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Frances und ihre Freundin Bobbi, Studentinnen in Dublin, lernen das gut zehn Jahre ältere Ehepaar Melissa und Nick kennen. Sie treffen sich bei Events, zum Essen, führen Gespräche. Persönlich und online diskutieren sie über Sex und Freundschaft, Kunst und Literatur, Politik und Genderfragen und, natürlich, über sich selbst. Während Bobbi von Melissa fasziniert ist, fühlt sich Frances immer stärker zu Nick hingezogen ... Ein intensiver Roman über Intimität, Untreue und die Möglichkeit der Liebe, eine hinreißende, kluge Antwort auf die Frage, wie es ist, heute jung und weiblich zu sein.

Produktbeschreibung
Frances und ihre Freundin Bobbi, Studentinnen in Dublin, lernen das gut zehn Jahre ältere Ehepaar Melissa und Nick kennen. Sie treffen sich bei Events, zum Essen, führen Gespräche. Persönlich und online diskutieren sie über Sex und Freundschaft, Kunst und Literatur, Politik und Genderfragen und, natürlich, über sich selbst. Während Bobbi von Melissa fasziniert ist, fühlt sich Frances immer stärker zu Nick hingezogen ... Ein intensiver Roman über Intimität, Untreue und die Möglichkeit der Liebe, eine hinreißende, kluge Antwort auf die Frage, wie es ist, heute jung und weiblich zu sein.
Autorenporträt
Sally Rooney wurde 1991 geboren, ist in Castlebar, County Mayo, aufgewachsen und lebt in Dublin. Ihre frühen Arbeiten sind erschienen in The New Yorker, Granta, The White Review, The Dublin Review, The Stinging Fly, Kevin Barrys Stonecutter und der Anthologie Winter Pages. Sie studierte am Trinity College Dublin, zunächst Politik, machte dann ihren Master in Literatur. Sie war dort 2013 die Nr. 1 bei den European University Debating Championships. Rooneys Debütroman »Gespräche mit Freunden« war Book of the Year in Sunday Times, Guardian, Observer, Daily Telegraph und Evening Standard. Der Roman kam auf die Shortlist des Sunday Independent Newcomer of the Year Award 2017, des International Dylan Thomas Prize und des Rathbones Folio Prize 2018. Rooney war die Gewinnerin des Sunday Times/Peters Fraser & Dunlop Young Writer of the Year Award 2017, den u.a. auch Zadie Smith und Sarah Waters gewannen. Rooney ist inzwischen Redakteurin des irischen Literaturmagazins The Stinging Fly. Ihr zweiter Roman »Normale Menschen« wurde für den Man Booker Prize 2018 nominiert und gewann u.a. den Costa Novel Award, den An Post Irish Novel of the Year Award und den British Book Award (Novel of the Year und Book of the Year).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.07.2019

