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Im südfranzösischen Aden droht dem Werk der Perrin Industrie, dem einzigen größeren Arbeitgeber der Region, die Schließung. Obwohl die gut tausend Mitarbeiter schon Zugeständnisse bei Lohn und Arbeitszeiten gemacht hatten, um ihre Jobs zu erhalten, und trotz Rekordgewinnen in der letzten Bilanz will die Firma, die inzwischen einem deutschen Konzern gehört, das Werk in Aden wegen zu geringer Produktivität dicht machen. Gemeinsam und solidarisch wollen die Arbeiter und Angestellten gegen die Schließung des Werks protestieren. Der altgediente Gewerkschafter Laurent Amédéo führt den Streik an.…mehr

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Produktbeschreibung
Im südfranzösischen Aden droht dem Werk der Perrin Industrie, dem einzigen größeren Arbeitgeber der Region, die Schließung. Obwohl die gut tausend Mitarbeiter schon Zugeständnisse bei Lohn und Arbeitszeiten gemacht hatten, um ihre Jobs zu erhalten, und trotz Rekordgewinnen in der letzten Bilanz will die Firma, die inzwischen einem deutschen Konzern gehört, das Werk in Aden wegen zu geringer Produktivität dicht machen. Gemeinsam und solidarisch wollen die Arbeiter und Angestellten gegen die Schließung des Werks protestieren. Der altgediente Gewerkschafter Laurent Amédéo führt den Streik an. Doch die Verhandlungen dauern an und schon bald wird der Ton rauer. Es entspinnt sich ein nervenzehrender Existenzkampf, der auch unter den Angestellten Zwietracht sät.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.04.2019

Ihr Feind ist hart wie ein Flusskiesel
Stéphane Brizés Film "Streik" erzählt von den Opfern der Globalisierung

Wenn dem Kino nichts mehr einfällt, wird es dokumentarisch. Es ist ja auch so viel leichter, die Bilder, die man nicht erfinden will, in der Wirklichkeit zu finden: ein Ehepaar im Clinch um seine Kinder, Umweltzerstörung im Regenwald, Armutsflüchtlinge auf dem Mittelmeer. Die Echtheit des Materials beglaubigt scheinbar jeden Verwendungszweck, sei es als Pamphlet, Fallstudie oder bildliche Meditation. Aber der Zauber des Authentischen ist zweischneidig. Was ihm an Welthaltigkeit eignet, fehlt ihm an Prägnanz. Der dokumentarische Blick haftet an der Oberfläche des Geschehens, er dringt nicht zu den Kräften durch, die es bewegen, den Gefühlen und Phantasien seiner Akteure. Um diesen Mangel zu kompensieren, ist eine Mischform aus Erzählung und Dokument entstanden, die Dokufiction. In seinen schwächeren Momenten, wie in dem rumänischen Film "Touch me not", der letztes Jahr den Hauptpreis der Berlinale gewann, bringt dieses Genre das Schlechteste aus beiden Welten zusammen, die Rohheit des Dokumentarischen und die Künstlichkeit der Fiktion. Doch es gibt auch Gegenbeispiele.

Stéphane Brizés Film "Streik" beginnt mit Fernsehbildern aus einer Fabrik im südfranzösischen Agen. Das Werk des Autozulieferers Perrin soll geschlossen werden; die Arbeiter, deren Jobs auf dem Spiel stehen, halten es besetzt. Der Fernsehbericht ist fiktiv, aber er sieht aus wie jeder andere Nachrichtenbeitrag seiner Art, und so prägt er unseren Blick auf die Bilder, die ihm folgen.

Aus der Menge der Arbeiter rückt das Gesicht des Schauspielers Vincent Lindon in den Vordergrund. Lindon spielt Laurent Amédéo, den Vertreter der Gewerkschaft CGT, er ist der einzige Profi in einem Cast aus Amateuren. Aber man merkt es nicht. Wir wissen, dass Lindon ein Star des französischen Kinos ist, aber wir sehen es nicht, weil ihn der Film jedes Mal, wenn er allzu beherrschend ins Bild kommt, wieder loslässt. Mal wird der Ton ausgeblendet, wenn er zu einem Monolog am Telefon ansetzt, mal zieht sich die Kamera von ihm zurück, um in die Gesichter seiner Mitstreiter zu blicken. Dennoch verliert sie ihn nie aus den Augen. Lindon alias Laurent Amédéo ist das Zentrum der Geschichte, aber nicht ihr Held. So wie die Geschichte, die der Film erzählt, nicht nur die Geschichte eines Mannes oder einer Fabrik ist, sondern die Geschichte zahlloser Menschen, Fabriken und Arbeitskämpfe, die Geschichte einer Region und eines Landes im Europa des einundzwanzigsten Jahrhunderts.

