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Ein Höhenflug über den Rand der Hölle: eine Fabel von Luftschiffen, Sprengstoff und verlorenen Illusionen!
"Gegen den Tag umspannt den Zeitraum zwischen der Weltausstellung in Chicago 1893 und den Jahren kurz nach dem Ersten Weltkrieg und führt von den Arbeiterunruhen in Colorado über das New York der Jahrhundertwende, London und Göttingen, Venedig und Wien, den Balkan, Zentralasien, Sibirien zur Zeit des Tunguska-Ereignisses und Mexiko während der Revolution ins Paris der Nachkriegszeit, Hollywood während der Stummfilmära und an ein, zwei Orte, die auf keiner Landkarte zu finden sind.…mehr

Produktbeschreibung
Ein Höhenflug über den Rand der Hölle: eine Fabel von Luftschiffen, Sprengstoff und verlorenen Illusionen!
"Gegen den Tag umspannt den Zeitraum zwischen der Weltausstellung in Chicago 1893 und den Jahren kurz nach dem Ersten Weltkrieg und führt von den Arbeiterunruhen in Colorado über das New York der Jahrhundertwende, London und Göttingen, Venedig und Wien, den Balkan, Zentralasien, Sibirien zur Zeit des Tunguska-Ereignisses und Mexiko während der Revolution ins Paris der Nachkriegszeit, Hollywood während der Stummfilmära und an ein, zwei Orte, die auf keiner Landkarte zu finden sind. Während sich die weltweite Katastrophe schon am Horizont abzeichnet, beherrschen hemmungslose kapitalistische Gier, falsche Religiosität, tiefe Geistlosigkeit und böse Absichten an hohen Stellen das Bild. Derweil treibt Thomas Pynchon sein Spiel. Figuren unterbrechen ihr Tun, um größtenteils alberne Liedchen zu singen. Seltsame und abseitige Sexualpraktiken werden ausgeübt, obskure Sprachen gesprochen, und das nicht immer idiomatisch richtig. Kontrafaktische Ereignisse finden statt. Vielleicht ist dies nicht die Welt, aber mit ein, zwei kleinen Änderungen könnte sie es sein."
Autorenporträt
Thomas Pynchon wurde 1937 in Long Island geboren. Sein einziger öffentlicher Auftritt fand 1953 an der Oyster Bay High School in Long Island statt. Er studierte Physik und Englisch an der Cornell University, später schrieb er für Boeing technische Handbücher und verschwand. Seither sind seine Bücher (u.a. "Die Enden der Parabel"; "V"; "Gegen den Tag") die einzigen öffentlichen Spuren seiner Existenz. Pynchon gilt als einer der bedeutendsten englischsprachigen Schriftsteller der Gegenwart. Er lebt in New York.

Nikolaus Stingl, geb. 1952 in B.-Baden, übersetzte unter anderem William Gaddis, William Gass, Graham Greene, Cormac McCarthy und Thomas Pynchon. Er wurde mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Übersetzerpreis, dem Literaturpreis der Landeshauptstadt Stuttgart, dem Paul- Celan-Preis und dem Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW ausgezeichnet.

Dirk van Gunsteren, 1953 geboren, übersetzte u.a. Jonathan Safran Foer, Colum McCann, Thomas Pynchon, Philip Roth, T.C. Boyle und Oliver Sacks. 2007 erhielt er den Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.06.2008

