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Ungekürzte Textausgabe mit zahlreichen farbigen Filmfotos Deutschland, 1933: Ernst Lossa stammt aus einer Familie von »Jenischen«, Zigeuner, wie man damals sagte. Er gilt als schwieriges Kind, wird von Heim zu Heim geschoben, bis er schließlich - obgleich völlig gesund - in die psychiatrische Anstalt in Kaufbeuren eingewiesen wird. Hier nimmt sein Leben die letzte, schreckliche Wendung: In der Nacht zum 9. August 1944 bekommt er die Todesspritze verabreicht. Ernst Lossa wird mit dem Stempel »asozialer Psychopath« als »unwertes Leben« aus dem Weg geräumt.
Ausstattung: Mit farbigen Filmfotos

Produktbeschreibung
Ungekürzte Textausgabe mit zahlreichen farbigen Filmfotos
Deutschland, 1933: Ernst Lossa stammt aus einer Familie von »Jenischen«, Zigeuner, wie man damals sagte. Er gilt als schwieriges Kind, wird von Heim zu Heim geschoben, bis er schließlich - obgleich völlig gesund - in die psychiatrische Anstalt in Kaufbeuren eingewiesen wird. Hier nimmt sein Leben die letzte, schreckliche Wendung: In der Nacht zum 9. August 1944 bekommt er die Todesspritze verabreicht. Ernst Lossa wird mit dem Stempel »asozialer Psychopath« als »unwertes Leben« aus dem Weg geräumt.

Ausstattung: Mit farbigen Filmfotos
Autorenporträt
Robert Domes, geboren 1961 im bayerischen Ichenhausen, studierte Politik und Kommunikationswissenschaften in München. Er arbeitete jahrelang als Redakteur bei der Allgäuer Zeitung, zuletzt als Leiter der Lokalredaktion in Kaufbeuren, bevor er sich 2002 als Journalist und Autor selbstständig machte. »Nebel im August«, sein erstes Jugendbuch über ein ¿Euthanasie¿-Opfer im Dritten Reich, wurde auf Anhieb ein großer Erfolg. Inzwischen gibt es davon eine hochkarätige, vielfach ausgezeichnete Verfilmung von Kai Wessel mit Ivo Pietzcker in der Hauptrolle.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.09.2016

Die Welt in seinen Augen
In seiner Romanbiografie „Nebel im August“ recherchierte Robert Domes das Leben von
Ernst Lossa, der in Irsee ermordet wurde. Jetzt kommt die Verfilmung in die Kinos
VON SABINE REITHMAIER
Ernst Lossa blickt direkt in die Kamera. Er lächelt ganz leicht, fast unmerklich. Zwölf Jahre war er alt, als das Foto 1942 bei seiner Aufnahme in die Heilanstalt Kaufbeuren entstand. Zwei Jahre später war er tot, ermordet durch eine Überdosis Morphium. Ernst Lossa ist einer von mehr als 200 000 Menschen, die zwischen 1939 und 1945 in deutschen Psychiatrien getötet wurden. 72 Jahre nach seinem Tod kommt seine Geschichte ins Kino.
  Der Film „Nebel im August“ (Regie: Kai Wessel) basiert auf dem gleichnamigen, 2008 erschienenen Roman von Robert Domes (cbt Verlag). „Der Blick Lossas hat mich von Anfang an gepackt“, sagt Robert Domes, während er in Irsee die „Prosektur“ aufsperrt. Schon den Amerikanern war es so ergangen, als sie in den Verhören nach Kriegsende alle Klinikmitarbeiter gezielt nach dem Schicksal des Buben fragten. Aus 2300 Opferakten wählten sie genau die seine aus, um an einem konkreten Schicksal die Ereignisse zu dokumentieren. Auch Michael von Cranach konnte sich dem Blick nicht entziehen. Dem langjährigen Ärztlichen Direktor des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren ist es in erster Linie zu verdanken, dass die Geschichte der Kaufbeurer und Irseer Anstalt während der Nazizeit so präzis aufgearbeitet wurde. Er überreichte Domes im Sommer 2002 die Akte Lossas und forderte ihn auf, daraus ein Buch zu machen. „Erst wollte ich nicht“, erinnert sich Domes. Die Geschichte erschien ihm zu grausam, zu belastend. „Aber da war eben dieser Blick.“  Eine seiner ersten Recherchestationen war die Prosektur. Das kleine Gebäude liegt versteckt auf der Nordseite der ehemaligen Klosteranlage Irsee, die jahrzehntelang erst als „Kreisirrenanstalt“, dann als Zweigstelle der Pflegeanstalt Kaufbeuren genutzt wurde. Hier sezierten die Ärzte die Leichen der Patienten, um ihre Todesursache festzustellen. Auch dann, wenn sie, wie in der Nazi-Zeit ganz genau wussten, woran die Patienten gestorben waren: Verhungert durch gezielt eingesetzte Magerkost oder ermordet durch Spritzen.
