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Discusses global historical research as a global and diverse movement. Case studies focus on China, Germany and the United States.

Produktbeschreibung
Discusses global historical research as a global and diverse movement. Case studies focus on China, Germany and the United States.
Autorenporträt
Dominic Sachsenmaier is Assistant Professor of Trans-Cultural and Chinese History at Duke University.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.12.2011

Auch in China weiß man Globalgeschichte zu schreiben
Perspektiven aufs Ganze: Zwei Bände widmen sich den Programmen transnationaler Historiographie

Die Etablierung von Geschichte als Wissenschaft und der Aufstieg der Nation im neunzehnten Jahrhundert waren eng miteinander verknüpft. Lange Zeit diente der Nationalstaat als die zentrale Untersuchungseinheit der Historiker. Dies hat sich inzwischen deutlich verändert. Neuere Zugänge stellen die Selbstverständlichkeit der Kategorie der Nation nachdrücklich in Frage. Auf dem Markt des Wissens finden sich zahlreiche Angebote, die für eine "Geschichtsschreibung jenseits des Nationalstaats" (Jürgen Osterhammel) optieren. In ihrer gelungenen Einführung stellt die Indien-Historikerin Margrit Pernau vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Methoden, Theorieangebote und Forschungsfelder in dem für Nichteingeweihte recht unübersichtlichen Bereich der transnationalen Geschichte vor. Sie unterstreicht dabei, dass viele unter diesem Label firmierende Themen bereits eine lange Forschungstradition vorweisen. Dies gilt etwa für das Studium von Regionen wie dem Atlantischen Ozean oder dem Mittelmeer, oder für die Missionsforschung.

Zwei von der Autorin angesprochene Aspekte verdienen besondere Beachtung. "Fordert eine transnationale Geschichtsschreibung nicht auch", fragt sie, "andere Formen der Organisation der Zusammenarbeit?" Sollten nicht also anstelle der bislang ausschließlich prämierten "heroischen Einzelleistung" Formen der intensiven Zusammenarbeit von Historikern gesucht werden, welche die Balance zwischen notwendiger Verallgemeinerung und der Kenntnis von lokalen Sprachen und Quellen sicherstellen könnten? Dies führt zu der von Margrit Pernau bereits in einigen ihrer früheren Publikationen nachdrücklich auf die Tagesordnung gesetzte Frage nach der Bedeutung von Sprache und Mehrsprachigkeit für eine sich transnational verstehende Geschichtsschreibung. Diese Ansätze dürften sich nicht darauf beschränken, aus Gründen des Pragmatismus lediglich auf Überlieferungen in einigen europäischen Sprachen zurückzugreifen. Doch wie lassen sich etwa Begriffe einer afrikanischen oder südasiatischen Quellensprache in die Sprache der Geschichtsschreibung übersetzen?

Einfache Antworten auf dieses Problem gibt es nicht, aber die Autorin macht einige bedenkenswerte Vorschläge, die darauf hinauslaufen, die "Definitionshoheit der europäischen Geschichte" aufzugeben. Wie wäre es, fragt sie, einmal den umgekehrten Weg zu gehen: nicht nur europäische Begriffe für die Analyse nichteuropäischer Gesellschaften zu verwenden, sondern Termini aus dem Japanischen oder Suaheli für die Deutung der europäischen Geschichte.

Sprache ist in der transnationalen und Globalgeschichte jedoch nicht allein in Bezug auf die Analyse von historischen Prozessen relevant, sondern auch für den Wissenschaftsbetrieb. Das international stetig wachsende Interesse an globaler Geschichte geht bisher nämlich nicht mit einem signifikanten Anstieg internationaler Kooperationen in diesem Feld einher. Die Dominanz des Englischen spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. So kann ein Historiker aus Großbritannien oder Nordamerika ein führender Vertreter seines Faches werden, ohne einschlägige Studien in anderen Sprachen überhaupt zur Kenntnis nehmen zu brauchen. Gelehrte in anderen Teilen der Welt müssen hingegen mit dem neuesten Stand der Forschung in Europa und Nordamerika vertraut sein, um Anerkennung zu finden. Auch die Forschungsüberblicke und Einführungswerke amerikanischer Historiker zur Globalgeschichte basieren in der Regel ausschließlich auf englischsprachiger Literatur. Ein chinesischer Kollege könnte jedoch schwerlich einen "globalen" Überblick des Forschungsfeldes schreiben und sich dabei nur auf chinesische Literatur berufen. Es gehört daher zu den Verdiensten der sorgfältig recherchierten Studie von Dominic Sachsenmaier, einen substantiellen Teil seiner Untersuchung über globalgeschichtliche Perspektiven in der jüngeren Historiographie der Situation in China gewidmet zu haben. Der Autor bietet neben Ausführungen zu den Vereinigten Staaten und Deutschland einen konzisen Einblick in die wesentlichen Aspekte der chinesischen Geschichtsschreibung der letzten Jahrhunderte, um vor diesem Hintergrund die aktuellen Trends darzulegen. Im Gegensatz etwa zum deutschen Fall erfuhr "Weltgeschichte" in China über weite Teile des zwanzigsten Jahrhunderts eine bemerkenswerte institutionelle Präsenz. Freilich verbarg sich dahinter vor allem der Fokus auf einige ausgewählte Regionen, die für Peking von besonderem politischen und auch wirtschaftlichem Interesse waren: Westeuropa, Nordamerika, Japan und partiell auch die Sowjetunion beziehungsweise Russland. Der Autor verweist zudem auf eine weitere aufschlussreiche Kontinuität: die recht strikte Trennung zwischen der Historiographie zu China und der Geschichtsschreibung zu anderen Teilen der Welt.

Erst in den vergangenen beiden Dekaden ist diese Separierung ein wenig aufgebrochen worden. In diesem Zusammenhang gewinnt der Begriff "Globalgeschichte" (quanqiu lishi) eine größere Verbreitung, und eine stetig wachsende Zahl von Historikern untersucht die Verknüpfungen, Spannungen und Interaktionen zwischen Regionen in China und anderen Teilen der Welt. Arbeiten zur Sozial-, Kultur- und Umweltgeschichte nehmen verstärkt Perspektiven ein, die nationale und kontinentale Grenzen überschreiten. Doch obgleich westliche Ansätze in chinesischen akademischen Zirkeln seit geraumer Zeit beträchtlichen Einfluss genießen, macht Sachsenmaier auf signifikante Unterschiede aufmerksam.

So genießt die in westlichen globalhistorischen Zirkeln verfemte Modernisierungstheorie unter chinesischen Historikern große Resonanz, die nicht zuletzt mit Zweifeln an der Vorstellung von Revolutionen als Schlüssel zum Fortschritt zu tun habe. Das chinesische Szenario stehe keineswegs, resümiert der Autor, für vollständig "andere" historiographische Ansätze und Praktiken. Es repräsentiere jedoch global wachsende Einsprüche gegen eine eurozentrische Meistererzählung und das kritische Nachdenken über nationalgeschichtliche Gehäuse in vielen Teilen der Welt.

ANDREAS ECKERT.

Margrit Pernau: "Transnationale Geschichte". Grundkurs Neue Geschichte.

Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011. 188 S., br., 16,90 [Euro].

Dominic Sachsenmaier: "Global Perspectives on Global History". Theories and Approaches in a Connected World.

Cambridge University Press, New York 2011. 338 S., br., 26,10 [Euro].

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