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Frankreich, Ende der zwanziger Jahre. Der junge Schriftsteller Alwyn Tower zieht sich zu seiner Freundin aufs Land zurück. Da tauchen plötzlich die Cullens auf, exzentrische Landadelige aus Irland. Mrs Cullen ist eine leidenschaftliche Jägerin. Wo immer sie ist, führt sie ihren Jagdfalken Lucy mit sich. Sie liebt den Vogel abgöttisch, ihr Mann hasst ihn zutiefst. Der schneidende Blick des Falken provoziert eine ganze Serie von spannungsgeladenen Auseinandersetzungen: in immer neuen Variationen bereden die Bewohner des Landsitzes Liebe und Treue, Leidenschaft und Betrug. Wunden brechen auf,…mehr

Produktbeschreibung
Frankreich, Ende der zwanziger Jahre. Der junge Schriftsteller Alwyn Tower zieht sich zu seiner Freundin aufs Land zurück. Da tauchen plötzlich die Cullens auf, exzentrische Landadelige aus Irland. Mrs Cullen ist eine leidenschaftliche Jägerin. Wo immer sie ist, führt sie ihren Jagdfalken Lucy mit sich. Sie liebt den Vogel abgöttisch, ihr Mann hasst ihn zutiefst.
Der schneidende Blick des Falken provoziert eine ganze Serie von spannungsgeladenen Auseinandersetzungen: in immer neuen Variationen bereden die Bewohner des Landsitzes Liebe und Treue, Leidenschaft und Betrug. Wunden brechen auf, Dramen nehmen ihren Lauf.

»Tatsächlich ein Kunstwerk, wie es heute nur noch selten gelingt.« Christopher Isherwood
Autorenporträt
Der Amerikaner Glenway Wescott (1901-1987) lebte zwischen 1925 und 1933 in Europa. In Paris gehörte er zum Kreis um Gertrude Stein. Mit seinem Roman »The Grandmothers. A Family Portrait« hat er sich international einen Namen gemacht.

Hans Jürgen Balmes, 1958 in Koblenz geboren, ist Lektor und Übersetzer. Für »Mare« schrieb er über die »Quellen der Meere«. Porträts und Aufsätze schienen u. a. in der »Neuen Zürcher Zeitung« und der »Süddeutschen Zeitung«. Aus dem Englischen übersetzte er John Berger, Barry Lopez sowie Gedichte von Robert Hass, W. S. Merwin, Martine Bellen und Warsan Shire.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.10.1995

Dame mit Vogel
Glenway Wescott liebt ohne Glück · Von Hubertus Breuer

Die Dichter und die Liebe, das ist eine lange Geschichte - von Orpheus bis Aschenbach. Der amerikanische Schriftsteller Glenway Wescott erzählt in seiner 1940 erstmals erschienenen Novelle "Der Wanderfalke" daraus eine kleine Episode, ein behutsam verkleidetes Stück eigener Biographie. Es ist die Geschichte des Autors Alwyn Tower, der seine Erinnerungen an einen Nachmittag in einem Landhaus bei Paris in den zwanziger Jahren niederschreibt: Tower lebte dort mit seiner Freundin Alexandra Henry - nicht fest liiert, aber in der Einsamkeit doch geeint. Ihre Hauptbeschäftigung war der Müßiggang, die seine, sich die Welt zu erklären. Zwei Dienstboten, ein marokkanisches Ehepaar, gehen ihnen dabei zur Hand.

Am besagten Nachmittag bekam Alexandra Besuch von dem ebenso wohlhabenden wie hochneurotischen irischen Ehepaar Cullen, das mit Chauffeur und Limousine auf der Durchreise nach Ungarn war. In den wenigen Stunden, die sie in dem Haus verbringen, führen die beiden Scharmützel einer Ehe auf, die Tower mit der kultivierten Gier des professionellen Beobachters verfolgt. Anlaß der Zänkereien ist ein Falke, den sich Mrs. Cullen seit einigen Wochen hält - verhätschelt von ihr, gehaßt von ihrem Mann.

Kaum sind die Cullens angekommen, spuken dem Schriftsteller Tower standesgemäß ständig Metaphern und Sinnsprüche zum menschlichen Begehren durch den Kopf. Der Falke ist da natürlich ein willkommenes Opfer, Durchlauferhitzer für alle möglichen wie unmöglichen Sinnbilder der Liebe und was sonst noch daran hängt - "Krankheit, Armut, Sexualität, Religion und Kunst". Der Vogel ist geplagt von der Sehnsucht nach Freiheit wie auch vom Hunger, der ihn in der Gefangenschaft hält. So sieht Tower auch das Verhältnis der Cullens zueinander, die, wie sie miteinander auch streiten mögen, voneinander nicht lassen: "Wo die Liebe selbst auf dem Spiel steht", so denkt sich Tower, "ist die Liebe zur Freiheit gewöhnlich nichts anderes als die Furcht vor der Gefangenschaft."