Unter uns
Von der Liebe und anderen Ängsten: Das Debüt der irischen Autorin Sally Rooney ist die
perfekte Unterhaltungslektüre für das arrivierte Milieu – und ein brillanter Beziehungsroman
VON MEREDITH HAAF
Es gibt es eine Schlüsselszene im ersten Teil des Romans „Gespräche mit Freunden“, die das ganze Können von Sally Rooney zeigt. An einem sehr warmen Abend sieht eine Frau einen Mann im Publikum einer Lesung. Ein paar Wochen vorher haben sie einander heimlich auf der Geburtstagsparty seiner Frau geküsst und sich danach relativierende und doch aussagekräftige E-Mails zu diesem und anderen Themen geschrieben. Zwischen ihnen ist also alles und nichts klar. Die Frau ist so angespannt, dass sie sich ihrer Umgebung hyperbewusst ist – sie spürt jeden Luftzug, nimmt den Raum und all die Menschen darin übertrieben genau wahr – und zugleich ist sie völlig fixiert auf die Präsenz dieses Mannes. Sie schwitzt und versucht sich von seiner Anwesenheit abzulenken, tut so, als würde sie sich an einem Gespräch beteiligen: „Schließlich sah Nick zu mir rüber, und ich erwiderte seinen Blick. Ich spürte, wie sich ein Schlüssel in meinem Körper mit solcher Kraft umdrehte, dass ich nichts tun konnte, um ihn aufzuhalten. Seine Lippen öffneten sich, als wolle er etwas sagen, aber er atmete nur ein und schien dann zu schlucken. Keiner von uns grüßte oder winkte, wir sahen uns nur an, als führten wir bereits ein privates Gespräch, das niemand sonst hören konnte.“
In diesen kurzen Absatz packt Sally Rooney alles, was in dem seltenen und aufreibenden Vorgang stattfindet, in dem sich zwei Menschen zutiefst ineinander vergucken: das berührungslose Imprint des anderen im eigenen Körper. Das beweisarme und doch selbstbewusste Hineinversersetzen in den anderen, das obsessive Lesen jeder Geste. Und die notwendig verkitschte Beschwörung einer exklusiven, privaten Erzählung, die nur ihren zwei Hauptfiguren zugänglich ist.
Meisterlich ist das nicht nur, weil es wahr ist und sehr gut geschrieben. Sondern auch, weil Rooney wie keine andere Autorin derzeit versteht, von der subjektiven Gleichzeitigkeit von Erfahrungen zu erzählen, die universell Sinn machen und eine sehr gute Geschichte ergeben.
Im anglofonen Raum wird Rooney dafür seit zwei Jahren gefeiert, „Gespräche mit Freunden“ erschien im Original 2017 und war schon vor der Veröffentlichung eine Sensation: Das Manuskript der vollkommen unbekannten irischen Autorin, Jahrgang 1991, wurde lukrativ versteigert und ihr Debüt mehrfach ausgezeichnet. Ihr zweiter Roman, der im Winter in Deutschland erscheint, ist ein noch größerer Erfolg.
Dass eine Debütantin so ungebremst durchstarten kann, ist in England oder den USA sehr viel üblicher als hierzulande, Rooney ist dennoch auffällig erfolgreich: Die Masse an Metatext, den sie schon hervorgebracht hat – nachdenkliche Essays im Guardian, Autorenporträt im New Yorker, atemlose Rezension in der New York Times („Ist Sally Rooneys zweiter Roman so großartig wie ihr erster?“), Instagram-Posts von Prominenten wie Sarah Jessica Parker – wirft natürlich erst mal die Frage auf, ob das nicht einfach Wohlfühlliteratur für ein arriviertes Publikum ist. Und ob man da nicht einfach nur einer sehr gut gemachten intellektuell-literarischen Hochstapelei aufgesessen ist. Geht es da, bei allem Vergnügen, nicht einfach um ein Hype-Phänomen wie eine dieser sehr guten Serien, die vor allem dadurch gewinnen, dass sie ihre Konsumenten sich schlau und weltgewandt vorkommen lassen?
Das Set-Up muss den Verdacht stärken: „Gespräche mit Freunden“ handelt, kurz gesagt von einer Dreiecksbeziehung mit Tangente. Ich-Erzählerin Frances und ihre beste Freundin und ehemalige Liebhaberin Bobbi, beide 21, beide Literaturstudentinnen, lernen das arrivierte Paar Melissa und Nick kennen. Melissa ist eine bekannte, attraktive Kulturjournalistin, und mit ihren 37 Jahren, ihrem großen Haus und ihrem kulturellen Erfolg für Frances eine Mischung aus bedrohlich vollendet und verachtenswert alt. Nick, ein bekannter Schauspieler, wird von anderen als „sehr groß“ und „sehr passiv“ beschrieben und wirkt für Frances von Beginn an vollkommen unwiderstehlich.
