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Eine kritische Betrachtung von digitalen Medien im Kontext unserer Mediengeschichte.Auf den ersten Blick scheinen Digitalia große Vorteile gegenüber gedruckten Texten zu haben: Wir sind es gewöhnt, das Neue als Versprechen auf eine bessere Zukunft zu betrachten, und setzen technische Neuerungen schnell mit Fortschritt gleich. Darüber hinaus bestechen die EReader mit enormer Speicherkapazität und Zugriffsgeschwindigkeit, und wir hoffen, mit ihrer Hilfe den Datenmengen unserer Kultur Herr zu werden.Der Literaturwissenschaftler Uwe Jochum zeigt jedoch, dass allen Digitalmedien ein fundamentaler…mehr

Produktbeschreibung
Eine kritische Betrachtung von digitalen Medien im Kontext unserer Mediengeschichte.Auf den ersten Blick scheinen Digitalia große Vorteile gegenüber gedruckten Texten zu haben: Wir sind es gewöhnt, das Neue als Versprechen auf eine bessere Zukunft zu betrachten, und setzen technische Neuerungen schnell mit Fortschritt gleich. Darüber hinaus bestechen die EReader mit enormer Speicherkapazität und Zugriffsgeschwindigkeit, und wir hoffen, mit ihrer Hilfe den Datenmengen unserer Kultur Herr zu werden.Der Literaturwissenschaftler Uwe Jochum zeigt jedoch, dass allen Digitalmedien ein fundamentaler Aspekt fehlt: Im Gegensatz zum gedruckten Buch sind sie vollständig dekontextualisierte Medien, bei denen auf textverantwortliche Personen und deren Namen verzichtet werden kann.Mit einem Gang durch die Mediengeschichte zeichnet Uwe Jochum die Bedeutung des Kontextes von den Höhlenzeichnungen der Steinzeitmenschen (Wandmedien) über die Papyrusrollen der Antike (Handmedien) bis heute nach. Mitdem gedruckten Buch plädiert er für zwei Eckpfeiler unserer Kultur: die Mühe des Studierens und die Autorität des Autors.
Autorenporträt
Uwe Jochum, geb. 1959, studierte Germanistik und Politikwissenschaft in Heidelberg und promovierte an der Universität Düsseldorf. Seit 1988 arbeitet er als wissenschaftlicher Bibliothekar.Zahlreiche Veröffentlichungen zur Bibliotheks- und Mediengeschichte, zuletzt »Geschichte der abendländischen Bibliotheken« (2. Aufl., 2012).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.01.2015

So liest der Jedi-Ritter
Uwe Jochum kämpft mit Handmedien gegen Digitalia

Geht es um die offensive Digitalisierung von Büchern oder auch Bibliotheken, bekommt man es manchmal immer noch mit Spielarten eines digitalen Adventismus zu tun. Aus dessen Perspektive ist die anvisierte umfassende Online-Verfügbarkeit das Versprechen auf eine grundlegend neue und tatsächlich demokratische Kultur des Umgangs mit Wissen, Informationen und Autorität. Entschiedene Gegenspieler der Adventisten teilen die Grunddiagnose: Auch für sie sind die digitalen Formate eine grundsätzliche Umgestaltung unseres Umgangs mit Büchern, nicht bloß - wie für bescheidener auftretende Fürsprecher der digitalen Formate - dessen Erweiterung und medientechnische Renovierung. Nur sehen sie diese Umwälzung in einem ganz anderen Licht.

Den Konstanzer Bibliothekar und Medienhistoriker Uwe Jochum darf man unter diese entschiedenen Gegenspieler zählen. Kurzgefasst lautet die Diagnose seines nun erschienenen Essays, "dass eine digital operierende Kultur ein Widerspruch in sich ist". Denn die Digitalisierung höhle genau jene Praktiken der ordnenden Aneignung und Überlieferung von Texten aus, die eine schriftbasierte Kultur in ihrem Kern nun einmal ausmachten. Das ist keine klein zugeschnittene Behauptung, und denkbar grundsätzlich geht Jochum denn auch an ihre Begründung.

Auf gerade einmal sechzig Seiten skizziert er große Schritte einer Mediengeschichte, die vom Paläolithikum bis zur Gegenwart reicht. Denn bei den "Wandmedien", die der Titel seines Essays anführt, handelt es sich um Höhlenbilder unserer paläolithischen Vorfahren. Oder genauer um jenen Anteil an diesen Bildern, die eher abstrakt anmuten und die Jochum - gestützt auf den Anthropologen André Leroi-Gourhan - als protoschriftliche Notationen ansieht.