Aber die gediegene Kunstfertigkeit des Schriftstellers stößt ständig an Grenzen. Nicht nur ist der Erkenntniswert seiner Spekulationen letztendlich gering, sie sind vor allem belanglos. Nichts ergibt sich aus ihnen - Tower monologisiert, bis sich die Cullens mit einem Showdown verabschieden und den Erzähler sprachlos zurücklassen: "Ich verfiel in eine Art dumpfes Brüten. Es war der anstrengende Versuch, das Übermaß der an diesem Nachmittag beobachteten Einzeltatsachen zu ein paar gedanklichen Feststellungen zu verdichten, einer Formel oder einer moralischen Lehre, die sich in meinem Kopf zu späterem Gebrauch speichern ließ und die dabei gleichzeitig auch noch Raum für Neues, für die nächsten Eindrücke übrigließe... Natürlich war das unmöglich."

Wescott verweigert seinem Erzähler Tower, tieferen Sinn in dem Schauspiel zu entdecken. Da ist auch nichts, es sei denn eine einfache Arithmetik: Wenn drei mit der Liebe hadern, gibt es immer einen, der verliert: Cullen gegen seine Frau und den Falken, der Chauffeur gegen die marokkanische Dienstbotin, die nur mit ihm flirtet, um ihren Mann eifersüchtig zu machen. Und auch Tower fällt diesem Abzählreim zum Opfer.

So wächst aus der Novelle ein Reigen scheiternder Liebesgeschichten. Die letzte erschließt sich im Blick auf den Autor Glenway Westcott selbst: Mit dem "Wanderfalken" erzählt er, selbstironisch in der Figur seines Alter ego Tower gebrochen, die Geschichte seiner unerwiderten Liebe zur Literatur. Die Novelle ist seine vorletzte Prosaveröffentlichung - und ein vorweggenommener Abschied von der Literatur. Nach dem "Wanderfalken" und einem wenig später erschienenen Roman veröffentlichte er bis zu seinem Tode 1987 nur noch Essays.

Der Auftakt klang anders. 1901 in Wisconsin geboren und dort aufgewachsen, publizierte Wescott bereits in den zwanziger Jahren Romane und Erzählungen und wurde als Talent begrüßt. Von 1925 bis 1933 lebte er in Europa. Dort gehörte er in Paris zu dem Kreis um Gertrude Stein, Fitzgerald und Hemingway, der ihn als Robert Prentiss in "Fiesta" porträtierte.

Nach dem erfolgreichen, in Deutsch leider nicht vorliegenden Roman "The Grandmothers" (1927), der die Familiengeschichte der Towers erzählt und deren Enkel im "Wanderfalken" anzutreffen ist, waren seine nächsten Veröffentlichungen Reinfälle bei der Kritik wie beim Publikum. In den dreißiger Jahren verstummte er deshalb gänzlich. Alle diese Erfahrungen Wescotts fließen in den "Wanderfalken" ein: eine leichte Studie nicht nur über die Lieben der Menschen untereinander, sondern auch ein Porträt des Schriftstellers als machtloser Liebhaber der Sprache.

Glenway Wescott: "Der Wanderfalke". Eine Liebesgeschichte. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Wolfgang von Einsiedel. Ammann Verlag, Zürich 1995. 147 Seiten, geb., 32,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Wolfgang Schneider fühlt sich bei dieser "dichtgewebten" Novelle des wiederentdeckten amerikanischen Klassikers an Tschechow erinnert: Es passiere nicht viel, aber ein paar Seelen stünden unter Hochspannung. Hintergrund für die "Gefühlsstürme distinguierter Menschen" ist eine beschauliche Landhausatmosphäre bei Paris, wo sich in den zwanziger Jahren eine kosmopolitische Schar von unglücklichen Müßiggängern versammelt hat, erzählt Schneider. Symbolisches Zentrum des beschriebenen Nachmittags sei jener titelgebende Falke, den der Rezensent manchmal allerdings ein bisschen zu auffällig in der "engen Voliere der Bedeutsamkeit" sitzen sieht. Meist jedoch steht der Vogel wie auch der Rest der Gesellschaft in dieser meisterhaften Erzählung dem Rezensenten ziemlich eindrucksvoll vor Augen. Ausgesprochen getrübt wird sein Lesevergnügen allerdings durch die "veraltete und behäbige Übersetzung" Wolfgang von Einsiedels und dessen Hang zu einem "betulichen Wortschatz". Der Rezensent empfiehlt dringend eine Neuübersetzung.

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