Es entsteht eine dieser seltsamen Förderfreundschaften, die ambitionierte, interessierte junge Frauen in diesem Alter öfter mit älteren Menschen verbindet. Die Szene, in der man das Wichtigste über Bobbi und Frances erfährt, ereignet sich auf den ersten Seiten des Romans. Auf dem Weg zu Melissas Haus erklärt Bobbi ihrer neuen Bekannten: „Ich bin lesbisch, und Frances ist Kommunistin“, während Frances gerade mit ihrem eigenen Innenleben und ihrer Außenwirkung beschäftigt ist: „Ich war aufgeregt, bereit für die Herausforderung, in die Wohnung einer Fremden zu gehen, und legte mir schon ein paar Mienen und Komplimente zurecht, um charmant zu wirken.“ Diese Kombination aus Unsicherheit, Verletzlichkeit und Narzissmus ist die härteste Waffe, die Frances im Umgang mit ihrem Umfeld hat – und ihre offene Flanke.
Frances verliebt sich in Nick und entfernt sich damit zum ersten Mal von Bobbi, mit der sie in einer Art intellektueller, kreativer und emotionaler Symbiose gelebt hat. Damit gerät sie auf unsicheres Terrain, und der Entwicklungsroman, der von dieser Beziehungskiste ausgeht, nimmt Fahrt auf: Während Nick und Melissa von ihrem kulturellen Kapital profitieren, befinden sich Frances und Bobbi in einer ständigen Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Umständen und in gewisser Weise auch mit sich selbst. Alles, was sie tun, filtern sie durch eine Analyse der Klassen- und Geschlechterverhältnisse, es ist geprägt von Zukunftsängsten und echter materieller Not. Eine Zeit lang lebt Frances von Toastbrot. Während Nick aufgrund seiner Depressionen sehr vorsichtig und austherapiert kommuniziert, fragt sich Frances, „warum ich mich nicht für mein eigenes Leben interessierte“.
Rooney spielt über diese Differenzen ihr komisches Talent aus, zum Beispiel während der ersten richtigen, postkoitalen Unterhaltung zwischen Frances und Nick: „Beim Abendessen tauschten wir ein paar Details aus unserem Leben aus. Ich erklärte ihm, dass ich den Kapitalismus zerstören wolle und dass ich Männlichkeit persönlich als unterdrückend empfand. Nick sagte, er sei ,grundsätzlich‘ ein Marxist, und er wolle nicht, dass ich ihn verurteile, weil er ein Haus besaß.“ Es gehört zu den Kernkonflikten des Erwachsenwerdens, das existenzielle Für-sich-sein zu akzeptieren und andererseits die Angewiesenheit aufeinander zu lernen, die man teilt mit denen, die man liebt. „Gespräche mit Freunden“ handelt von genau diesem Prozess so einer Grenzerweiterung, sei sie nun politisch oder emotional codiert.
Man sollte der Vollständigkeit des Lobes halber noch festhalten, dass Rooney die (Selbst-)Gespräche, aus denen der Roman besteht, mit Leichtigkeit über all die verschiedenen Kanäle laufen lässt – E-Mail, Chat, SMS, Telefon und das sogenannte Real Life – in denen sich Menschen heute begegnen, und mit denen sich die Literatur noch immer schwertut. Und dass sie durch kleine Bilder, zum Beispiel die übersteuerte körperliche Wahrnehmung von Frances, der immer heiß ist, die sich „am Schlüsselbein berührt“, „in die Unterlippe kneift“, ihr „Handgelenk umklammert, als hätte ich Angst, es würde sich wegstehlen“ eine Sinnlichkeit im Text schafft, der zugleich von jenen Machtanalysen und psychologischen Ausdeutungen durchzogen ist, die uns heute so geläufig sind. Ausbuchstabiert in einem Text würden sie eher stören.
Es ist schon bemerkenswert, wie es Rooney – und auch der großteils kompetenten Übersetzung von Zoë Beck – gelingt, dabei immer dieselbe Texttemperatur zu halten. Es steckt ein austrainierter und doch warmer, lebendiger Intellekt hinter diesem Text. Es steckt ein Interesse an Sex und den Möglichkeiten einer fantasiebegabten Liebe darin, die nicht klinisch und alles andere als menschheitsskeptisch ist. Und nicht zuletzt ein völlig unverblümtes Wohlwollen gegenüber den eigenen Protagonistinnen. Was soll man sagen: Der ganze Hype ist in diesem Fall glücklicherweise komplett berechtigt.
Rooney ist selbst für eine
englischsprachige Debütantin
auffällig stark durchgestartet
„Ich erklärte ihm,
dass ich den Kapitalismus
zerstören wolle.“
Sally Rooney, 1991 in Castlebar geboren, landete mit ihrem Debüt gleich auf der Longlist des Man Booker Prize.
Foto: mauritius images / Martina Bocch
Sally Rooney: Gespräche mit Freunden. Aus dem Englischen von Zoë Beck. Luchterhand Literaturverlag, München 2019.
384 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.07.2019

