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Er ist ein Meister des Spionageromans und einer der besten Kriegsromanciers unserer Zeit. Dieser Roman spielt während des zweiten Weltkriegs und erinnert inhaltlich und atmosphärisch an den weltberühmten Film Casablanca.

Produktbeschreibung
Er ist ein Meister des Spionageromans und einer der besten Kriegsromanciers unserer Zeit. Dieser Roman spielt während des zweiten Weltkriegs und erinnert inhaltlich und atmosphärisch an den weltberühmten Film Casablanca.
Autorenporträt
Alan Furst, geb. 1941 in New York, lebte von 1987-93 in Paris, heute auf Long Island. Als Journalist schrieb er für den 'Esquire' und die 'International Herald Tribune'.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2003

Bittersüß tropft Honig vom Dorn
Ein Roman wie eine Aromatherapie: Alan Furst setzt auf Stimmung

Der große Krieg ist lange vorbei, das Gesicht Europas von tiefen Furchen gezeichnet. Neue Staaten und neue Grenzen haben die alten Konflikte scharf wie zersprungenes Glas werden lassen, an dem man sich schneidet, gleich, wie man sie anfaßt. Das muß auch Nicholas Morath erfahren, der im Ersten Weltkrieg als ungarischer Leutnant gedient hat und seit 1920 in Paris wohnt. Hier verdient er sein Geld als Teilhaber einer Werbeagentur, die nicht ganz durchsichtige Verbindungen nach Brüssel hat. Auf diesen Gelderwerb ist Nicholas Morath aber keineswegs angewiesen, denn die Agentur ist von seinem Onkel, dem Diplomaten Graf Janos Polyani, seinem Gönner und Förderer, nicht zuletzt für den Zweck eingerichtet worden, ihn in geheimer Mission Reisen nach Mittelosteuropa unternehmen zu lassen.

Im Jahr 1938, in dem der Roman des Amerikaners Alan Furst spielt, hat alles irgendwie mit der Kriegsgefahr zu tun, die vom nationalsozialistischen Deutschland ausgeht. Die politischen Abenteuer, die sein Held erlebt, sind allerdings etwas verwirrend, und man fragt sich während der Lektüre gelegentlich, ob man alles richtig mitbekommt. Aber wir sind schließlich im "Reich der Schatten": Da stochert man schon mal im dunkeln.

Verglichen mit seinen geheimdienstlichen Missionen, haben die erotischen Verwicklungen Moraths den Vorteil, daß sie wesentlich leichter nachzuvollziehen sind. Da ist vor allem Cara, seine junge argentinische Geliebte, die in der Avenue de la Bourdonnais wohnt - in einer dieser Festungen, die sich die Bourgeoisie erbaut hat, um jeden überflüssigen Kontakt mit einer sozialen Umwelt zu meiden, die nicht die eigene ist. Diese Geliebte muß ihn auf Befehl ihres Vaters verlassen - am 14. September 1938, jenem Tag, da der englische Premierminister zu Beratungen mit Hitler nach Berchtesgaden fliegt, um durch weitgehendes Entgegenkommen die Kriegsgefahr abzuwenden. Die traurige Trennung geschieht in der Mitte des Buchs. Da ist die Geschichte zwar noch lange nicht zu Ende, aber man hat schon gemerkt, daß der Roman - durchaus bravourös - nur so tut, als erzähle er eine Geschichte.

Der amerikanische Journalist und Schriftsteller Alan Furst, der sich vor allem in Großbritannien großer Beliebtheit erfreut und der mit diesem Roman das erste Mal ins Deutsche übersetzt wurde, ist ein Meister jener Stimmungsromane, in denen zwar manches und noch mehr geschehen mag, die aber doch hauptsächlich eine Atmosphäre herstellen wollen, in der die Leser sich so wohlig fühlen dürfen wie in einem Aromabad. Man taucht ein in eine fremde, aber nicht zu fremde Welt und läßt sich darin treiben. So bekommt die Lektüre etwas Interesselos-Genießerisches, das sehr anziehend sein kann. Sätze werden wie Preziosen präsentiert, etwa der folgende: "Das Leben ist, wie wenn man Honig von einem Dorn leckt." Ja, das hat der alte Kutscher Polyanis auf dem Sterbebett noch gesagt. Oder der Leser erfährt zum Beispiel auch, daß man im Frankreich jener Zeit "Balkan, Balkan!" rief, wenn ein Zuhälter eine Hure schlug oder drei Kinder ein viertes verprügelten. Und Furst läßt seinen Grafen natürlich immer nur den besseren polnischen und nicht etwa russischen Wodka trinken, was eine gewisse Kennerschaft verrät. Ob die Rückkehr aus den traditionell langen französischen Sommerferien in den dreißiger Jahren tatsächlich "le retour" statt wie heute üblich "la rentrée" hieß, sei allerdings dahingestellt.

Die wichtigste Essenz, die Furst seinem Buch beimischt, ist eine fein abgeschmeckte Nostalgie nach dem Paris der zwanziger und dreißiger Jahre, der man sich am besten in einem englischen Clubsessel zu einem doppelten Malt-Whisky ergibt. Dann läßt sich der leichte Schwindel genießen, der uns bei der Lektüre unweigerlich umfängt und der daher rührt, daß Furst alles nebeneinander setzt und zueinander zwingt: die großen Züge der europäischen Geschichte der Zwischenkriegszeit, militärische Mikrohistorie aus der Sicht des Untergrunds und schließlich die von ihm erfundene Geschichte der beiden ehrenwerten ungarischen Lebemänner.

Das alles spielt in der "geborgten Zeit" einer trügerischen politischen Windstille, in der man schon spürt, daß man nie wieder leben wird wie zuvor. Die Menschen und die Dinge bekommen etwas Unwirkliches, als könnten sie sich nicht entscheiden, welcher Zeit sie angehören wollen. Furst versteht sich darauf, solche Stimmungen zu schaffen, die im Gedächtnis haften bleiben. Gleichwohl erscheint "Das Reich der Schatten", das mit vielen recherchierten Details aufzuwarten weiß und voller Leben zu stecken scheint, als täuschend echt geklebte Tapete. Bei aller Freude am Detail gewinnt man bald den Eindruck, daß vielleicht in diesem Roman überhaupt nur das wahr sein darf, was ohnehin schon den allgemeinen Erwartungen entspricht: Wie ein ungarischer Diplomat in Paris so lebt, wie seine Geliebte heißt - natürlich Mimi -, wie leidenschaftlich seine argentinische Geliebte ist.

Das Ende gerät dann leider zu einem literarischen Offenbarungseid, wenn die neue Geliebte Nicholas Morath bescheinigt, er sei wirklich ein "toller Kerl". Das kann man wohl sagen. Er hat irgendeinen Verfolgten aus Ruthenien geholt, ist selbst aus den Fängen irgendeiner Geheimpolizei befreit worden, mußte eine Geliebte mit zugehöriger Wohnung für einen Deutschen besorgen und hat dergleichen Abenteuer mehr erlebt. Ohne zu fragen, warum und wozu, läßt man sich auf diese Art ganz gerne eine Weile unterhalten. Irgendwann aber, an den Ecken und Enden zuerst, beginnt die Tapete sich zu lösen, und man sieht, was man nicht sehen sollte.

MICHAEL JEISMANN

Alan Furst: "Das Reich der Schatten". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Rudolf Hermstein. Albrecht Knaus Verlag, München 2002. 300 S., geb., 21,90 [Euro].

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