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Das Lehrbuch bietet die erste umfassende Einführung in die Werke der großen klassischen Denker der Soziologie sowie in mikro- bzw. makrosoziologische Theorieansätze. Der erste Band behandelt Denker wie Spencer, Marx, Pareto, Simmel, Durkheim, Weber und Mead: ihre Sicht auf die Gesellschaft, ihre methodischen Ansätze sowie ihre Wirkung auf die Entwicklung der Soziologie. Im Mittelpunkt des zweiten Bandes stehen Handlungstheorien wie Verhaltenstheorie, Rational-Choice-Theorie, Phänomenologie, Ethnomethodologie, Symbolischer Interaktionismus, Pragmatismus und kognitivistische Sozialpsychologie.…mehr

Produktbeschreibung
Das Lehrbuch bietet die erste umfassende Einführung in die Werke der großen klassischen Denker der Soziologie sowie in mikro- bzw. makrosoziologische Theorieansätze. Der erste Band behandelt Denker wie Spencer, Marx, Pareto, Simmel, Durkheim, Weber und Mead: ihre Sicht auf die Gesellschaft, ihre methodischen Ansätze sowie ihre Wirkung auf die Entwicklung der Soziologie. Im Mittelpunkt des zweiten Bandes stehen Handlungstheorien wie Verhaltenstheorie, Rational-Choice-Theorie, Phänomenologie, Ethnomethodologie, Symbolischer Interaktionismus, Pragmatismus und kognitivistische Sozialpsychologie. Der letzte Band beleuchtet Gesellschaftstheorien: Neomarxismus, Kritische Theorie, Weltsystemanalyse, Konflikttheorie, Figurationssoziologie, Strukturalismus, Poststrukturalismus, Theorien der reflexiven Modernisierung, Funktionalismus und Systemtheorie. Jeder Band enthält ein Glossar; Fragen am Ende der einzelnen Kapitel geben Anstöße zum eigenständigen Weiterdenken.
Autorenporträt
Richard Münch ist Professor für Soziologie an der Universität Bamberg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2002

Luhmann ist überschätzt
Klassikergalerie statt Problemorientierung: Richard Münch deutet die Geschichte der Soziologie / Von Hans-Ulrich Wehler

Zu den eklatanten Versäumnissen, die mit dem Übergang zur Massenuniversität in der Bundesrepublik verbunden waren, gehörte das auffällige Zögern mancher Fachdisziplinen, sich mit Lehrbüchern im Stil der amerikanischen "Textbooks" auf Studenten einzustellen, die dem Humboldtschen Ideal vom weit vorangeschrittenen jungen Gelehrten keineswegs entsprachen. Die Mediziner, Juristen, Ingenieurwissenschaften hatten sich diese Zurückhaltung nie leisten können, so daß ihre Studenten einen Fundus von bewährten Lehrbüchern vorfanden. Aber die Geistes- und Sozialwissenschaften etwa folgten noch erstaunlich lange dem Wunschdenken, daß ihre Studenten sich in asketischer Einsamkeit die Grundlagen des Fachs selber erarbeiten müßten. Mit dieser Illusion hat es freilich seit einigen Jahren ein Ende: Historiker und Politologen, Germanisten und Soziologen können seither auf zahlreiche Handbücher, auch im erschwinglichen Taschenbuchformat, zurückgreifen, um sich mit den Grundkenntnissen ihrer Fächer vertraut zu machen.

Auf dieser Linie einer wohlverstandenen didaktischen Wissensvermittlung bewegt sich auch der erste Teil der auf drei Bände angelegten Einführung in die soziologische Theorie, die der Bamberger Soziologe Richard Münch, ein durch kontinuierlich verfolgte theoretische Interessen breit ausgewiesener Sozialwissenschaftler der mittleren Generation, soeben vorgelegt hat. In diesem Text über die "Grundlegung durch die Klassiker" werden illustre Figuren aus der Ahnengalerie der neuzeitlichen Sozialforschung behandelt: Herbert Spencer, Emile Durkheim, Karl Marx, Max Weber, Georg Simmel, Vilfredo Pareto und George Herbert Mead.

Jeder Abschnitt folgt demselben Gliederungsschema, das den Leser mit komprimierten Informationen und allmählich wachsenden Ansprüchen in die Gedankenwelt dieser Vordenker einführt. Am Beginn steht jeweils eine "biographische Einleitung", gefolgt von einer Skizze des "theoriegeschichtlichen Kontextes", um den Wissenschaftler in den geistigen Strömungen seiner Zeit zu verorten. Alsdann geht es um die Schwerpunkte der intellektuellen Leistungen, eine konzise Zusammenfassung der wichtigsten Ideen und methodischen Fortschritte, eine kritische Würdigung und die Wirkungsgeschichte, gefolgt von einer knappen Literaturauswahl. Das erweist sich als ein wohlüberlegtes Schema, das es ermöglicht, auf knappem Raum den Adepten mit zentralen Dimensionen des Denkens dieser "Klassiker" vertraut zu machen. Dabei wird das - im amerikanischen Lehrbetrieb vom Autor erworbene - behutsame und bedachte didaktische Vorgehen keineswegs mit einem Komplexitätsverzicht erkauft.

