Berliner Dokumentarfilmer Gerd Kroske hat nun die Bilder der Karriere des Norbert Grupe zu einem abendfüllenden Film montiert, in dem Glanz und Elend dieses deutschen Lebens anschaulich werden. "Der Boxprinz" hatte das Talent zu einer großen Karriere, aber er hatte nicht das Augenmaß, um jeden Haken richtig zu setzen. Deswegen sind von ihm viele große Auftritte überliefert, aber nicht so viele Siege.
Für die Ansprüche des Dokumentarfilms aber ist diese Laufbahn ideal, zumal es Fernsehbilder von Grupe gibt, die legendär geworden sind. 1969 war er nach einem verunglückten Kampf zu Gast im Sportstudio des ZDF, wo er den Moderator so beharrlich anschwieg, daß sich der ganze Abgrund zwischen der biederen Sportauffassung der Fernsehmacher und dem gefährlichen Leben im Boxermilieu auftat. Kroske ist nicht der erste Filmemacher, den dieser Aspekt fasziniert. Schon Werner Herzog war von der Gewaltbereitschaft Grupes, der für Freunde auch den Rausschmeißer machte, begeistert und engagierte ihn für "Stroszek", wo er als Zuhälter der armen Eva und ihrem hilflosen Gönner ordentlich zusetzt.
"Der Boxprinz" ist eine Geschichte aus der Halbwelt, mit einer Szene vom Schauspielunterricht in Hollywood, die selbst für den neuen David Lynch zu absurd wäre, und mit Emporkömmlingen, die sich am Pool in Florida auch noch eine Latina als Schmuckstück neben den Box-Devotionalien halten. Die Protagonisten sind durchweg wenig sympathisch. Ein Mann, der stolz die sündige Meile abschreitet, ohrfeigt im Vorübergehen einen Ausländer, und die Zeugenaussage einer früheren Freundin enthüllt sehr deutlich, welchen Stellenwert die Frauen in dieser Welt haben. Grupe wurden schließlich die Drogen zum Verhängnis, der zuständige Saalwächter im Hamburger Gericht kann sich noch genau an den Prozeß erinnern.
Das Kleinbürgerdasein, das der Prinz von Homburg heute in Kalifornien lebt, führt alle Fragen nach einer kritischen Distanz des Filmemachers zu seinem Protagonisten ad absurdum. Es könnte banaler nicht sein, und wenn Kroske am Ende ein kleines Spiegelkabinett arrangiert, in dem Grupe seine Filmauftritte sichtet, dann wird ein "patschertes Leben" sichtbar, wie es in einem schönen österreichischen Lied heißt, in dem es auch um das Boxen und um das Verkrachen einer Existenz geht. Zwischen Melancholie und einer leichten Wollust im Angesicht der Gefahr hält Kroske die Balance. Ein Meister aller Klassen ist Norbert Grupe nie geworden, nach diesem Film aber ist klar, daß zumindest der Titel "Der Boxprinz" keine Anmaßung war.
BERT REBHANDL
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