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Tief im Spessart liegt die Burg Zornfried. Dort versammeln sich die Vordenker einer Neuen Rechten: ein Dichter, dessen Texte von Blut und Weihe triefen, ein völkisch philosophierender Waldgänger, ein Filmemacher, der sich als böses Genie inszeniert, und eine Gruppe kämpferischer junger Männer. Von der Aussicht auf eine spektakuläre Reportage werden jedoch auch immer wieder Journalisten angelockt - die sich bisweilen gefährlich weit auf das Spiel der Burgbewohner einlassen.
Jan Brock ist freier Reporter und schreibt für das Feuilleton der Frankfurter Nachrichten. Er sieht sich als Rebellen,
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Produktbeschreibung
Tief im Spessart liegt die Burg Zornfried. Dort versammeln sich die Vordenker einer Neuen Rechten: ein Dichter, dessen Texte von Blut und Weihe triefen, ein völkisch philosophierender Waldgänger, ein Filmemacher, der sich als böses Genie inszeniert, und eine Gruppe kämpferischer junger Männer. Von der Aussicht auf eine spektakuläre Reportage werden jedoch auch immer wieder Journalisten angelockt - die sich bisweilen gefährlich weit auf das Spiel der Burgbewohner einlassen.

Jan Brock ist freier Reporter und schreibt für das Feuilleton der Frankfurter Nachrichten. Er sieht sich als Rebellen, kennt aber im Grunde nur ein Prinzip: Was es gibt, darüber muss man schreiben. Im Internet stößt er auf die schwülstigen Texte des rechten Dichters Storm Linné, die ihn gleichzeitig abstoßen und faszinieren. Als er erfährt, dass Linné mit anderen Vordenkern der Neuen Rechten auf einem tief im Wald verborgenen Rittergut names Zornfried lebt, macht er sich auf zu einer Reportagereise. Doch zwischen Schrumpfköpfen, Militariasammlungen, Kampfübungen, weihevollen Tafelrunden und Predigten über die Hierarchien des artenreinen deutschen Waldes verwischen zunehmend die Grenzen zwischen teilnehmender Beobachtung und beobachtender Teilnahme.
Jörg-Uwe Albig legt eine Satire über die neurechten Bewegungen unserer Gegenwart vor - und über die Medien, die deren Treiben mit sensationsfreudigem Eifer begleiten.

Autorenporträt
Jörg-Uwe Albig, geboren 1960 in Bremen, studierte Kunst und Musik in Kassel, war Redakteur beim Stern und lebte zwei Jahre als Korrespondent einer deutschen Kunstzeitschrift in Paris. Seit 1993 arbeitet er als freier Autor in Berlin. 1999 wurde sein Romandebüt 'Velo' veröffentlicht. Es folgten die Romane 'Land voller Liebe', 'Berlin Palace', 'Ueberdog', 'Zornfried' und zuletzt das Sachbuch 'Moralophobia'.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.06.2019

Darmkranker Freiherr beim Schaumweingenuss
Die Neue Rechte und der neue Journalismus bekommen ihr Fett weg in Jörg-Uwe Albigs Kurzroman "Zornfried"

Wenn sich Romanautoren heutzutage eines "aktuellen Themas" annehmen, endet das in der Mehrzahl in einem gutgemeinten Dreihundertseiter, in dem das Publikum im Großen und Ganzen bestätigt bekommt, was es schon weiß. Ebendas macht den Erfolg solcher Bücher aus. Sie bestärken beim Leser die eigene Sicht der Dinge und fördern die Meinungsfreude. Gute Literatur ist das selten, und man sehnt sich nach dem kompetenten Sachbuch zum selben Thema.

Gelegentlich gibt es auf diesem Feld aber auch Glücksfälle. Einer davon ist Jörg-Uwe Albigs Roman "Zornfried", der schon mit seinem Titel in die Tiefen der deutschvölkischen Seele eintaucht. Dem grotesken Potential des Buches zum Trotz handelt es sich hier nicht um bloße Satire, dazu ist die oft gespenstische Atmosphäre, die Unheimlichkeit, die Albig erzeugt, zu stark. Die wird vor allem auch durch den zentralen Ort der Handlung gestützt: den deutschen Wald, Heiligtum für Waldgänger aller Couleur, von Grün bis Tiefbraun.

