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Mitten im Krieg spielen zwei Kinder Krieg: Im harmlosen Nachbarn erkennen Keith und Stephen einen Mörder, im Boden unter ihnen vermuten sie Geheimgänge, und ein leer stehendes Haus kommt ihnen höchst verdächtig vor. Doch auf einmal entwickelt ihr Spiel eine unheimliche Dimension: Keiths schöne, kultivierte Mutter hat nämlich tatsächlich etwas zu verbergen.

Produktbeschreibung
Mitten im Krieg spielen zwei Kinder Krieg: Im harmlosen Nachbarn erkennen Keith und Stephen einen Mörder, im Boden unter ihnen vermuten sie Geheimgänge, und ein leer stehendes Haus kommt ihnen höchst verdächtig vor. Doch auf einmal entwickelt ihr Spiel eine unheimliche Dimension: Keiths schöne, kultivierte Mutter hat nämlich tatsächlich etwas zu verbergen.
Autorenporträt
Michael Frayn, geboren 1933, verfasste nach seinem Philosophie-Studium neben seiner journalistischen Tätigkeit für den "Manchester Guardian", den Londoner "Observer" und die BBC eine Reihe von vorwiegend satirischen Romanen und Theaterstücken um bürgerliche Konvention, Snobismus, Heuchelei und überkommene Strukturen wie z.B. "Der nackte Wahnsinn" (1982). Sein Roman "Headlong" wurde für den Booker-Prize nominiert. Daneben übersetzte Frayn Werke von Anouilh, Tolstoij, Trifonov, Tschechow. Sein erster Film "Clockwise" kam 1986 (Hauptrolle: John Cleese) heraus. Sein zweiter Film "First and Last" gewann 1990 den "International Emmy Award". Für seinen Roman "Das Spionagespiel" erhielt Frayn 2002 den Whitbread Novel Award.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.02.2004

Ein dünnes Lächeln
Rauer Stoff, glatt gebügelt: Michael Frayns „Spionagespiel”
Ein Mann begibt sich auf die Suche nach der verlorenen Zeit. Er kehrt nach fast 60 Jahren zurück an den Ort seiner Kindheit, eine unscheinbare Wohnsiedlung im Süden Englands. Was er zu erinnern, zu verstehen sucht, nennt der deutsche Titel von Michael Frayns neuem Roman „Das Spionagespiel”. Der englische lautet schlicht „Spies” und entgeht so der Suggestion, was sich vor dem Leser entfalte, sei bloßes Spiel. Als solches beginnt zwar, was die beiden Jungen Stephen Wheatley und Keith Hayward eines Sommers im Zweiten Weltkriegs aushecken, aber es endet blutig, beinahe tödlich, und in einem Ernst, der Wheatley noch nach Jahrzehnten zur Reise dorthin drängt, wo er als Bub zu Hause war.
Der Verdacht, der die beiden damals trieb, war, Keith Haywards Mutter spioniere für die Nazis – was Stephen geradezu beschämt angesichts der Langweiligkeit der eigenen Familienangehörigen: „Ich glaube, ich bin ein bißchen eifersüchtig auf diesen neuerlichen Beweis seines nicht enden wollenden, bewundernswerten Glücks. Ein Vater im Geheimdienst und noch dazu eine Mutter, die deutsche Spionin ist – wo wir anderen nicht einmal einen interessanten Elternteil vorweisen können!” Ihr Misstrauen gibt den Jungen vor, wie sie auszulegen haben, was sie sehen, und so wird Keith’ Mutter umso interessanter, je länger sie ihr nachspüren. Unverdächtig, sinkt hingegen Stephens Familie für ihn nahezu ins Unsichtbare: „Ich glaube, ich sehe meine Mutter nicht einmal an. Sie hat etwas so unendlich Gewöhnliches, daß man Mühe hat, sie überhaupt wahrzunehmen.”
Wo Interessantes und Belangloses derart eindeutig verteilt scheinen, wird der Akt der Spionage zugleich zum Machtmittel des einen Kinderspions gegen den anderen: „In Keith’ Mundwinkel zeigt sich . . . ein Moment der Überlegenheit. Wie oft hat er mich schon auf diese Weise gedemütigt! Alles fängt wie ein Spiel an, und plötzlich wird eine Prüfung daraus, bei der ich versage.” Dieser Schmerz des Protagonisten über das eigene Versagen entgleitet Frayn freilich unter literarischer Routine.
Weil die Kritik angesichts von „Spies” Purzelbäume der Begeisterung schlägt, sei die Pedanterie gestattet, das Schematische des Verfahrens Frayns an wenigstens einem Beispiel ins Licht zu rücken. Es ist ein ehrenwerter literarischer Kunstgriff, Gemütsbewegungen, statt sie auktorial als Erzähler zu benennen, dem Leser über Mimik und Gestik der Personen vor Augen zu führen. Der Kunstgriff bleibt ehrenwert, solange er nicht zum Raster erstarrt. Dies indes geschieht in Frayns Roman durchgängig. So gilt ihm als Zeichen von Geringschätzung „ein dünnes Lächeln”, und dem sieht man sich, da reichlich gering geschätzt wird, stereotyp ausgesetzt: „Ich sehe schon das dünne Lächeln auf seinen Lippen”, „Sein Vater lächelt wieder dieses dünne Lächeln”, „Plötzlich blickt er auf, mustert mich scharf, lächelt sein dünnes Lächeln”. Mögen andere das ein Leitmotiv nennen – mir scheint, hier klappert ein Mechanismus.
Frayn schaltet mit seinen Mitteln derart äußerlich, dass sein beunruhigender Stoff die Kraft der Beunruhigung verliert. Auch ein Thema wie das von Gedächtnis und Erinnerung, lässt sich durch pädagogisierende Wortspielchen verschenken: „,Haben wir dort eine Adresse von dir?‘ fragt meine praktisch denkende Schwiegertochter. ,Memory Lane vielleicht‘, sagt mein Sohn . . . ,Genau‘, antworte ich. ,Das letzte Haus vor der verrückten Kurve, wo dann die Amnesie-Allee anfängt‘”. Wer derart neunmalklug von der Suche nach der verlorenen Zeit zu schwätzen weiß, öffnet dem Leser nicht nur nicht den Sinn für die ihm verlorene, sondern raubt ihm noch die unverlorene.
ANDREAS DORSCHEL
MICHAEL FRAYN: Das Spionagespiel. Roman. Aus dem Englischen von Matthias Fienbork. Carl Hanser Verlag, München 2004. 223 Seiten, 19,90 Euro.
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