  Ernst Lossa half hier dem Pfleger Max Ries, die Toten vor der Beerdigung herzurichten. Vermutlich wusste er auch deshalb ziemlich genau, was in Irsee vor sich ging. Er rechnete nicht mit seinem Überleben. Sonst hätte er sich kaum gewünscht, von Ries „schön eingesargt“ zu werden, wie der Pfleger vor Gericht berichtete.
  1972 wurde die Irseer Abteilung für psychisch Kranke aufgelöst, wenige Jahre später in ein Bildungszentrum umgestaltet. Nur in der Prosektur sieht es noch genauso aus wie damals. „Vermutlich haben sie den Raum vergessen“, sagt Domes. Eine Tür öffnet sich direkt zum Garten. Die Leichen konnten unauffällig von der Klinik hierher und, über die zweite Tür, zum Friedhof transportiert werden. Heute ist die Prosektur eine Gedenkstätte für die Opfer der NS-Euthanasie, es ist immer noch hart, im Vorraum an Beate Passows Triptychon „Möchte ich Sie noch höflichst bitten, mir folgende Fragen zu beantworten“ vorbeizugehen. Es zeigt eines der verzweifelten Kinder, fotografiert von den Tätern.
  Ernst Lossa war kein „Zigeuner“, er stammte aus keiner Sinti- oder Roma-Familie, sondern seine Familie gehörte zum fahrenden Volk der Jenischen. Er war weder behindert noch geisteskrank. Trotzdem musste er sterben. „Eine reine Willkürentscheidung“, sagt Domes. Geboren 1929 landet der Vierjährige in einem Augsburger Kinderheim, seine zwei jüngeren Schwestern und ein Babybruder kommen in ein Säuglingsheim. Die Mutter ist krank, 1933 stirbt sie an TBC, 23 Jahre alt. Der Vater ist als nicht sesshafter Händler unterwegs, ein Beruf, der nicht ins Weltbild der Nazis passt. Daher sperren ihn die Behörden von 1935 an fast unentwegt ein. 1942 stirbt er im KZ Flossenbürg.
  Mühsam lernt Ernst Lossa sich durchzuschlagen, prügelnde Nonnen und Erziehern auszutricksen, mit der unbarmherzigen Hackordnung klarzukommen. Um Lossas Alltag beschreiben zu können, hat Domes nicht nur alte Akten durchforstet, Zeugnisse und Beurteilungen gelesen, sondern auch Zeitzeugen ausfindig gemacht, die mit Ernst Lossa gleichzeitig in den Heimen waren. „Sie erinnern sich an einen Lausbuben und an gemeinsame Streiche.“
  Lossas zweite Station war das NS-Erziehungsheim in Markt Indersdorf. 40 Kisten mit Zöglingsakten hat Domes durchgearbeitet, entsetzliche Geschichten von Missbrauch und Verwahrlosung gelesen. Und die Gutachten von Dr. Hell, die er lieber „Schlechtachterin“ nennt. Kein einziges Kind, das sie positiv beurteilt. Ernst Lossa attestiert sie, ein „selten stark abartiges und damit gemeinschaftsunfähiges Kind“ zu sein.
  Im April 1942 schiebt man den als nicht erziehbar eingestuften Buben in die Heilanstalt Kaufbeuren ab. Dort schreibt er den einzigen Brief, der bislang von ihm gefunden wurde. In ihm schildert er dem Indersdorfer Direktor, der ihn als triebhaften Psychopathen eingestuft hatte, seinen Alltag in Kaufbeuren. „Ein richtig süßer Kinderbrief“ sei das, sagt Domes.