Der Reihe nach: Der freie Journalist Jan Brock, Pauschalist beim Feuilleton der "Frankfurter Nachrichten", verfolgt eine Podiumsdiskussion über die Neue Rechte. Das Spektrum der Aussagen reicht von der "Zivilgesellschaft" über "Flagge zeigen" bis hin zu den bekannten "Ängsten, die man ernst nehmen müsse", und den "Denkverboten, die man vermeiden müsse". Dann dringt eine Gruppe Jugendlicher in den Veranstaltungssaal ein und sprüht in Versalien die Zeile "Versklavt nicht von der Heuchler feiger Zunge" an eine Wand. Brock macht sich im Netz schlau und stößt auf den Dichter Storm Linné, in dessen Gedichtbänden allerdings, vom Zeilenanfang abgesehen, konsequente Kleinschreibung herrscht - in Georgescher Manier. Auch die gesprayte Zeile findet er in einem der Gedichtbände wieder, hier die ersten vier Zeilen: "Barbaren sind wir roh von fleisch und seele / Zersotten nicht in süßem sud und seim / versklavt nicht von der heuchler feiger zunge / gelähmt nicht von des mitleids zähem leim . . ."

Alle Verse des Dichters Storm Linné in diesem Roman - und das sind viele - hat Albig selbst verfasst. Allein dafür hätte er einen Preis verdient, denn keiner davon ist Parodie, sondern eher Pastiche, und jeder Vers ist - nach Georgeschem Maßstab - formal tadellos. "Das ist zwar kein sonniges Vergnügen", hat Albig in einem Interview gesagt, "aber schon Spaß. Stefan George hat geholfen. Wenn man zehn Gedichte von George gelesen hat, dann ist man drin." Und zwar so gut, dass man sich durchaus vorstellen kann, wie tief die völkische Seele von diesen Pastiches ergriffen werden könnte.

Brock schreibt einen Verriss der Linnéschen Gedichte und erhält dann auf Umwegen - genau genommen in einer Tiefgarage - eine Einladung "zum zwanglosen Gedankenaustausch" nach Burg Zornfried, wo Linné als Gast des Burgherrn, des Freiherrn von Schierling, an seinen Gedichten arbeitet - "in seiner Werkstube", wie es Schierling später einmal sagt, denn auf Zornfried benutzt man gern altdeutsche Begriffe mit handwerklicher Patina. Zwar starren die jungen Männer auf der Burg, zu denen auch die Sprayer gehören und die eine Art Wehrsportgruppe bilden, außerhalb ihrer Übungen vor allem auf ihre Smartphones, und zu einem der Mittagessen (alle Zutaten aus dem heimischen Burggarten und der eigenen Tierhaltung) gibt es unter anderem Ziegencouscous. "Auf dem Obersalzberg hätte es so was aber nicht gegeben", sagt Brock und muss sich dann von Schierling belehren lassen, dass Hirse "ein uraltes deutsches Getreide" sei. "Hirsi, tremolierte er, und es klang wie eine Mischung aus Niesen und Singen, hirrrsi, fränkelte er. Das ist indogermanisch und heißt Sättigung."

Da hat Brock schon eine mediale Konkurrentin in Gestalt der jungen Journalistin Jenny Zerwien von der "Neuen Allgemeinen", die später sogar mit einem Kamerateam anrücken wird. Albigs Roman widmet sich nicht nur dem überschaubaren Gedankengut der Neuen Rechten, sondern zugleich den Ambivalenzen des New Journalism, der dieses Gedankengut mit seinen Home Stories medial erst weit über seine wahre Bedeutung hinaus aufbläst. So selbstverständlich aber im Freiherrn, seiner Frau Brigitte und seinen ununterscheidbaren und unzählbaren blondbezopften Töchtern Götz Kubitschek mit Großfamilie auf seinem Rittergut in Schnellroda durchscheint, so wenig ist das Buch ein Schlüsselroman und eine weitere Home Story, auch wenn die Parallelen so weit gehen, dass diese Eheleute im Spessart sich ebenso siezen wie die anderen auf ihrem Rittergut. Jenny Zerwien übrigens, um das vorwegzunehmen, die bald sogar auf der Burg ein Zimmer bekommt (während Brock unten im Dorf in einem Hotel übernachtet), wird am Ende verstoßen, weil sie sich vom Freiherrn nicht vögeln lassen wollte. Schierling klärt Brock danach über die Pflicht des Mannes auf, sein Erbgut zur Erhaltung der Art so weit wie möglich zu streuen.

