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich die Zeiten geändert haben und Duckmäuser alter Schule nicht mehr gefragt sind, wacht er auf. Doch selbst diesmal macht er es nicht wirklich richtig

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Produktbeschreibung
Robert Mohwinkel ist kein Held. Im Gegenteil: Er versucht, wo immer es geht, sich ganz und gar anzupassen. In der Familie, in der Schule, in seiner Ausbildung zum Schiffsmakler im alten Hafen in Bremen, in der Wehrmacht, stets möchte der junge Träumer nicht auffallen und bleibt Mitläufer. Nur beim Tanzen blüht er auf, bleibt aber immer noch allzu steif. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich die Zeiten geändert haben und Duckmäuser alter Schule nicht mehr gefragt sind, wacht er auf. Doch selbst diesmal macht er es nicht wirklich richtig
Autorenporträt
Rudolf Lorenzen wurde am 1922 in Lübeck geboren und wuchs in Bremen auf. Dort besuchte er das Realgymnasium und machte eine Ausbildung zum Schiffsmakler. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs studierte er Grafik und arbeitete anschließend in der Werbebranche. Seit 1955 lebt er als freier Schriftsteller in Berlin, der neben Romanen - "Alles andere als ein Held" (1959), "Die Beutelschneider" (1962), "Bad Walden" (1981, Neubearbeitung 2009), "Cake walk oder Eine katalanische Reise in die Anarchie" (1999) und "Ohne Liebe geht es auch" (2010) - und Erzählungen vor allem zahlreiche Arbeiten für Hörfunk und Fernsehen geliefert hat. Anfang der 60er-Jahre hat er eine Einladung der Gruppe 47 abgelehnt, er war und bleibt literarischer Einzelgänger. Im Verbrecher Verlag erschien zuletzt: "Die Hustenmary. Berliner Momente" (2012).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.02.2002

Ein Umstandskrämer als Artist
Zu Unrecht vergessen: Rudolf Lorenzens Geschichte eines Blauäugigen

In der Literaturgeschichte der deutschen Nachkriegszeit gilt 1959, prominent markiert, aber nicht unbedingt repräsentiert, durch die "Blechtrommel" und "Billard um halbzehn", als ein Schlüsseljahr. Da sei "die bundesrepublikanische Gegenwart schon rein quantitativ zum zentralen Thema" des Romans geworden, von der "rühmlichen Ausnahme" Koeppen einmal abgesehen, gleichzeitig sei mit Grass und Böll der "ästhetische Sprung" gelungen. Die politisch korrekte Mißbilligung einer vorzeitigen Abwendung von der Vergangenheit bei verdruckster Rechtfertigung des ästhetisch Arrivierten erweist sich an Rudolf Lorenzens ebenfalls 1959 erschienenem Roman "Alles andere als ein Held" als ignorante Peinlichkeit. Denn anders als sein Generationsgenosse Wolfgang Borchert, dessen Stück über die, die zurückkamen, ohne nach Hause zu gelangen, sich samt seinem frühen Tod sentimental verklären ließ, kommt der am 5. Februar 1922 geborene Erzähler in der Literaturgeschichte nicht vor. Haffners Erwägung, ob das Buch nicht vielleicht "der beste Roman irgendeines heute lebenden deutschschreibenden Autors" sei, hat die Germanistik nicht erreicht.

Der Text erhebt allerdings in Inhalt und Form keinen Anspruch auf Superlative. Die Handlung ist in irritierender Detailliertheit auf einen Durchschnittsmenschen konzentriert, auf Robert Mohwinkel, der trotz seiner blonden Haare und seiner wäßrigblauen Augen auch "Mohrchen" genannt wird. Im Jahr 1933 geht er wie sein Autor auf das Gymnasium, und mit diesem Datum beginnt eine Schilderung, die persönliche und politische Geschichte so unspektakulär wie raffiniert verknüpft.

Robert ist ein Duckmäuser, der aber trotz seiner Beflissenheit in Schule und Hitlerjugend immer wieder in Konflikte gerät, denn es ist "im Jahre 1933 nicht modern, ängstlich zu sein". Sein übertriebener Untertanengeist führt ihn jedoch paradoxerweise aus dem Zwang zur Kameraderie heraus. Als Lehrling bei einem Bremer Schiffsmakler entwickelt er ein eigensinniges treudeutsches Pflichtgefühl, seine gesellschaftliche Anerkennung aber holt sich der Junge in der Tanzschule. In dieser Banalidylle wirkt der Kriegsausbruch störend. Robert kommt an die Ostfront, aber auch im Felde bewährt sich sein serviler Charakter: "Er konnte sicher sein, wenn in der ganzen Division nur ein einziger Mann für einen Sonderdienst gebraucht wurde, daß man ihn auswählen würde." So kommt er nie in gefährliche Situationen und kann aufkommende Zweifel am Sinn des Krieges leicht unterdrücken.