Gnadenlos intelligent
Eine Begegnung mit der jungen irischen Autorin Sally Rooney, von der gerade alle reden

Sally Rooney sitzt in einem Konferenzraum des Verlags Faber & Faber, hält die deutsche Ausgabe ihres Debüts in der Hand, ein dickes Hardcover, und lacht: "Mein Gott, ich sehe aus wie David Foster Wallace!" Rooney ist nur für ein paar Tage in London, dann fährt sie in die Bretagne zurück, weiterschreiben. "Arbeitsurlaub", sagt sie dazu. "Wenn ich von etwas wirklich begeistert bin, kann ich zehn, zwölf Stunden am Tag arbeiten. Und wenn ich nicht schreibe, nehme ich mir einfach frei."

Ihr Debüt "Conversations with Friends" ist schon vor zwei Jahren erschienen, machte sie mit einem Schlag bekannt und wurde jetzt von Zoë Beck endlich auch ins Deutsche übersetzt: "Gespräche mit Freunden". Es ist eine Liebesgeschichte. Eine Ménage-à-quatre in Irland und Frankreich, in der, das macht sie besonders, die Figuren die Formen und Bedingungen ihres eigenen Begehrens und das der anderen reflektieren und den Versuch machen, sich diesen Prägungen zu entziehen. Es beginnt mit zwei jungen Frauen, Anfang zwanzig, Studentinnen in Dublin, Bobbi und Frances, an einem Abend im Mai. Die eine sagt gern dramatische Monologe auf und singt Antikriegsballaden, diskutiert gnadenlos intelligent, schreibt "Scheiß aufs Patriarchat" an die Wand ihrer Klosterschule, spottet über "Lohngefälle-Feminismus" ("Weißt du, ich finde, es gibt zu wenig Waffenhändlerinnen") und liebt Frauen. Die andere erzählt: "Bobbi und ich."

Gemeinsam werden sie gebeten, den Supermarkt zu verlassen, in dem sie laut sinnlose Passagen aus Männerzeitschriften rezitieren. Sie lachen über das Wortmonstrum "außereheliche Affäre" und fragen einander, liebenswert und ein bisschen unbeholfen, mit einem Verstand, der dem Empfinden vorauseilt: "Ist es möglich, dass wir ein Alternativmodell entwickeln, wie wir einander lieben?" An diesem Abend treten sie zusammen in einer Bar auf, lernen Melissa kennen, die, etwa fünfzehn Jahre älter, Fotos von ihnen macht ("wie gut sehen wir bitte aus"). Fahren auf einen Drink mit zu ihr und bleiben über Nacht. Melissas Ehemann Nick ist an diesem Anfang nur eine Stimme im Haus.

"Mich interessierte die Idee von Monogamie und die Frage: Was sind Alternativen zu dieser verbindlichen sozialen Form?", sagt Rooney an diesem Morgen in London. Sie spricht mit fester Stimme, zügig und klar. Ihrem Debüt steht als Motto eine Gedichtzeile voran: "In Zeiten der Krise muss sich jeder von uns immer und immer wieder entscheiden, wen er liebt." Rooney schrieb zu dieser Zeile fast vierhundert Seiten neuen Kontext: "Ich liebe Frank O'Hara, die New York School - und mir fiel auf, dass das, was O'Hara beschreibt, eine Alternative sein könnte: sich spontan entscheiden, immer und immer wieder. An jedem neuen Tag entscheiden, wie wir unsere Leben verbringen möchten. Und wenn das immer mit der gleichen Person ist, ist das auch in Ordnung."

Zwei ihrer Figuren halten einmal Händchen: "Es war eine Beziehung, und es war zugleich keine Beziehung. Jede unserer Gesten war spontan, und wenn wir von außen wie ein Paar wirkten, war das für uns ein interessanter Zufall. Daraus entspann sich ein Witz zwischen uns, der für alle, auch für uns, bedeutungslos war: ,Was ist eine Freundin?', sagten wir dann heiter." Eine Freundin, meine Freundin, Ehemann, Ehefrau sind für Sally Rooney "soziale Kategorien, die nicht unterbringen können, was eigentlich vor sich geht - und denen wir uns gleichzeitig so tief verbunden fühlen. Wir haben sie so weit verinnerlicht, dass es uns normalen Menschen nicht möglich ist, sie ganz aufzugeben, selbst wenn wir es alle wollten."

"Wir", "normale Menschen", "wir alle", sagt Rooney oft. Ihr zweiter Roman, mit dem sie 2018 den Man Booker Prize gewann, heißt auch so: "Normal People". Das Cover zeigt ein Liebespaar, das in einer Sardinenbüchse liegt. "Ich schreibe nicht so viel über Erfahrungen, die ein grundlegender Bruch mit dem sind, was wir ,normal' nennen. Vorgehaltene Waffen oder so etwas, die meisten Menschen erleben das nicht. Aber Dinge wie ein bisschen verknallt sein, mit Freunden streiten, das erlebt jeder. Mich interessiert die alltägliche Textur unseres Lebens und wie wichtig sie sich für uns anfühlt, während wir sie leben, obwohl sie es natürlich nicht ist, sie ist eigentlich überhaupt nicht wichtig - aber das ist das Leben, und am Ende stirbst du." Am Ende eines Kapitels in "Gespräche mit Freunden" steht einfach nur: "Things went on."

