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Dramaturgie göttlich Das weltberühmte Monodrama Als im Jahr 1976 die Uraufführung des Stücks gemeinsam in Dresden und Berlin stattfand, reagierten Presse und Publikum überschwänglich. Es war die Rede von einem "blendenden, dramaturgisch vollendeten Monodrama" und einem "brillanten Theaterstück", das die "begeisterte Zustimmung des Premierenpublikums" erhielt. Was ist es, das bis heute die mitreißende Wirkung der Geschichte von Charlotte von Stein, die sich nach Goethes fluchtartigem Weggang aus Weimar 1786 in Tiraden enttäuschter Liebe ergeht, ausmacht? - Es ist dies Hacks' Gespür für große…mehr

Produktbeschreibung
Dramaturgie göttlich Das weltberühmte Monodrama Als im Jahr 1976 die Uraufführung des Stücks gemeinsam in Dresden und Berlin stattfand, reagierten Presse und Publikum überschwänglich. Es war die Rede von einem "blendenden, dramaturgisch vollendeten Monodrama" und einem "brillanten Theaterstück", das die "begeisterte Zustimmung des Premierenpublikums" erhielt. Was ist es, das bis heute die mitreißende Wirkung der Geschichte von Charlotte von Stein, die sich nach Goethes fluchtartigem Weggang aus Weimar 1786 in Tiraden enttäuschter Liebe ergeht, ausmacht? - Es ist dies Hacks' Gespür für große Stoffe, sein vollendetes Formbewusstsein und virtuoser Sprachwitz.
Autorenporträt
Ralf Klausnitzer, Literaturwissenschaftler, wurde 1967 in Leipzig geboren. Zurzeit hat er eine Vertretungsprofessur an der Humboldt-Universität zu Berlin inne. Peter Hacks (1928¿2003) war Lyriker, Dramatiker, Essayist und Kinderbuchautor, ausgezeichnet u.a. mit dem Lessingpreis, dem Kritikerpreis der BRD, dem Nationalpreis der DDR, dem Heinrich Mann Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.01.2011