Als Robert aus dem Krieg zurückkommt, hat er nur Sorge, an sein altes Leben anzuknüpfen. Die alten Bekannten wiederzufinden ist nicht leicht: "Sie waren fortgezogen oder tot." Er geht zur Tanzschule, wo es jetzt Frauenüberschuß gibt. Seine Ordnungsliebe, zuvor schon belächelt, steigert sich in den Augen seiner Kollegen zur Verrücktheit. Aber dann taucht seine frühere Flamme Ilse Meyerdierks wieder auf. Nur sie gibt ihm Selbstbestätigung. So kann er mit der Erkenntnis leben, daß er sein Leben lang gedemütigt wurde. Das setzt sich fort, als seine Firma ihn nach Frankreich abschiebt, wo er als Tallyman im Hafen von Marseille zum Proletarier absteigt. Er erträgt auch das, ja er macht sich, so gut es geht, mit Ilse ein gutes Leben mit Tanz und Wein in schäbigen Tavernen. Als aber das Geld nicht mehr reichen will, wird er auf die Möglichkeiten seiner Position aufmerksam gemacht. Den Betrug übt er nun in gewohnheitsmäßiger Pedanterie aus und kommt zu einem Vermögen, mit dem er sich in Lübeck als Reeder niederläßt.

Ein Anpasser mit Neigung zur miesen Liebesgeschichte bleibt er, aber in die bundesrepublikanische Verdrängungsmentalität fügt er sich nicht. Er hat ein schlechtes Gewissen und dazu den Groll, daß sein ermogelter Aufstieg nicht einmal von der eigenen Mutter anerkannt wird. Jedoch ist ein wenig südfranzösische Lebensart an ihm hängengeblieben. Die Demütigungen lassen sich um des schönen, mittelmäßigen und gar nicht mehr arbeitsamen Lebens willen ganz gut ertragen.

Lorenzens Erzähler führt seinen Antihelden mit dem Gleichmut des Umstandskrämers in staunenswerter stilistischer Sicherheit zu einem halben, gleichwohl rührenden Triumph des unverfügbaren Individuums. Er ist stets bei ihm, aber er weiß und sieht jeweils gerade so viel mehr, daß in der Diskrepanz der Wahrnehmung ein hinterhältiger Humor zum Ausdruck kommt. "Alles andere als ein Held" ist eine deutsche Geschichte in romanischer Manier, mit der sich Lorenzen als Romancier von europäischem Rang zeigt - mag das den Literaturhistorikern auch noch lange verborgen bleiben.

FRIEDMAR APEL

Rudolf Lorenzen: "Alles andere als ein Held". Roman. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2002. 624 S., geb, 26,- .

