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Die amerikanische Universitätsprofessorin Deborah E. Lipstadt (Rachel Weisz) wird unerwartet zur Verteidigerin der historischen Wahrheit, als der britische Autor David Irving (Timothy Spall) sie wegen Verleumdung verklagt. In ihrem jüngsten Buch hatte Lipstadt ihm die Leugnung des Holocaust vorgeworfen. Durch das britische Justizsystem in die Defensive gedrängt, steht sie nun gemeinsam mit ihren Verteidigern, angeführt von Richard Rampton (Tom Wilkinson), vor dem absurden Problem, nicht nur sich selbst zu verteidigen, sondern auch beweisen zu müssen, dass der Holocaust tatsächlich…mehr

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Produktbeschreibung
Die amerikanische Universitätsprofessorin Deborah E. Lipstadt (Rachel Weisz) wird unerwartet zur Verteidigerin der historischen Wahrheit, als der britische Autor David Irving (Timothy Spall) sie wegen Verleumdung verklagt. In ihrem jüngsten Buch hatte Lipstadt ihm die Leugnung des Holocaust vorgeworfen. Durch das britische Justizsystem in die Defensive gedrängt, steht sie nun gemeinsam mit ihren Verteidigern, angeführt von Richard Rampton (Tom Wilkinson), vor dem absurden Problem, nicht nur sich selbst zu verteidigen, sondern auch beweisen zu müssen, dass der Holocaust tatsächlich stattgefunden hat.
Statt sich jedoch eingeschüchtert zu geben, weckt diese scheinbar unlösbare Aufgabe ihren Kampfgeist. Lipstadt lehnt jeden Vergleich ab und stellt sich vor Gericht ihrem unerbittlichen Gegner...

Bonusmaterial

Interviews mit Cast & Crew
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2017

Mr. Irving bitte

Als alles vorbei ist, geht David Irving, gespielt von Timothy Spall, hinüber zu seinem Konkurrenten und hält ihm die Hand hin. Richard Rampton, verkörpert von Tom Wilkinson, verweigert dem Mann den Handschlag, dessen bürgerliche Ehre er soeben zerstört hat. So endet in Mike Jacksons Kinofilm "Verleugnung" ("Denial"), der seit Donnerstag in Deutschland läuft, das Gerichtsdrama.

Die Szene stellt die Ausgangssituation wieder her, aus der das Drehbuch des Dramatikers David Hare den nach juristischen Regeln ausgetragenen Konflikt hervorgehen lässt. Die amerikanische Historikerin Deborah Lipstadt hält vor Studenten einen Vortrag zum Thema Holocaustleugnung, worüber sie ein Buch verfasst hat. Aus einer hinteren Reihe meldet sich ein älterer Herr: Er sei jener David Irving, der englische Historiker, den sie in ihrem Buch als Holocaustleugner bezeichne. Irving wirft Lipstadt vor, dass sie sich weigere, mit ihm zu debattieren. Die Überrumpelte bekräftigt, dass sie nicht mit ihm sprechen wird. Das Publikum irritiert sie mit dieser Haltung, die im Widerspruch zu den Gepflogenheiten akademischer Courtoisie steht. Durch das Urteil, das Sir Charles Gray am 11. April 2000 in dem Verleumdungsprozess sprach, den Irving in London gegen Lipstadt und ihren Verlag Penguin Books angestrengt hatte, wurde Lipstadts Weigerung ins Recht gesetzt, Irving als Kollegen zu behandeln, also als Mitstreiter, dem sie pro forma den Willen hätte unterstellen müssen, sich von ihr durch Gründe belehren zu lassen.

Die Weigerung, eine ausgestreckte Hand zu ergreifen, ist der Inbegriff der Unhöflichkeit. Die Tugend der Großmut gegenüber dem Unterlegenen hat konstitutiven Charakter für eine zivilisierte Politik. Irving will sich als guter Verlierer zeigen. Rampton, der siegreiche Anwalt, lehnt es ab, den Sportsmann zu spielen. Dass kein Zuschauer in diesem Moment Mitleid für Irving empfinden wird, ist ein Zeugnis für die Schauspielkunst von Timothy Spall, der für die unheimliche Person mit den versteinerten Zügen und den unruhigen Augen ein Interesse weckt, das nie in Teilnahme an dem Menschen hinter der Maske umschlägt. Es zeigt aber auch, wie gut das Drehbuch die moralische Dynamik des Prozessgeschehens erfasst hat.