Außerdem wird man der polemischen Intention des Verfassers, dem anachronistischen Anspruch auf den Aufbau einer "sozialen Einheitswissenschaft" à la Parsons, Popper und Luhmann die Vielfalt des ganz unterschiedliche Erkenntnismöglichkeiten bergenden sozialwissenschaftlichen Denkens entgegenzusetzen, mit uneingeschränkter Sympathie begegnen. Bei Parsons und Popper wird das wegen der zeitgebundenen Grenzen ihrer Fata Morgana schon kaum mehr strittig sein. Doch bei Luhmanns mancherorts noch immer überschätzten Systemtheorie, die beispielsweise auf einem Königsweg der Soziologie, der Erforschung sozialer Ungleichheit, keinen Millimeter Bodengewinn gebracht, vielmehr erkenntnishemmend gewirkt hat, mag das schon weniger auf Zustimmung stoßen.

Auf den ersten Blick überzeugt die Auswahl, die der Autor getroffen hat. Wäre es aber nicht noch überzeugender gewesen, am Beginn die eminent einflußreichen schottischen Sozialtheoretiker, mithin Adam Smith, Adam Ferguson, John Millar, vorzustellen? Denn sie haben den folgenreichen Schritt getan, an die Stelle der christlich-teleologischen Denkformen den Nexus zwischen Wirtschaftsverfassung und Sozialhierarchie zu setzen - eine Entscheidung, an welcher der "Mainstream" der Soziologie bis heute festgehalten hat. Es ist unstrittig richtig, daß Münch Durkheim aufwertet, der hier viel zu lange sträflich vernachlässigt worden ist, und es spricht für seine Fairneß, daß er Marx, den anzuerkennen heute nicht als chic gilt, sachlich präsentiert, freilich ohne sich genauer auf die Grundlagen und Dilemmata seiner Klassentheorie einzulassen.

Wäre hier nicht ein Blick auf den Rechtshegelianer Lorenz von Stein geboten gewesen, dessen riesiges Werk zur Gesellschaftswissenschaft sich als so außerordentlich differenziert und innovativ erwiesen hat? Auch in dem Essay über Max Weber hätte man gern das Urteil des Verfassers über Wilhelm Hennis' fehlgeleitetes Insistieren auf einer einzigen Hauptfragestellung, über Wolfgang Mommsens Nationalismusvorwurf, über die bewährte Erschließungskraft der Weberschen Klassentheorie erfahren. Simmel dagegen wird zur Zeit offenbar überschätzt, denn wo hat sich sein Einfluß abseits der kulturalistischen Wenderhetorik auf die empirische Sozialforschung nachweisbar ausgewirkt? Und so weiter, denn natürlich regt jede Selektion zu weiteren Fragen an.

Das grundsätzliche, vom Autor nicht erörterte Problem aber bleibt, ob es eine optimale Lösung darstellt, die Entwicklung der Theorietradition in der Soziologie an die einflußreichen Heroen des neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts zu binden. Wäre es nicht ergiebiger, einer Problemorientierung zu folgen und diese Vordenker wegen ihrer bahnbrechenden Leistungen jeweils einem Problem oder mehreren Problemen zuzuordnen? Dann stünde etwa Spencer für einen evolutionstheoretischen Ansatz, dessen Spuren sich durch das folgende Jahrhundert bis hin zu Parsons und der gegenwärtigen evolutionstheoretischen Debatte verfolgen ließen. Bei den großen Schotten und bei Marx ginge es um die Konzeptualisierung des Verhältnisses von Wirtschaft und Gesellschaft, bei Weber um die Analyse von Macht und Herrschaft, von Legitimationsgrundlagen politischer Regime, von "Weltbildern" und Verhalten, von Ursachen sozialer Ungleichheit. Simmel ließe sich einzelnen Problemen der Mikrosoziologie, Mead solchen der Sozialisationsforschung zuordnen.

Daß eine solche Problemorientierung anspruchsvoller wäre als die Präsentation der Klassikergalerie, ist nicht ausgemacht, es hinge vom Geschick des Theoriekenners ab. Man darf daher gespannt sein, ob Münch in den beiden Folgebänden weiterhin Vordenker präsentiert oder ob er nicht gezwungen ist, auf einflußreiche Strömungen einzugehen, mithin die Problemorientierung zu bevorzugen.

Richard Münch: "Soziologische Theorie". Band 1: Grundlegung durch die Klassiker. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2002. 327 S., geb., 34,90 [Euro].

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