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.03.2002

Ein blödes Volk
Rudolf Lorenzens Rückkehr
Haben wir eines der wichtigsten Werke der deutschen Nachkriegsliteratur jahrzehntelang übersehen? Die Hymne, die Sebastian Haffner 1965 in der Februarnummer von „Konkret” anstimmte, verhallte ungehört. Sonst müssten wir Rudolf Lorenzen heute in einem Atemzug mit Günter Grass nennen, und sein 1959 publizierter Roman „Alles andere als ein Held” würde in den Bücherschränken der gebildeten Stände neben der im selben Jahr erschienenen „Blechtrommel” stehen. Außer Grass sah Haffner damals „unter den lebenden Deutschen keinen Konkurrenten” für Lorenzen, dessen literarische Aufarbeitung von Nazizeit, Weltkrieg und Wirtschaftswunder ihm im Vergleich sogar „genauer, vertrauenswürdiger und einleuchtender” schien. Vor kurzem feierte der Autor, der in Lübeck geboren wurde, ein Vierteljahrhundert in Bremen verbrachte und seit 1955 in Berlin lebt, seinen achtzigsten Geburtstag. Für einen Frankfurter Verlag war das der Anlass, jenes Antihelden-Epos neu herauszubringen, über das sich beim ersten Erscheinen gewisse Kreise echauffierten und andere mild amüsierten, dessen satirische und eigensinnig poetische Qualitäten jedoch, man wird sehen, vielleicht erst jetzt gewürdigt werden können.
Der Roman war hervorgegangen aus der autobiographischen Erzählung „Der junge Mohwinkel”, mit der Rudolf Lorenzen 1957 den Erzählerpreis der Süddeutschen Zeitung gewonnen hatte. Robert Mohwinkel, zu großen Teilen identisch mit seinem Erfinder, stammt aus bescheidenen Bremer Verhältnissen, scheitert im Gymnasium, fliegt wegen mangelnden Engagements aus der Hitlerjugend und absolviert eine Schiffsmaklerlehre, übersteht Krieg und Gefangenschaft mit unheldischen Tricks und findet nach seiner Heimkehr keinen Karriere-Anschluss, weil die Tugenden, die man ihm anerzogen hat – Unauffälligkeit, Fleiß, penible Korrektheit und ausgeprägtes Vermeidungsverhalten – im nachkriegsdeutschen Aufbruchsfieber nichts gelten. Im Unterschied zu Lorenzen, der dann als Grafiker und Schriftsteller die künstlerische Laufbahn einschlug, unterläuft Mohwinkel das Wirtschaftssystem, von dem er sich desavouiert fühlt, mit systemimmanenten Mitteln: Von seiner Bremer Firma unter falschen Versprechungen nach Frankreich abgeschoben und als Tallymann im Hafen von Marseille notgelandet, setzt er seine Fähigkeiten zum eigenen Vorteil ein und ergaunert ein kleines Vermögen, mit dem er sich in Lübeck als Reeder niederlässt. Am Ende liegt er mit seiner hübschen Haushälterin im Bett und genießt das Gefühl, dass es „nichts, überhaupt nichts mehr gäbe, worüber er unglücklich sein müßte”.
Provinzposse, Kriegssatire
Eine unspektakuläre Geschichte, die zunächst wirkt, als sei sie ohne jede literarische Ambition erzählt. Ein zeitgenössischer Rundfunkrezensent, offenbar geschädigt von den Zumutungen der Avantgarde, ordnete Rudolf Lorenzen wohlwollend den „Aprèsgardisten” zu, die von der Kritik zu Unrecht missachtet würden, weil sie Bücher „zum Lesen” schrieben. Ob der dickleibige Roman heutigen Kriterien der Lesbarkeit entspricht, sei dahingestellt: Es erfordert Geduld und ein geschärftes Sensorium, in dem hinterhältig harmlosen, behäbig banalen Ton, der völlig bilderfreien Sprache und buchhalterischen Detailversessenheit des Verfassers bewusst eingesetzte Stilmittel für die Darstellung einer epochalen deutschen Befindlichkeit zu erkennen. Mohwinkel ist das personifizierte Mittelmaß, ohne ein „Mitläufer” zu sein; er übt passive Verweigerung, ohne an aktiven Widerstand auch nur im Traum zu denken, und er entzieht sich dem nationalsozialistischen Heldenwahn nicht aus politischer Überzeugung, sondern weil er Einschränkungen seines Wohlbefindens befürchtet. Weit davon entfernt, die Strukturen von Macht und Gewalt zu durchschauen, weicht er instinktiv allem aus, was seinen bescheidenen Individualismus bedroht. Das macht ihn immun gegen ideologische Vereinnahmung, aber auch gegen moralische Reflexion und lässt ihn so sympathisch wie suspekt erscheinen.
Das Milieu, das diese Mentalität hervorbringt und nährt, schildert Lorenzen mit stupender Präzision und einer leisen, sehr norddeutschen Ironie. Die Hansestadt Bremen, deren geistige Ödnis dem Autor schwer zugesetzt haben muss, erweist sich als perfekte Kulisse für ein Spießer-Theater, in dem die Eltern Mohwinkel tragende Rollen spielen und die Belegschaft der Schiffsmakler- Firma Christiansen eine trefflich trostlose Statisterie abgibt. Als Robert an die Front zieht, mutiert die Provinzposse zur pechschwarzen Kriegssatire, ohne dass der Erzählgestus sich verändert. Was der junge Bremer auf seinem Russlandfeldzug erlebt und beobachtet, fasst er in einem sibirischen Gefangenenlager in die unvergesslichen Worte: „Was sind wir doch für ein blödes Volk.” Um die unheroischen Konsequenzen aus dieser Einsicht zu ziehen, bedarf es der Infiltration französischer Lebensart im Nachkriegs-Exil, und auch für jene sanfte Wandlung Mohwinkels taugt der knochentrockene Ton, mit dem Rudolf Lorenzen seine Leser auf dem Boden der Tatsachen und die Komik knapp unter der Oberfläche hält. Man muss nicht, wie Sebastian Haffner, Vergleiche mit Dickens oder Tschechov bemühen: Lorenzens „Poesie des Banalen”mit ihrem spröden Phlegma behauptet einen eigenen Rang, und sei es nur als literarische Kuriosität.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
RUDOLF LORENZEN: „Alles andere als ein Held”. Roman. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2002. 622 Seiten, 26 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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"Eine deutsche Geschichte in romanischer Manier, mit der sich Lorenzen als Romancier von europäischem Rang zeigt" (FAZ)
"Ich bin gar nicht sicher, ob 'Alles andere als ein Held' nicht der beste Roman irgendeines heute lebenden deutschschreibenden Schriftstellers ist." (Sebastian Haffner)