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Den Aufstieg der Sowjetunion zur Weltmacht hätte es ohne materielle Unterstützung aus Deutschland nicht gegeben, das legt der Historiker Bogdan Musial in seinem neuen Buch überzeugend dar. Bis zum deutsch-sowjetischen Krieg 1941 war es die Lieferung deutscher Maschinen und Anlagen im großen Stil, die den Aufbau der sowjetischen Schwer- und Rüstungsindustrie ermöglichte. Nach dem Krieg war es die systematische Demontage sämtlicher ostdeutscher Industrie- und Infrastrukturanlagen, die Stalins Regime einen zweiten, aus eigenen Kräften nicht erreichbaren Modernisierungsschub bescherte. Musial hat…mehr

Produktbeschreibung
Den Aufstieg der Sowjetunion zur Weltmacht hätte es ohne materielle Unterstützung aus Deutschland nicht gegeben, das legt der Historiker Bogdan Musial in seinem neuen Buch überzeugend dar. Bis zum deutsch-sowjetischen Krieg 1941 war es die Lieferung deutscher Maschinen und Anlagen im großen Stil, die den Aufbau der sowjetischen Schwer- und Rüstungsindustrie ermöglichte. Nach dem Krieg war es die systematische Demontage sämtlicher ostdeutscher Industrie- und Infrastrukturanlagen, die Stalins Regime einen zweiten, aus eigenen Kräften nicht erreichbaren Modernisierungsschub bescherte.
Musial hat sich aufgrund seiner hervorragenden Kenntnisse der russischen und osteuropäischen Archive einen Namen gemacht. Immer wieder erschließt er neue, bisher unzugängliche Quellen, die unsere Kenntnisse über die Geschichte des 20. Jahrhunderts erweitern. Warum verfügte Stalin im Zweiten Weltkrieg über ein von Hitler völlig unterschätztes Rüstungspotential, das ihm schließlich den Sieg brachte? Welche Ausmaße hatte der von langer Hand geplante beispiellose Raubzug, der dem sowjetischen Diktator weit über die im Potsdamer Abkommen vereinbarten Reparationen hinaus Maschinen, Rohstoffe, Fertigprodukte, Laboratorien, Industrie- und Infrastrukturanlagen einbrachte, die in seinem Teil des besiegten Deutschlands bitter fehlen sollten? Hierauf gibt Musial gewohnt gründliche Antworten, die den Aufstieg und späteren Abstieg der Sowjetunion in neuem Licht erscheinen lassen.
Autorenporträt
Musial, Bogdan
Bogdan Musial, geboren 1960 in Wielopole/Polen. 1985 politisches Asyl in der Bundesrepublik, 1992 Einbürgerung. 1990 -1998 studierte er Geschichte, Politische Wissenschaften und Soziologie in Hannover und Manchester. 1998 Promotion zum Thema Judenverfolgung im besetzten Polen. Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung (1991 - 1998). 1999 bis 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in Warschau. Habilitation 2005. Seit 2007 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts des Nationalen Gedenkens in Warschau. Autor zahlreicher zeitgeschichtlicher Bücher, darunter Kampfplatz Deutschland (2008) und Stalins Beutezug (2010).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2010

Kleiner Pferdehandel, große Wirkung
Bogdan Musial verzerrt die sowjetische Demontagepolitik in Ostdeutschland

Bogdan Musial, der vor zehn Jahren mit seiner sachkundigen Quellenkritik wesentlich dazu beitrug, dass das Hamburger Institut für Sozialforschung die spektakuläre "Wehrmachtsausstellung" zurückziehen musste, arbeitet heute im Warschauer Institut des Nationalen Gedenkens - eine Art Pendant der Birthler-Behörde. Der deutsch-polnische Historiker ist für seine polyglotte Findigkeit bei der Erschließung ungehobener historischer Materialien bekannt. Vor einiger Zeit untermauerte er diesen Ruf mit einer Darstellung des Partisanenkampfes hinter der deutschen Ostfront, die durch Auswertung bis dahin unberücksichtigter Dokumente das sowjetische Geschichts- und Propagandaklischee vom heldenhaften Volkskrieg im Rücken des Feindes ins Wanken und selbst Sachkenner zum Aufhorchen brachte.