Mit der Erfindung der eigentlichen Schrift treten dann die transportablen und sammelbaren "Handmedien" auf den Plan: von mesopotamischen Zählsteinen über Ton- und Wachstafeln bis zur Papyrusrolle und zum gebundenen Kodex aus Papyrus, Pergament oder schließlich Papier. Sieht man von einer eingeflochtenen These ab, warum gerade die christlichen Gemeinden die Form des Papyruskodex für ihre kanonischen Texte bevorzugten - ihre Einschätzung muss den Kennern überlassen bleiben -, interessiert sich Jochum dabei weniger für Materialien und Formen als für die zuerst administrativen, dann im weiteren Sinn philologischen Techniken, um in die gesammelten Tafeln, Rollen und Bücher räsonable Ordnung zu bringen. Das ist historisch wie sachlich ein recht weites Feld, zieht sich hier aber auf einen zentralen Aspekt zusammen: Texte mit den Namen ihrer Urheber zu verknüpfen und ihnen damit Autorität zuzuweisen.

Womit auch schon zu erraten ist, was den Übergang zu den "Digitalia" in dieser Perspektive ausmacht: der Wegfall gerade dieser zuletzt am Namen hängenden Autorität, die Texte zu verortbaren Stimmen macht und Überlieferung durchsichtig hält - und die ihre Bedeutung in der räumlichen Ordnung von Archiv und Bibliothek entfaltet. Denn die Digitalia löschen für Jochum diese Verortung und deren historische Dimension. Sie sind vollständig dekontextualisierte Medien, deren Inhalte in einem auf Dauer gestellten Jetzt beständig rekombiniert werden. Nichts mehr also, das die langwierige Kulturarbeit des Bedeutung stiftenden Sammelns, Prüfens und Ordnens erfordern oder auch nur möglich machen würde - weder für den einzelnen Leser, der zum bastelnden Nutzer nach eigenem Vergnügen wird, noch für die Institution Bibliothek. Was für eine textbasierte Kultur gilt, muss auch für ihre zentrale Agentur gelten: Eine digitale Bibliothek ist ein Widerspruch in sich.

Eine Handreichung für die Debatten um die konkrete Nutzung von digitalen Formaten auf unterschiedlichen Textterrains ist das natürlich nicht. Eher die sehr grundsätzliche und im hohen Ton gehaltene Versicherung einer elementaren Kulturtechnik unter der Perspektive ihrer drohenden Auflösung, nämlich im digitalen Gestöber frei flottierender Texte - eine Art Umkehrbild aller emphatisch hoffnungsvollen Beschwörungen gerade eines solchen Gestöbers. Nimmt man diese Beschwörungen ernst, hat eine solche Gegenrede etwas für sich.

Jochum gibt übrigens auch ein bodenständiges Beispiel, um die Unverzichtbarkeit von wohlangeordneten Handmedien vulgo Büchern vor Augen zu führen: Wenn es um die Bibliothek der Jedi-Ritter gehe, verzichte man schließlich sogar in Hollywood auf Technozauber und halte sich an das altehrwürdige Modell von Kloster- und Collegebibliothek. Eine Handbibliothek auf der Enterprise wäre natürlich noch überzeugender.

HELMUT MAYER

Uwe Jochum: "Medienkörper". Wandmedien. Handmedien. Digitalia.

Wallstein Verlag, Göttingen 2014. 62 S., br., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Uwe Justus Wenzel bleibt kritisch beim Lesen von Uwe Jochums Apologie des geschriebenen Buchs und des Autors. Wenn der Autor Gadgets wie Tablets und Smartphones als Schrott und Medien des Ungeistes abkanzelt und gegen höhere Handmedien abhebt, wittert Wenzel schnöde, altbekannte Kulturkritik. Die kurze Mediengeschichte, die der Autor mitliefert, scheint Wenzel aber doch lesenswert und die Klage letztlich durchaus von Belang, selbst wenn Jochum etwas blasphemisch Autor und Gott zusammendenkt.

© Perlentaucher Medien GmbH
»es lohnt sich - schon allein, um die eigenen Standpunkte zu erkennen - dieses kleine Büchlein mit knapp 60 Seiten zu lesen.« (Konrad Holzer, austrianposters.at, 08.08.2016)