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Kaum ein Phänomen spiegelt die inneren Zusammenhänge moderner Gesellschaftsformen in Bezug auf Krieg und Gewalt so deutlich wider wie der zivile Luftschutz. In der Zeit bis 1939 bauten alle modernen Gesellschaften dazu einen ausgedehnten Apparat auf, der schließlich Millionen von Menschen umfasste. Da der Bombenkrieg alle Bereiche des Lebens bis in die Privatsphäre hinein bedrohte, musste alles und jeder mobilisiert werden. Der Vergleich zwischen Großbritannien und Deutschland legt die Tiefenstrukturen beider Ordnungen offen und wendet dafür die Herrschaftstypologie von Max Weber an.…mehr

Produktbeschreibung
Kaum ein Phänomen spiegelt die inneren Zusammenhänge moderner Gesellschaftsformen in Bezug auf Krieg und Gewalt so deutlich wider wie der zivile Luftschutz. In der Zeit bis 1939 bauten alle modernen Gesellschaften dazu einen ausgedehnten Apparat auf, der schließlich Millionen von Menschen umfasste. Da der Bombenkrieg alle Bereiche des Lebens bis in die Privatsphäre hinein bedrohte, musste alles und jeder mobilisiert werden.
Der Vergleich zwischen Großbritannien und Deutschland legt die Tiefenstrukturen beider Ordnungen offen und wendet dafür die Herrschaftstypologie von Max Weber an. Untersucht werden vor allem Organisation, Ideologie und Propaganda. Dabei fließen auch die Ergebnisse der modernen Meinungsforschung mit ein.
Autorenporträt
Bernd Lemke, geboren 1965, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich "Einsatzgeschichte" am Zentrum für Militrgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.07.2005

Bedrohung von oben
Luftschutz in Deutschland und Großbritannien bis 1939

Bernd Lemke: Luftschutz in Großbritannien und Deutschland 1923 bis 1939. Zivile Kriegsvorbereitungen als Ausdruck der staats- und gesellschaftspolitischen Grundlagen von Demokratie und Diktatur. R. Oldenbourg Verlag, München 2005. 524 Seiten, 44,80 [Euro].

Mit seinen menschenmähenden Maschinengewehren und wälzenden "Tanks" markierte der Erste Weltkrieg eine neue Dimension internationaler Konflikte. Neben der komplexen Einspannung der Volkswirtschaften öffnete auch die Eroberung der Lüfte einen neuen Horizont der Kriegführung. Wer sich klarmachte, was Flugzeuge als Waffen künftig würden bewirken können, der mußte über die Bedrohung der Heimatbevölkerung nachdenken: "Es gibt für den Luftkrieg keinen Unterschied mehr zwischen Kampffeld und friedlichem Gebiet", faßte Rudolf Krohne 1928 eine Erkenntnis zusammen, die seit Anfang der zwanziger Jahre in vielen Ländern diskutiert wurde.

Die Haltung zum Luftschutz und zu zivilen Kriegsvorbereitungen lassen sich als ein Signum des Selbstverständnisses einer Gesellschaft lesen. Bernd Lemke vergleicht die vielfältigen Diskussionen und Initiativen in Deutschland und Großbritannien für die Zwischenkriegszeit und geht zugleich der Frage nach, inwieweit sich aus zivilen Kriegsvorbereitungen auch Erkenntnisse über die staats- und gesellschaftspolitischen Grundlagen von Demokratie und Diktatur ablesen lassen. Namentlich die Herrschaftstypologie Max Webers möchte Lemke für das Luftschutzthema "nutzbar" machen, wozu er die drei "Grundsatzkategorien" Organisation, Propaganda und Ideologie betrachtet. Das Ergebnis ist ambivalent: Einerseits bietet das Buch eine beeindruckende Fülle an zeitgenössischen Meinungen, Diskussionen und Details über Pläne und Aktionen zu Luftschutz und ziviler Kriegsvorbereitung auf beiden Seiten. Lemke präsentiert kenntnisreich Personen, Institutionen und Entwicklungen. Das zusammengetragene Material ist insofern hilfreich, weil es ein bislang vernachlässigtes und kaum aufsehen- erregendes Forschungsgebiet im Zwei-Länder-Vergleich abschreitet und in manchen Bereichen erst konstituiert.