Auch in "Stalins Beutezug" breitet der Autor jetzt eine Fülle neu erschlossener Materialien vornehmlich aus russischen Archiven aus, die den Horizont über dem außerordentlich vertrackten, intensiv beackerten Feld der alliierten Reparationspolitik und speziell der sowjetischen Beute- und Demontagepraxis in Deutschland weiter erhellen könnten: Berichte der Beute-Truppen der Roten Armee, Analysen der Geheimpolizei, Memoranden diverser Volkskommissariate, Statistiken, Tabellen, Telegramme, Beschlüsse des allmächtigen Staatskomitees für Verteidigung, Befehle mit handschriftlichen Korrekturen Stalins et cetera. Am Ende dann die bekannte Bilanz, dass die Russen in ihrem Besatzungsgebiet bis Frühjahr 1947 ungefähr 3000 Betriebe abgebaut und in etwa 500 000 Güterwaggons abtransportiert hatten, dazu insgesamt etwa 10 Millionen Tonnen an "Ausrüstungen und Materialien", ganz zu schweigen von den exorbitanten Entnahmen aus der ostdeutschen Produktion, dem größten Einzelposten dieser Abflüsse.

Allerdings vermag selbst der versierte Leser bei dem überbordenden Zeigestolz Musials schon bald den Wald vor Bäumen nicht mehr zu erkennen, zumal er nirgends erläutert, was sein Zettelkasten denn nun zu der historischen Bewertung des exzessiven sowjetischen Vorgehens beitragen kann, um die sich namhafte Autoren lange vor ihm in sehr viel analytischerer Weise bemüht haben. Seine Kollegen sind dem Verfasser meist keine Auseinandersetzung, häufig nicht einmal der Erwähnung wert. So angepackte Forschung ist zeitsparend und erleichtert "Wissenschaft" beträchtlich. Akzeptabel ist sie nicht. Die Geschichte der deutsch-sowjetischen Beziehungen sei vielfach "tabuisiert", "entstellt" oder "verfälscht". So immunisiert Musial im Anti-Establishment-Gestus seine sorglose Methode. Wer gegen "geschichtspolitische Tabus und Dogmen" angehe, laufe Gefahr, als Revisionist "denunziert" zu werden: "Stalins Wort war damals Gesetz und ist es offenkundig für einige noch bis heute."

Das ist starker Tobak - und ein bisschen peinlich obendrein, denn die Lektüre von "Stalins Beutezug" enthüllt sogleich, dass dem zornigen Verfasser nicht einmal die einfachsten Grundtatsachen der Reparationsregelung geläufig sind, um die in der zerfallenden Anti-Hitler-Koalition über Monate hinweg gerungen wurde. Wie sonst könnte er sich zu der Behauptung versteigen, die Großen Drei hätten auf der Konferenz von Potsdam im Sommer 1945 die Höhe der von Deutschland zu zahlenden Reparationen auf 20 Milliarden Dollar "festgelegt" und der Sowjetunion die Hälfte davon zugesprochen? Genau dies wurde Stalin von Großbritannien und den Vereinigten Staaten gerade nicht zugestanden. Vielmehr suchten die Westmächte den Ausweg aus dem festgefahrenen Streit in der reparationspolitischen Teilung Deutschlands. Da mit der Sowjetunion keine Einigung über eine Behandlung Deutschlands als Wirtschaftseinheit erreichbar war, überließen sie Stalin seine Zone zur freien Ausbeutung - eine frühe wirtschafts- und deutschlandpolitische Entscheidung größter Tragweite. Weil die Sowjetunion damit aber vom Gros des deutschen Reparationspotentials abgeschnitten wurde, konzedierte man ihr und ihrer polnischen Marionettenregierung im Gegenzug die neue deutsche Ostgrenze entlang von Oder und Görlitzer Neiße. Das war der vom amerikanischen Außenminister James F. Byrnes eingefädelte und von ihm so genannte "kleine Pferdehandel" (von dem man im Buch nichts erfährt), mit dem die Potsdamer Konferenz in letzter Minute vor dem Scheitern bewahrt wurde.