In dunkelloser Nacht
Thomas Pynchons großer Roman „Gegen den Tag”
Was genau ist eigentlich ein „psychorektales Vergnügen” , und wie hängt es zusammen mit „F.I.P.”, der „Faradayisch Induzierten Peristaltik? Und „sollte dabei nicht ein Arzt oder dergleichen anwesend sein?” Willkommen im Reich des Thomas Pynchon, einem echten Gegenangebot zu der Welt, die wir zu kennen glauben. Man mag bei der Lektüre seines 1596 Seiten starken jüngsten Romans gelegentlich am Rande der Erschöpfung oder der Verzweiflung ankommen, aber eines duldet keinen Zweifel: „Gegen den Tag” ist das einzige Buch dieser Jahre, das die Welt, wie sie ist, tatsächlich herausfordert. Und das, obwohl es allerlei krause und kaum zusammenhängende Geschichten aus der Zeit zwischen 1893 und 1914 erzählt. Aber Pynchons Zeit ist nie bloß eine historische „Erzählzeit”, es ist eine Zeit, die sich verzweigt und vervielfältigt. Kontrafakturen, Bilokationen, Zeitreisen und eben das „psychorektale Vergnügen”: in Pynchons Welt ist vieles möglich, was in Welt Eins nicht geht. Aber Pynchon ist, bei aller Jules-Verne-Haftigkeit seines Plots, kein Science-Fiction-Autor. Was ist er dann? Ein dissidenter Mathematiker, ein kapitalismuskritischer Anarcho-Sozialist, jedenfalls ein Großalchimist der Sprachen, Stile, Theorien und Methoden.
Eine Wette gegen die Welt
Bei aller Komplexität und furchterregenden Dicke ist „Gegen den Tag” gar kein so kompliziertes Buch. Natürlich sind 1596-Seiten-Romane (in der vorzüglichen Übersetzung hat der Roman noch mal um 50 Prozent zugelegt) immer eine Frechheit. Aber dieser gehört nicht zu den unlesbaren und auf Unlesbarkeit angelegten Monstren der Modernen – er ist kein „Finnegans Wake” und auch kein „Mann ohne Eigenschaften”. Pynchons Roman, noch einmal erheblich länger als „Mason&Dixon” oder „Gravity’s Rainbow”, hat eine Form. Es ist dies nicht die Form der heute gängigen Kurz- oder Mittelstreckenepik, sondern eher ein Anschluss an vormoderne Erzählformen von Rabelais bis Sterne, in der sich Wissen und Einbildung, Scherze und „alberne Liedchen” (Pynchon) ungestraft begegnen durften.
Ein Spannungsroman ist „Gegen den Tag” bestimmt nicht, denn es gibt in ihm nicht die eine, nach Auflösung drängende Handlung. Stattdessen herrscht ein beinahe unfasslicher (und von der amerikanischen Kritik auch heftig beanstandeter) Überschuss an allem. An Handlung, an Figuren, an Dialogen, an Schauplätzen, an dummen Liedern und abseitigen Sexualpraktiken. „Gegen den Tag” ist, auch rein quantitativ betrachtet, ein „großer” Roman. Er ist, wie Pynchon-Romane seit jeher, „larger than life”. Man hat dem Roman vorgeworfen, dass er in seiner Überfülle bloß den allgemeinen modernen Informationsüberfluss reproduziere. Das allerdings hätten Pynchon und seine Leser billiger haben können. Wenn „Gegen den Tag” so etwas darstellt wie eine Wette gegen die Welt, dann gehört dazu, dass seine Welt, wie die wirkliche Welt, Konfusion und Längen, gelten lässt. Man kann sich auch einmal ein paar zig Seiten mit Pynchon langweilen, wird aber für jede Durststrecke aufs herrlichste entschädigt. Fürs Ganze darf hier wohl das berühmte Mae-West-Diktum gelten, dass „von etwas Gutem zuviel wunderbar” sei.
Handlung gibt es, wie erwähnt, in „Gegen den Tag” überreichlich, nur weiß man nie, ob es tatsächlich um diese Handlung geht. Die Pynchon-Gemeinde weiß, dass die oft sehr gut gelaunte und unterhaltsame Vordergrunds-Handlung nur die Schauseite des Ganzen darstellt. Es geht in „Gegen den Tag” subkutan und manchmal auch ganz manifest um Elektrizität. Auf Seite 1057, auf der auch die „Faradayisch Induzierte Peristaltik” eingeführt wird, sagt ein Arzt namens Dvindler den Satz: „Elektrizität! Die Kraft der Zukunft – denn bald wird sich alles, einschließlich des Èlan vital, als seinem Wesen nach elektrisch erweisen.” Und auch das Motto des Romans weist auf die Licht- und Strom-Motivik. Dort steht das Bonmot des legendären Jazzpianisten Thelonious Monk: „It’s always night, or we wouldn’t need light.”
Und wo von Faraday die Rede ist, ist der Blitz nicht weit. 1908 ist – auch dies ein Schauplatz und Thema des Romans – an der sibirischen Tunguska ein Stein vom Himmel gefallen und hat, so heißt es bei Pynchon, „den Achsen der Schöpfung für alle Zeiten einen Stoß versetzt.” Und dann geht es weiter in einer der großartigsten Stellen dieses an großartigen Stellen nicht armen Romans: „Was auch immer sich dort draußen ereignet hatte, sorgte selbst für seine Verkündung, begann flussaufwärts von Varnavara, dröhnte mit tausend Stundenkilometern durch jene dunkellose Nacht, von einer Seismographen-Station zur nächsten, durch Europa zum Atlantik via Masten, Pendel, Universalgelenke, schlanke Glasfäden, die auf Rollen geschwärzten Papiers schrieben, das mit uhrwerkhafter Langsamkeit unter ihnen hindurchgeführt wurde, via Lichtfäden auf Silberbromidbeschichtungen . . . in fernen Städten im Westen neigten sich ‚sensitive Flammen’, einige davon menschlich, knicksten und erzitterten schwächlich in fast schon erotischen Grenzbereichen des Erlöschens.”