  In der Kinderfachabteilung, in der Lossa zunächst landet, lässt Anstaltsdirektor Valentin Faltlhauser systematisch Kinder töten. 210 werden es bis Kriegsende sein, die Pflegerin Mina Wörle „wegspritzt“ oder mit Überdosen vergiftet. Dann wechselt Lossa in die Männerabteilung, in der Faltlhauser gerade die „Hungerkost“ eingeführt hat. Essen ohne Mehl, Fett und Zucker muss für die nicht-arbeitsfähigen Patienten genügen. Die Kranken sterben in Scharen, Kaufbeuren und Irsee gilt anderen Anstalten als leuchtendes Vorbild.
  Im Mai 44 wird Lossa nach Irsee verlegt. Hier lernt er Nandl kennen, verliebt sich, freundet sich mit Max Ries an, verteilt Lebensmittel an andere Patienten. Nicht nur die Fakten – einschließlich der jeweiligen Wetterlage – auch alle Figuren sind exakt recherchiert und historisch belegt. „Aber trotz all der Details wusste ich nicht, wie er sich gefühlt hat“, sagt Domes. Die meisten Infos stammen aus Akten, geschrieben von Menschen, die Lossa ablehnten. „Den Täterblick wollte ich nicht einnehmen“, sagt Domes. Daher entschied er sich, eine fiktionale Biografie zu schreiben und die Welt mit den Augen Ernst Lossas zu sehen.
  Anders als Domes’ Roman konzentriert sich der Film auf Lossas Zeit in der Heil- und Pflegeanstalt. Die Orte Kaufbeuren und Irsee kommen allerdings nicht vor, auch die Namen der meisten Personen sind verändert. Aus Faltlhauser etwa wird Dr. Walter Veithausen (Sebastian Koch). Domes stört das nicht. „Irsee war überall“, sagt er. „Das ist keine lokale, sondern eine universale Geschichte.“ Der Film sei trotz der Veränderungen nah dran an der wirklichen Geschichte.
  Ernst Lossa ist auf dem ehemaligen Anstaltsfriedhof beerdigt. Viel ist nicht mehr zu sehen auf der terrassenförmig angelegten Wiese, die alten Holzkreuze sind längst verschwunden. Amalie Speidel, Lossas noch lebende Schwester, hat das nicht gestört. Sie suchte sich die Stelle, wo ihr Bruder laut Belegungsplan liegt, und erzählte ihm ihr Leben. Zutiefst bewegend sei das gewesen, sagt Domes. 40 Jahre hatte sie den Bruder aus ihrer bürgerlichen Welt verdrängt. Erst ein Zeitungsartikel 2002 weckte die Erinnerung. Auch da war sie sich noch nicht sicher, ob sie sich ihres „schlimmen“ Bruders nicht vielleicht doch schämen müsste. Inzwischen ist sie sehr stolz auf ihn. Sie freut sich auf die Filmpremiere und vor allem darauf, dass sie Hauptdarsteller Ivo Pietzcker, der fast genauso eindringlich schaut wie Ernst Lossa, umarmen kann.
Nebel im August, Premiere Di., 27.9., 19.30 Uhr im City-Kino München, von 29.9. an im Kino
„Irsee war überall –
das ist eine universale und
keine lokale Geschichte“
Robert Domes,
geboren 1961, arbeitete
lange als Redakteur und Lokalchef der „Allgäuer Zeitung“, bevor er sich 2002 als Autor und Journalist selbständig machte. Für „Nebel im August“ hat er fünf Jahre recherchiert. Foto: S. Schatz
Keine Lust sich noch länger mit dem schwierigen Ernst Lossa (Ivo Pietzcker) abzugeben, hat Dr. Werner Veithausen (Sebastian Koch). „Nebel im August“ erzählt die Lebensgeschichte des 1944 von Nazi-Psychiatern ermordeten Buben. Das Foto unten stammt aus seiner Krankenakte und zeigt ihn als Zwölfjährigen. Fotos: Archiv des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren / Anjeza Cikopano, Studiocanal
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»Diskussion zum Fall Ernst Lossa: "Je tiefer Domes sich in Lossas Leben hineingrub, desto klarer wurde ihm, dass er einen Roman schreiben wollte.« Süddeutsche Zeitung und sz.de über »Nebel im August: Die Lebensgeschichte des Ernst Lossa«