Stéphane Brizé, der Regisseur, hat zuletzt mit "Ein Leben" einen Roman von Maupassant verfilmt (F.A.Z. vom 23. Mai 2018). Davor erkundete er in drei Spielfilmen den Alltag der französischen Unterschichten: Ein Maurer verliebt sich in die Lehrerin seines Sohnes ("Mademoiselle Chambon"), ein entlassener Häftling zieht zu seiner todkranken Mutter ("Der letzte Frühling"), ein Maschinist verliert seine Anstellung und muss sich als Supermarktdetektiv durchschlagen ("Der Wert des Menschen"). Die Maupassant-Adaption scheint aus dieser Werkliste herauszufallen, aber sie fügt sich sofort wieder ein, wenn man bedenkt, worum es in all diesen Geschichten eigentlich geht: Es geht um Würde. Um die Würde einer Frau, die um ihren Lebenstraum kämpft, die Würde eines Arbeitslosen, einer Sterbenden, eines hoffnungslos Liebenden. Keine von Brizés Figuren verlässt ihre Geschichte als Sieger, und doch hat jede am Ende das bewahrt, was am kostbarsten ist.

In "Streik", der im Original "En guerre" heißt, sieht es lange Zeit so aus, als würden die Arbeiter des Perrin-Werks alles verlieren: ihre Fabrik, ihre Stellen, ihre Zukunft. Aber dann, nach endlosen Anhörungen, Blockaden, Handgreiflichkeiten mit der Polizei, nach einem verlorenen Prozess und einer folgenlosen Intervention des Staatspräsidenten, lässt sich der Chef des Konzerns, dem die Firma Perrin gehört, zu einem Gespräch mit den Streikenden herbei. Brizé hätte diesen Martin Hauser mühelos zu einer Karikatur machen können. Aber Hauser, dessen Darsteller im echten Leben als Anwalt arbeitet, ist ein glaubhafter Vertreter des globalen Kapitalismus, glatt und hart wie ein Flusskiesel. Indem er dem Manager seine Würde lässt, schützt der Film seine eigene; und dadurch, dass er die Eskalation der Gewalt, die auf die gescheiterte Unterredung folgt, nicht direkt, sondern aus der Distanz einer weiteren fiktiven Fernsehreportage zeigt, bewahrt er die Integrität seines Blicks. Dokufiction ist ja gerade nicht die emotionale Anschärfung des Faktischen, sondern die Kunst, Erfundenes wahrhaftig aussehen zu lassen. Man glaubt dem Film nicht, weil er auf der richtigen Seite, sondern weil seine Kamera an der richtigen Stelle steht.

Brizé hat "Streik" in dreiundzwanzig Tagen in Paris und Südfrankreich gedreht, mit einer Besetzung aus Arbeitern, Angestellten und politischen Funktionären, die sich selbst oder ihresgleichen spielen. Doch der Film sähe auch nicht anders aus, wenn er in der doppelten Zeit und mit entsprechend größerem Budget entstanden wäre, weil er nicht von seiner Ausstattung lebt, sondern von seiner Haltung. Er blickt mit tiefer Sympathie auf seine Protagonisten, die ihre Lebenswelt gegen die Logik der Finanzmärkte verteidigen, aber er macht sich nicht mit ihnen gemein. Er dokumentiert einen Zorn, der in der Bewegung der "Gelbwesten" ein neues kollektives Ventil gefunden hat, aber er lädt diesen Zorn nicht melodramatisch auf. Vielleicht ist "Streik" deshalb im französischen Kino kein Kassenerfolg geworden. Umso wichtiger ist der Film als zukünftiges Dokument seiner Zeit: nicht als gefakte Langzeitreportage, sondern als Meilenstein der visuellen Kunst.

Das Ende des Films hat die Kritiker bei der Uraufführung in Cannes gespalten. Einige fanden es übertrieben pathetisch, andere angemessen tragisch. Fest steht, dass der Ausgang der Geschichte, für den sich Brizé entschieden hat, eine Zumutung ist, die über den Kinobesuch hinaus nachwirkt. Man wünschte sich, dasselbe irgendwann auch wieder über einen deutschen Spielfilm sagen zu können. Aber Filme wie "Streik" kommen nach wie vor nur aus Frankreich.

ANDREAS KILB

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