Und, sagt Rooney, dann interessiere sie natürlich auch der reale Druck des Normalen, der Wunsch, normal sein zu wollen oder gerade nicht. Was ihr mit diesem Blick gelingt, ist, Einzelschicksale nicht zu überhöhen, sie aber auch nicht zu entwerten. Schnörkellos und mondän ist die Sprache ihres Realismus, atemberaubend sind ihre Dialoge, die hin und her springen, sich aneinander hoch- und wieder herunterschrauben. Genau sind ihre Körperempfindungsbilder von Kopfschmerzen ("aus dem Himmel direkt in mein Gehirn"), Blicken ("als tränke ich kaltes Wasser") oder von der Busfahrt am Morgen danach: "Ich saß hinten, neben dem Fenster, und die Sonne bohrte sich in mein Gesicht, und der Stoff des Sitzes fühlte sich großartig an auf meiner nackten Haut".

Und dann ist da noch ihr Witz: Einmal wacht Frances nachts von starken Regelschmerzen auf: "Die Ernsthaftigkeit meines Schmerzes versetzte mich in Aufregung, als würde er mein Leben vielleicht auf ungeahnte Weise verändern." Ein anderes Mal liegt sie, die ein anrührendes, unaufgeregtes Martyrium durchläuft, auf dem Bett, ",Kritik der postkolonialen Vernunft' halb geöffnet auf dem Kissen neben mir. Gelegentlich hob ich einen Finger zum Umblättern und ließ die schwere, verwirrende Syntax durch meine Augen in mein Gehirn fließen. Ich werde mich weiterbilden, dachte ich. Ich werde irgendwann so klug sein, dass mich niemand mehr versteht." Und Frances liest das Neue Testament: "Die Bibel erschloss sich mir sehr viel mehr, eigentlich fast vollständig, wenn ich mir Bobbi als Jesus vorstellte. Sie sagte seinen Text nicht ganz unverfälscht auf; oft betonte sie ihn sarkastisch oder mit einem seltsam distanzierten Ausdruck. Der Teil über Ehemänner und Ehefrauen war satirisch, während sie die Passage mit Liebet eure Feinde ganz ernst spielte."

In den Kulissen von Rooneys Welten ist Klasse dabei immer anwesend: Mini-Jobs, unbezahlte Praktika, vierzehn Euro auf dem Konto, sich ein paar Wochen mit den Kühlschrankresten der Mitbewohnerin durchsnacken. Bobbi stöhnt: "Reiche Leute machen mich krank", und Frances sagt einmal wie fürs Protokoll, "dass mein Desinteresse an Reichtum ideologisch gesund war. Ich hatte nachgesehen, wie hoch das durchschnittliche Jahreseinkommen wäre, wenn das Weltbruttosozialprodukt gerecht auf alle verteilt würde, und laut Wikipedia läge es bei 16 100 Dollar. Ich sah keinen Grund, weder politisch noch finanziell, warum ich je mehr als diese Summe verdienen sollte." Und in einem Chat-Verlauf, den Frances auf der Suche nach dem Wort "Liebe" durchschaut, monologisiert Bobbi in Kleinbuchstaben: "wenn man liebe nicht nur als zwischenmenschliches phänomen betrachtet / und versucht, sie als soziales wertesystem zu verstehen / dann ist sie sowohl antithetisch zum kapitalismus, indem sie das axiom der selbstsucht herausfordert / welches die gesamte logik der ungleichheit diktiert / sie ist aber auch unterwürfig und vermittelnd / das heißt, mütter ziehen selbstlos ihre kinder ohne gewinnmotiv groß / was den ansprüchen des marktes auf einer ebene entgegensteht / und doch eigentlich nur dazu dient, kostenlose arbeitskräfte zu liefern".