Musial erwähnt zwar die bekannte Tatsache, dass die Russen die gesamtdeutsche Reparationsmasse bereits vor Potsdam einseitig beträchtlich geschmälert hatten, weil sie bis dahin schon etwa die Hälfte ihrer gesamten deutschen Beute aus Berlin und den von ihnen besetzten Regionen herausgeholt hatten. Aber dass genau dieses Faktum die Westalliierten mit zur Abkehr von einer gemeinsamen Reparationspolitik brachte und der Sowjetunion damit in der Ostzone überhaupt erst freie Hand gab, weiß er nicht. Sogar den vergeblichen, jedoch keineswegs leichtfertig oder blauäugig verlorenen Kampf Churchills, Roosevelts und Trumans um das Selbstbestimmungsrecht Polens - eine der Hauptursachen des Kalten Krieges - wird von Musial mit kaum glaublicher Leichthändigkeit so verzerrt und unberührt vom jahrzehntelangen wissenschaftlichen Diskurs dargestellt wie schon lange nicht mehr.

Bleibt zu erwähnen, dass zwei Drittel des vorliegenden Buches gar nicht das Thema behandeln, das der Titel verspricht, sondern den Hitler-Stalin-Pakt 1939, die Mobilisierungsanstrengungen der Sowjetunion nach dem deutschen Überfall 1941 und deren Deutschland-Politik danach. Im Dunkeln bleibt auch der in der Forschung durchaus kontrovers diskutierte Zusammenhang zwischen der Ausbeutung Ostdeutschlands und dem "Aufstieg der Sowjetunion zur Weltmacht", wozu der Buchtitel ebenfalls Erhellung verheißt. Darüber, wie genau und mit welchen modernisierenden Effekten die vereinnahmten deutschen Güter und Technologien die einzelnen Sektoren der sowjetischen Nachkriegswirtschaft stimulierten, schweigt der Autor.

So wünscht man sich nach der Lektüre den früheren Bogdan Musial mit seinen eng fokussierten Quellentiefbohrungen zurück - einen, der sich von einem geschäftstüchtigen Verlag besser nicht dazu hätte verleiten lassen, ein weiteres Buch über das sowjetische Reich der Finsternis zusammenzuschustern, das mit hohem Wiedererkennungswert in derselben Aufmachung auf den Markt geworfen wurde wie seine vorausgegangene Abhandlung über den "Kampfplatz Deutschland. Stalins Kriegspläne gegen den Westen". Schon deren Kernthese, wonach die Sowjetunion und namentlich der kriegsbesessene Stalin seit den zwanziger Jahre massiv für den ideologisch bedingten Angriffskrieg gegen den Westen aufrüsteten, konnten die Fachleute wenig abgewinnen.

KLAUS-DIETMAR HENKE

Bogdan Musial: Stalins Beutezug. Die Plünderung Deutschlands und der Aufstieg der Sowjetunion zur Weltmacht. Propyläen Verlag, Berlin 2010. 507 S., 26,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ach, der Markt! Lieber als beim  Zusammenschustern von pseudowissenschaftlicher Literatur hätte der ungehaltene Rezensent Klaus-Dietmar Henke dem Autor bei seiner ureigenen Arbeit der fokussierten Quellentiefbohrung zugeschaut. Fehlanzeige in diesem Buch, in dem der deutsch-polnische Historiker Bogdan Musial mit seinen durchaus staunenswerten Archivfunden das Thema der alliierten Reparationspolitik, besonders der sowjetischen Beutepraxis, laut Rezensent eher im Material ersäuft, als es zu erhellen. Wissenschaftlich gesehen bewegt sich Musial nach Henke zudem wie ein Elefant im Porzellanladen, missachtet fröhlich Forschungsergebnisse und macht sich mit "Anti-Establishment-Gestus" gegen Kritik immun. Schließlich bietet Henke dem Autor Nachhilfe in verschiedenen Fächern (etwa zur Potsdamer Reparationsregelung) an, und dass der Band sich in großen Teilen gar nicht dem Titelthema widmet, wie Henke feststellt, ist da fast schon nebensächlich.

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