Der erste Auftritt des Dichters Storm Linné, den Brock miterlebt, findet im "Saal des Willens" statt (es gibt auch einen "Saal der Freude", einen "Saal der Ergebung" und manche andere). Es ist nicht einfach ein Auftritt, es ist die "Tafelrunde", die nach einem bestimmten Ritus abläuft. Als endlich der Dichter selbst ins Bild kommt, ist er für Brock, "wie ich erleichtert feststellte, eine Enttäuschung. (. . .) Da saß kein Prophet, kein Adlergesicht mit hoher Stirn und Falten um den Mund." Deutlicher und knapper kann man kaum sagen, dass es sich nicht um Stefan George handelt, der dort vorträgt, und auch nicht um seinen Nachfolger.

Hier liegt eine weitere große Stärke dieses Autors: Er kann Physiognomien, Farben, Gerüche, Gesten, Frisuren, Kleidung ungeheuer eindrücklich und zugleich konzis beschreiben. Er setzt Zeichen, aber er malt sie nicht aus. Er stößt den Leser nie mit der Nase auf irgendeine Botschaft. Diese Erzählökonomie führt dazu, dass er mit knapp 160 Seiten auskommt und die Scharniere der Handlung nirgends knirschen.

Als die "Antifaschistische Aktion Aschaffenburg" für einen Sonntag zum Marsch auf Zornfried aufruft ("Stoppt den braunen Spuk im Spessart"), verschanzt sich die Burgbesatzung oben auf dem Turm, sieht auf die etwa hundert ratlosen Demonstranten herab und trinkt Schaumwein auf Erdbeeren, so wie einst - angeblich - Ernst Jünger während eines Luftangriffes auf Paris den Burgunder auf derselben Frucht. Auch diese Referenz wird nicht ausgesprochen. Sie passt bestens, denn der Freiherr (übrigens magen- und darmkrank und deshalb seine Umwelt mit seinem "metallischen Atem" quälend) sieht sich als passionierter Waldgänger wohl in der Nachfolge Jüngers. Als er mit Brock zum ersten Mal in den Wald geht und man an einer Stelle zwischen hohen Buchen stehen bleibt, heißt es: "Eine Säulenhalle, sagte Schierling ergriffen. Ein gotischer Dom, asketisch, vergeistigt, himmelstrebend. Nicht das Geduckte der romanischen Kirchen. Die romanische Seele hat keinen Sinn für den Wald."

Zum Glück, möchte man sagen, denn so findet sie auch leichter aus ihm heraus. Damit hat Brock am Ende des Romans Schwierigkeiten, als er allein neben dem Katafalk hockt, auf dem Storm Linné sich das Leben genommen und zur Ruhe gebettet hat, und im Notizbuch die letzten vier Gedichte des Meisters liest. ". . . und ich wusste plötzlich, dass ich diese Gedichte nur noch jetzt lesen konnte, hier in diesem Wald, dass sie mir in der Zivilisation vollends unerträglich wären."

Der Rückweg dorthin gestaltet sich übrigens nicht einfach für Brock; er irrt anderthalb Stunden umher, bis er wieder eine Straße findet und bald danach mit seinem Peugeot nach Frankfurt zurückfahren kann. Storm Linné, heißt es im letzten Satz, sei nun nur noch ein Fall für die Rubrik Vermischtes, nicht fürs Feuilleton. Anders ist es mit Albigs Roman. Macht man nicht den Fehler, ihn nur auf seinen satirischen Gehalt zu reduzieren, ist er einer der wichtigsten dieses Frühjahrs. Und dazu richtig gute Literatur.

JOCHEN SCHIMMANG

Jörg-Uwe Albig: "Zornfried". Roman.

Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2019. 159 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ein kurzer, aber komplexer Roman, der die Leserschaft irritiert zurücklässt. Absolut lesenswert!« Rainer Glas, lesenswert.net, 03.07.2019 Rainer Glas lesenswert.net 20190703