Die „dunkellose Nacht”, erhellt von Blitzen oder Glühbirnen, ist möglicherweise (aber wie soll man das bei Pynchon je verlässlich wissen?), so etwas wie die Dreh- und Angel-Metapher des Romans – wobei man seine Botschaft ungern auf eine „Dialektik der Beleuchtung” reduziert sähe. Zum Glück gibt’s aber auch viel (oder für manche Geschmäcker zuviel) handfeste Handlung irgendwo zwischen Jules Verne und David Lynch, angefangen mit den „Chums of Chance” oder „Freunden der Fährnis”, einer munteren Truppe von Ballonfahrern und Zeit-Abenteurern, die sich gleich zu Beginn auf der Chicagoer Weltausstellung von 1893 blicken lässt. Und der Roman ist selbst eine Art Weltausstellung, ein riesengroßer Rummelplatz und Themenpark, eine amerikanisch fortschrittsfrohe und von Gedankens Blässe niemals angekränkelte Veranstaltung, die freilich im Kern einer anarchistischen Wendung des Weltlaufs das Wort redet.
Dies tun im Roman namentlich die Vertreter der Familie Traverse. Webb Traverse, der Ältere, ist ein Minenarbeiter und Anarcho-Syndikalist in Colorado, der als „Kieselguhr Kid” und mit Einsatz von Dynamit die Geschäfte des Oligarchen Scarsdale Vibe so nachhaltig stört, dass der ihn von Auftragskillern aus dem Weg räumen lässt. Während sich die Handlung mit der Welt und dem Tag (oder gegen ihn) weiterdreht, von Colorado nach New York, von dort nach London und Göttingen, nach Wien und Venedig, auf den Balkan am Vorabend des Ersten Weltkriegs (ein besonders schöner Roman im Roman) und bis an die sibirische Tunguska, begegnen wir neben Hunderten anderer Figuren den drei Söhnen des Anarchisten Webb Traverse.
Der Unterbau der Wirklichkeit
Einer von ihnen, ironischerweise vom Mörder seines Vaters mit einem Stipendium ausgestattet, zieht zum Mathematikstudium nach Göttingen und macht dort Bekanntschaft mit den „Quaternionisten”, den „Juden der Mathematik”, Verfechtern einer unkonventionellen Auffassung von Raum und Zeit gegen die „bolschewistischen” Vektorianer.
Natürlich ist Pynchon selbst ein (imaginärer) Quaternionist, der den Lauf der Welt, wenigstens im Roman, mit den Mitteln von „Wissen, Technik, Sozialismus” (um Dietmar Dath, einen jungen Bruder im Geiste, zu zitieren) zum Besseren wenden will. Besser werden kann die Welt freilich nur, wenn der Kapitalismus besiegt und eine neue Verfassung von Zeit und Raum in ihr Recht gesetzt ist. Die Utopie bei Pynchon heißt zum Beispiel „Islandspat” oder „Bilokation” (so die Titel der längsten Kapitel). Islandspat, das ist der durchsichtige Calcit, der doppelt erscheinen lässt, was man durch ihn betrachtet. Er ist „das Original und der Unterbau der Wirklichkeit”, einer neuen Wirklichkeit, in die wir am Ende Romans die „Freunde Fährnis” womöglich entschwinden sehen. „Sie werden spüren”, heißt es da nicht ohne Prophetie, „wie der Wind sich dreht. Sie werden die geschwärzten Brillen aufsetzen, um die Herrlichkeit sehen zu können, die den Himmel zerreißen wird. Sie fliegen der Gnade entgegen.”
CHRISTOPH BARTMANN
THOMAS PYNCHON: Gegen den Tag. Roman. Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl und Dirk van Gunsteren. Rowohlt Verlag, Reinbek 2008. 1596 Seiten, 29,90 Euro.
1908: Der Fall eines Riesenmeteors im Stromgebiet der „Steinigen Tunguska” versetzte den Achsen der Schöpfung einen Stoß für alle Zeiten. Abb.: Ullstein-Bild
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Für Angela Schader sind die Romane von Thomas Pynchon Kultbücher der besonderen Art, die für die Verlage zwar keinen wirtschaftlichen Erfolg versprechen, aber dennoch auf eine eingeschworene Leserschaft bauen können. Pynchons jüngster Roman ist mit über 1500 Seiten sein umfangreichstes Werk und hebt zur Zeit der Chicagoer Weltausstellung 1893 an, teilt die Rezensentin mit. Im Mittelpunkt stehen der rebellische Minenarbeiter Webb Traverse und seine drei Söhne; der Arbeitskampf im Bergbau von Colorado, technologische Erfindungen und Fortschrittsglaube ziehen sich als roter Faden durch dieses Buch, erklärt Schader. Bewährt chaotisch ist die Handlung und es entfaltet sich ein höchst komplexes Motivsystem, das mittels eines Islandspats, durch dessen transparenten Körper man alles doppelt sieht, seine doppelbödige Struktur und seinen Unterbau der Wirklichkeit erhält. "Virtuos" findet die begeisterte Rezensentin das Erzählkonstrukt dieses Romans und sie bewundert das Raffinement, mit dem weitere Bedeutungsebenen und historische Kontexte eingebunden sind. Schader schwärmt von der unerschöpflich scheinenden "Sprachkraft" und dem Einfallsreichtum Pynchons und auch wenn sie zugeben muss, dass die Lektüre ihre Leser stark fordert, preist sie sie als geradezu magisches Leseerlebnis. Ihre Lobeshymne abschließend besingt sie auch die Übersetzung ins Deutsche durch Nikolaus Stingl und Dirk van Gunsteren als gekonnt und Pynchons Sprache und Witz angemessen.

© Perlentaucher Medien GmbH
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