Die Kutsche gewinnen und aus der Hölle in den italienischen Himmel fahren
Noch immer ein Meisterstück in der Kunst, den Klassiker in Fiktion zu verwandeln: Das „Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ von Peter Hacks
Was kann literarische Fiktion bei gut dokumentierten historischen Stoffen leisten, was darf sie sich erlauben? Auf jeden Fall hat sie die Möglichkeit, das Bekannte zu ergänzen, auszumalen, zu veranschaulichen, hinter die Kulissen zu treten und ins Bewusstsein handelnder Personen zu blicken. All das läuft darauf hinaus, Lücken der Überlieferung zu schließen, aber nicht das Überlieferte umzuschreiben. Solche Ergänzungen können recht weit gehen, ein erfundener Held kann in bekannte Szenerien geschickt werden, wie Stendhals Fabrizio aufs Schlachtfeld von Waterloo oder wie Wolfgang Hildesheimers Marbot, der die Epoche Goethes durchreist und dabei alle Großen kennenlernt.
Einen Sonderfall stellt die hypothetische Geschichtsschreibung dar, die auch Romanform annehmen kann: Sie überlegt, wie die Geschichte sich entwickelt hätte, wenn bestimmte große Entscheidungen und Ereignisse anders ausgefallen wären. Wie hätte die Welt ohne Hitlers Machtergreifung ausgesehen? Was wären die Folgen gewesen, wenn Charles Lindbergh 1940 amerikanischer Präsident geworden wäre? Dies malte ein faszinierender Roman von Philip Roth aus (Verschwörung gegen Amerika, 2005).
Aber darf man die wohlbekannte Biografie eines Genies nach Belieben verändern? Da man in den Künsten alles darf, natürlich auch das. Es fragt sich nur, was das bringen soll. Der „Goethe!“-Film von Philipp Stölzl hat mutmaßlich die Absicht, den Klassiker einem heutigen Publikum näher zu bringen. Aber was nützt das, wenn die dabei entworfene Gestalt zwar „Goethe“ heißt, aber kaum noch Ähnlichkeiten mit der umfangreich dokumentierten historischen Figur hat? Die Rezeptionserleichterung wird schnell zum Hindernis, das man wieder wegräumen muss, um den wirklichen Goethe und vor allem seine Werke in den Blick zu bekommen. Mehr als eine Weckung von Interesse, das hinterher nur allzu leicht enttäuscht wird, ist nicht drin.
Krasser sind Unterhaltungsromane wie das „Hamlet-Komplott“ des Krimi-Autors Robert Löhr (Piper Verlag, 2010), in dem Goethe und seiner Frau der Totschlag eines französischen Soldaten im eigenen Weimarer Haus 1806 angedichtet wird, und das Goethe danach in eine reichspolitische Verschwörung zusammen mit Kleist, August Wilhelm Schlegel, Tieck und – ausgerechnet – Madame de Stael verwickelt. Die „Goethe“ genannte Gestalt dieses Romans hat mit der uns bekannten Persönlichkeit nichts mehr zu tun, sie ist in Wahrheit eine Goethe-Puppe ähnlich jener wie sie vor Jahr und Tag der Spiegel-Autor Mathias Matussek in seinem Video-Blog für sich sprechen ließ. Eine solche Goethe-Puppe kann der Rezeption des Dichters nur schaden, weil sie die Phantasie mit Albernheiten besetzt. Krimi-Spaß kann man sich ja auch anderswo holen.
Ergänzend und ausfüllend wie klassische historischer Fiktion verfährt dagegen der überragende Roman zu Goethe, Thomas Manns „Lotte in Weimar“. Hier ist im Grob-Faktischen fast nichts erfunden, und das Wenige erst am Ende des Buches, bei der Begegnung zwischen Goethe und seiner Jugendliebe Charlotte Kestner, geborene Buff, in der Kutsche. Für fast alles Andere lassen sich Quellen beiziehen, die Thomas Mann zitiert, variiert und fortschreibt – gerade letzteres ist im Falle Goethes ja nichts Kleines, denn der Roman muss sich dafür, wie sein Motto aus dem „West-östlichen Divan“ es sagt, auf Goethes Bahnen wagen, also versuchen ihm gleichzukommen. So zeigt Manns Buch seinen Helden erst einmal in den wiederholten Spiegelungen seiner Umgebung, am brillantesten in der Figur des Mitarbeiters Riemer, den „Lotte in Weimar“ regelrecht neu entdeckt. Erst im letzten Drittel tritt Goethe selbst auf, erst kurz vor Schluss dürfen wir einen gewagten Blick in sein Inneres werfen.
Diesem Verfahren folgt auch die zweite gelungene Goethe-Fiktion der deutschen Literatur, das Monodrama „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ von Peter Hacks. Wie der Titel sagt, tritt Goethe hier überhaupt nicht auf, der Zuschauer lauscht einem Monolog, in dem nur die durch Goethes Abreise nach Italien 1786 tief verletzte Charlotte von Stein zu Wort kommt. Hacks hat als Student eine Seminar-Arbeit über „Lotte in Weimar“ erstellt, der Thomas Mann seine Anerkennung nicht versagte. Und in gewisser Weise radikalisiert Hacks das Verfahren dieses Romans. Wie wenig Tatsächliches Hacks erfunden hat, kann man nun einer kommentierten Neuausgabe von Ralf Klausnitzer entnehmen, die zudem alle poetologischen Selbstaussagen und viel dokumentarisches Material bietet und mit einem klugen Nachwort schließt.
Auch Peter Hacks erkühnt sich auf Goethes Bahnen, und anders als in den Essays, in denen Hacks seinen Helden zum bonapartistischen Kulturdiktator umfälscht, gerät das Bild im Spiegel der ein Jahrzehnt lang umworbenen Frau lebensecht, weil hinreichend rätselhaft. Die Verstörtheit der zweieinhalb Stunden lang redenden und sich dabei immer weiter entblößenden Frau von Stein zeigt mehr von dem Ausnahmewesen Goethe als es ein direkter Blick leisten könnte, der so tut, als begriffe er, was in diesem Kopf vorging.
Dabei bleibt die Geschichte, die das Drama von Hacks zur Erscheinung bringt, durchaus spekulativ, eine historische Fiktion. Hacks selbst hat sie so zusammengefasst: „Eine Vampirartige stiehlt dem zweitgrößten Dichter der Welt, dem größten Deutschlands, die besten zehn Jahre seines Geschlechtslebens, bis ihm gelingt, die Postkutsche zu gewinnen und aus dieser Hölle in den italienischen Himmel zu fahren.“ Zurecht nennt Hacks diese Geschichte mythisch; sie entfaltet ein Barocktableau, für das Hacks sich sogar auf Goethes Monodrama „Proserpina“ beruft.
Hacks’ Drama wurde mehr als 200 mal inszeniert, erfahren wir in den Materialien; überschlägig darf man also mit einer Zuschauerzahl im sechs- oder sogar siebenstelligen Bereich rechnen. Man sieht, es muss nicht immer doof und knallig zugehen, wenn Goethe auf die Bühne, die Leinwand oder zwischen Buchdeckel gebracht wird.
GUSTAV SEIBT
PETER HACKS: Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe. Schauspiel. Herausgegeben von Ralf Klausnitzer. Aurora Verlag, Berlin 2010. 160 Seiten, 7,95 Euro.
Frau von Steins Monolog über ihn
zeigt mehr von Goethe als ein
vorgeblicher Blick in sein Inneres
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Gustav Seibt begrüßt diese kommentierte Neuausgabe von Peter Hacks Drama "Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe". Das Werk scheint ihm neben Thomas Manns Goethe-Roman "Lotte in Weimar" eines der ganz wenigen gelungenen Versuche, Goethe literarisch näher zu kommen. Ja, er würdigt Hacks Drama als ein "Meisterstück in der Kunst, den Klassiker in Fiktion zu verwandeln". Das Drama, in dem, verletzt durch Goethes Abreise nach Italien, nur Charlotte von Stein zu Wort kommt, enthüllt im Spiegel ihres Monologs seines Erachtens wesentlich mehr vom Wesen Goethes als es ein "direkter Blick leisten könnte". An vorliegender Neuausgabe schätzt Seibt nicht zuletzt den Kommentar, die Fülle von dokumentarischen Material sowie das "kluge" Nachwort.

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