Andererseits ist beim Blick auf den historischen Kontext unübersehbar, daß eine erweiterte Reflexion auf die verfügbaren Publikationen in beiden Ländern dem Werk förderlich gewesen wäre. Das gilt beispielsweise für die Herleitung des Themas in Großbritannien. Lemkes Porträt der britischen Gesellschaft vor 1918 und seine Erörterungen zu Themen wie Militär, Militarismus und Wehrhaftigkeit sind unscharf. Das gilt auch für die deutschen "Quellen". Angebliche Hitler-Äußerungen aus Hermann Rauschnings dubiosen "Gesprächen" sollte heute niemand mehr als authentisch zitieren. Für Hitlers Äußerungen vor 1933 sollten ebenso die neuesten Editionen verwendet werden wie für Zitate aus Goebbels' Tagebüchern. Diese Einwände werden verstärkt durch eine wiederholt störende Unschärfe bei Begriffen und Formulierungen. So sind militärische Tradition und Militarismus im deutsch-britischen Kontext differenziert konnotierte Termini, die entsprechend präzise erörtert werden sollten, ebenso Formulierungen wie "Systemzeit" oder "nationalsozialistisches System".

Schließlich bleibt die Frage, was der "Blickwinkel der Weberschen Typologie" für das von Lemke untersuchte Gebiet an Erkenntnisgewinn liefert. Wer das Buch liest, fragt sich regelmäßig, wie Webers Kategorien mit dem Diskurs über Luftschutz und zivile Kriegsvorbereitung sinnfällig kombinierbar sind, oder ob man zu denselben Schlüssen nicht auch ohne sie gelangt wäre. So kommt Lemke etwa zu dem wenig überraschenden Befund, daß die "organisatorische Aufbauarbeit in Großbritannien bis zum Beginn systematischer Anstrengungen in der Öffentlichkeit 1935/36 die rational-legale Herrschaftspraxis in fast reiner Form" widerspiegelte. Wenn er folgert, daß die "dauerhafte Etablierung eines Diktators und von Machtstrukturen, die Webers Definition des charismatischen Typus entsprochen hätten", in Großbritannien "in der Perspektive der zivilen Verteidigungsplanung vollkommen ausgeschlossen" gewesen sei, dann fragt sich der Leser, welche neue Erkenntnis er daraus gewinnen soll. Überrascht es, daß Menschen in parlamentarischen Demokratien vergleichsweise rational-pragmatischer handeln, weil der Meinungswettbewerb freier Individuen dies befördert?

Das Bemühen der theoretischen Überhöhung wirkt überambitioniert. Seinen Wert erhält Lemkes Buch durch die umfängliche Materialsammlung zum Zwei-Länder-Vergleich des Luftschutz-Diskurses und die Präsentation vielfältiger Positionen zur zivilen Konfliktvorbereitung, die die Zwischenkriegszeit durchzogen.

MAGNUS BRECHTKEN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Einen zwiespältigen Eindruck hat Bernd Lemkes Buch über Luftschutz in Deutschland und Großbritannien zwischen 1923 und 1939 bei Rezensent Magnus Brechtken hinterlassen. Beeindruckend findet Brechtken die Fülle an zeitgenössischen Meinungen, Diskussionen und Details über Pläne und Aktionen zu Luftschutz und ziviler Kriegsvorbereitung auf beiden Seiten, die Lemke ausbreitet. Zudem lobt er dessen Darstellung von Personen, Institutionen und Entwicklungen als "kenntnisreich", zumal es sich um ein Forschungsgebiet handelt, das bislang vernachlässigt wurde. Andererseits hätte er sich eine erweiterte Reflexion auf die verfügbaren Publikationen in beiden Ländern gewünscht. Lemkes Porträt der britischen Gesellschaft vor 1918 und seine Erörterungen zu Themen wie Militär, Militarismus und Wehrhaftigkeit hält er ebenso wie den Umgang mit den deutschen Quellen für ungenau. Zudem hält er dem Autor "störende Unschärfe" bei Begriffen und Formulierungen vor. Das Resümee des Rezensenten: "Seinen Wert erhält Lemkes Buch durch die umfängliche Materialsammlung zum Zwei-Länder-Vergleich des Luftschutz-Diskurses und die Präsentation vielfältiger Positionen zur zivilen Konfliktvorbereitung, die die Zwischenkriegszeit durchzogen."

© Perlentaucher Medien GmbH
"Bernd Lemke liefert mit seiner Arbeit eine ebenso fruchtbare wie verlässliche Pilotstudie. Alle kommenden Untersuchungen werden, sei es zustimmend, sei es kritisch, an seine Ergebnisse anschließen. Ein Desiderat der Luftkriegsgeschichte ist geschlossen." Jörn Brinkhus in: H-Soz-u-Kult, Juli 2005