Das alles schreibt Rooney und sagt: "Ich habe keine Agenda. In meinem Roman bin ich nicht daran interessiert, über die Dinge zu urteilen - auch nicht über Dinge, die mir sehr am Herzen liegen wie Sexismus, Kapitalismus, Strukturen der Unterdrückung. Ich bin nur daran interessiert, es zu beobachten, und wenn ich es sehe, werde ich darüber schreiben." Von dem Rooney-Fieber, das einsetzte, sobald ihr Debüt von der englischsprachigen Lesewelt, von Preis-Jurys, einem Unterwäschemodel auf Instagram oder Zadie Smith gleichermaßen euphorisch empfangen wurde, ist sie, sagt sie, selbst überrascht, und wirkt dabei herrlich unkorrumpiert. Ihren Twitter-Account hat sie kommentarlos gelöscht.

Was kann Literatur, Sally Rooney? "Literatur kann einige Fragen stellen, die nicht gestellt werden - oder die nicht richtig gestellt werden. Die dominanten Diskurse über ,das menschliche Leben' in Frage stellen, was es zum Beispiel bedeutet, ein Mensch in Beziehung zu anderen Menschen sein. Und dann, wahrscheinlich, auf irgendeine Weise: den Mächtigen die Wahrheit sagen. Es ist schwierig zu sagen, wie genau ein Roman das tun kann, im Gegensatz zum investigativen Journalismus und all diesen anderen sehr wichtige Weisen, die wir haben, um die Mächtigen mit dem zu konfrontieren, was ist. Als Sozialistin, als Feministin stelle ich mir diese Frage: Was ist das Verhältnis des Romans zum sozialen Wandel? Ich denke, es gibt nicht notwendigerweise eine direkte Beziehung - aber es gibt eine. Und dann hat Literatur auch eine allgemeine Funktion des Trostes. Es gibt viele Menschen, die sehr niedergeschlagen sind. Literatur kann ihnen den Wunsch geben, mit dem Leben weiterzumachen."

Am Ende sagt sie noch und lacht wieder: "Es ist nicht so, dass ich schreibe, die Leute sollen einander betrügen. Es ist nur so, dass ich nicht daran interessiert bin, moralische Urteile zu fällen. Ich frage: Wie ist das Leben wirklich? Die Art und Weise, wie wir über Beziehungen sprechen, ist nicht die Art und Weise, wie wir sie führen. Unsere Kategorien beschreiben die gelebte Realität unserer Leben nicht. Wenn wir uns von den Diskursen entfernen, nach denen wir am ehesten greifen, wenn wir über unsere Beziehungen sprechen, dann können wir beobachten, was wirklich vor sich geht."

Was kann Literatur sein? Eine Erinnerung daran, dass man zumindest den Versuch machen kann, anders zu leben als ein Wort, das zwischen zwei Anführungszeichen passt. Sally Rooneys Romane sind so eine Literatur, die Leben verändern will und kann.

DIBA SHOKRI

Sally Rooney: "Gespräche mit Freunden". Roman. Aus dem Englischen von Zoë Beck. Luchterhand, 384 Seiten, 20 Euro

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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Nach der Lektüre von Sally Rooneys Debütroman weiß Rezensentin Anne Kohlick, weshalb die junge irische Autorin derzeit von aller Welt gefeiert wird. Auch in der deutschen Übersetzung ist "Gespräche mit Freunden" ein absoluter Lesegenuss, so die begeisterte Rezensentin. Rooney erzählt darin von Frances und ihrer besten Freundin Bobbi, die gemeinsam Literatur studieren und auf Poetry Nights auftreten, wo sie eines Abends eine ältere Schriftstellerin und später deren Ehemann Nick kennenlernen. Zwischen den vier Figuren entwickelt sich bald ein komplexes Geflecht von Beziehungen und Emotionen, von dem die Ich-Erzählerin in einer klaren und minimalistischen Sprache erzählt, mit sehr viel Witz und Ironie. Literarisch kann sie dabei immer wieder mit originellen Vergleichen und wenigen aber dafür umso präziser beschriebenen Details glänzen, so Kohlick. Frances' Erzählhaltung und Ton in diesem dialoglastigen Text passen zu ihrem verzweifelten Bemühen cool, selbstbewusst und unabhängig zu wirken und ihre Gefühle zu unterdrücken, obwohl sie sich bewusst ist, welche emotionalen Auswirkungen ihr Verhalten auf sie selbst und andere hat. Somit ist Rooneys Roman auch ein ehrlicher und warmherziger Entwicklungsroman und natürlich ein "riesiges Lesevergnügen", so die überschwängliche Rezensentin.

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»Ihre Bücher stolpern nie. Sie sind so scharfsinnig und elegant komponiert, dass man ihnen schon auf der ersten Seite verfällt.« Carolin Würfel / DIE ZEIT