Nach dem Ende des Prozesses setzt Rampton sein Prozessverhalten fort. Mit dem Urteil kann der Streitgegenstand nicht zu den Akten gelegt werden. Im Libel Law ist die strittige Sache eine Person. Mit einem Holocaustleugner verkehrt Rampton nicht von gleich zu gleich. Im Prozess hat er Irving das spüren lassen. Lag in dieser Strategie der Verteidigung nicht ein schwer kalkulierbares Risiko? Waffengleichheit der Parteien ist zumal im angelsächsischen Rechtswesen die erste Bedingung eines fairen Verfahrens.

Elf Jahre nach dem Prozess haben Alison Johnson und Ruth Clifford ihn in einer Fachzeitschrift für Höflichkeitsforschung exemplarisch untersucht ("Polite incivility in defensive attack: Strategic politeness and impoliteness in cross-examination in the David Irving vs. Penguin Books Ltd and Deborah Lipstadt trial", in: Journal of Politeness Research, Bd. 7/ 2011, De Gruyter). Die Autorinnen betrachten den Gerichtssaal als Arena der strategischen Unhöflichkeit. Hier sind die Spielregeln der kommunikativen Auseinandersetzung in höchstem Maße formalisiert, beginnend mit den Förmlichkeiten der wechselseitigen Bezugnahme. Gleichwohl ist unhöfliches Verhalten regelmäßig nötig und auch gestattet: Man muss die Gegenseite provozieren und bloßstellen.

Johnson und Clifford konzentrieren sich auf die Kreuzverhöre, in denen sich die Verhandlung zum Duell zuspitzt. Irving trat als sein eigener Rechtsbeistand auf, so dass alles auf seiner Seite Geäußerte ihm persönlich zugerechnet werden musste: Damit steigerte er das Risiko von Formfehlern nicht nur im juristischen Sinne. Gut macht der Film sichtbar, dass Irving sich in dieser Weise exponieren wollte: Die Pose der selbstgesuchten Vereinzelung parodiert die Einsamkeit des Wahrheitssuchers. Johnson und Clifford unterscheiden eine unverhüllte Unhöflichkeit aus Notwehr und eine in die Formen der Höflichkeit verkleidete rhetorische Aggression. In der statistischen Auswertung der Kreuzverhörprotokolle liegt Irving in der einen Kategorie vorne, Rampton in der anderen. Irving fiel Rampton häufiger ins Wort als umgekehrt; Rampton machte sich ein Vergnügen daraus, den Zeugen in eigener Sache förmlich als "Mr Irving" anzureden und der unangenehmsten Aufforderung die Floskel "please" beizufügen.

Auf den Kopf musste Mr Irving sich zusagen lassen, dass er ein Rassist und Antisemit sei. Die Verteidigung der als verleumderisch gerügten Sätze von Deborah Lipstadt beruhte auf der Prämisse, dass sie der Wahrheit entsprachen, weshalb Rampton die Vorwürfe wiederholte und sein Gegenüber im Gerichtssaal mit Ausdrücken belegte, die höfliche Menschen um fast jeden Preis vermeiden.

Was hat uns der Film "Verleugnung" zu lehren? Ist die untrennbar mit dem Antisemitismus verbundene Holocaustleugnung ein Phänomen sui generis, oder steht sie für einen sich im Zeichen von Fake News ausbreitenden Typus antisozialen Verhaltens, der demonstrativen Missachtung ziviler Umgangsformen und rationaler Beweisregeln? Dem singulären Anlass zum Trotz konnten die Höflichkeitsforscherinnen am Irving-Prozess Eigenheiten von Gerichtsverfahren überhaupt dingfest machen.

PATRICK BAHNERS

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