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'Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.' So kommentierte Willy Brandt den Mauerfall vom 9. November 1989. Seine Ostpolitik gilt unbestritten als früher Impuls für die Wiedervereinigung Deutschlands. Dennoch wird der SPD in zeithistorischen Darstellungen oft unterstellt, sie habe im deutschen Einigungsprozess zu zögerlich und zurückhaltend agiert und zu lange an einer Zwei-Staaten-Lösung festgehalten. Dieses Fehlurteil widerlegen die Autoren mit ihrem eigenen politischen Zeugnis. Sie zeichnen die Entwicklungen der Wendezeit in Ost und West nach und belegen anhand wichtiger Dokumente die…mehr

Produktbeschreibung
'Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.' So kommentierte Willy Brandt den Mauerfall vom 9. November 1989. Seine Ostpolitik gilt unbestritten als früher Impuls für die Wiedervereinigung Deutschlands. Dennoch wird der SPD in zeithistorischen Darstellungen oft unterstellt, sie habe im deutschen Einigungsprozess zu zögerlich und zurückhaltend agiert und zu lange an einer Zwei-Staaten-Lösung festgehalten. Dieses Fehlurteil widerlegen die Autoren mit ihrem eigenen politischen Zeugnis. Sie zeichnen die Entwicklungen der Wendezeit in Ost und West nach und belegen anhand wichtiger Dokumente die bedeutende Rolle der SPD für das Zustandekommen der Deutschen Einheit.
Autorenporträt
Hans-Jochen Vogel, war Oberbürgermeister von München, Regierender Bürgermeister von Berlin, Bundesminister für Bauwesen, Raumordnung und Städtebau, Bundesminister für Justiz und von 1987 bis 1991 Bundesvorsitzender der SPD. Erhard Eppler, war 1973 bis 1992 Vorsitzender der Grundwertekommission der SPD. Unter seiner Leitung entstand 1978 ein gemeinsames 'Streitkulturpapier' von ostdeutscher SED und westdeutscher SPD. Von 1968 bis 1974 war er Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.Wolfgang Thierse war bis zum Vereinigungsparteitag Vorsitzender der SPD der DDR und gehörte der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR an. Er war von 1998 bis 2005 Präsident und von 2005 bis 2013 stellvertretender Präsident des Deutschen Bundestags.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.12.2014

Am Katzentisch der
deutschen Einheit
Die Gretchenfrage der SPD: Was war ihre
Rolle beim Einigungsprozess 1989/90?
VON FRIEDRICH SCHORLEMMER
Als die Geschichte aus dem stickigen Warteraum DDR urplötzlich in den D-Zug geriet, wurde alles durcheinandergewirbelt. Politisches Handeln musste sich von einem Tag zum anderen neu justieren. Depression wechselte mit Euphorie, Ängste verwandelten sich in Hoffnungen, und aus Wut wurde Mut. Aus Parolen erwuchsen Argumente. Die SED-Herrschaft kapitulierte vor dem Volk. Kein einziger konter-„revolutionärer“ Schuss wurde abgegeben. Der allabendliche Aufstand auf den Straßen mit Kerzen und Sprechchören führte alsbald an runde Tische.
  Die friedliche Feierabendrevolution schuf sich – überstürzt – demokratische Strukturen. Das große D der Demokratie dominierte, bis der Wunsch nach deutscher Einheit bald nach dem 9. November, jener Wahnsinnsnacht, übermächtig wurde. Der bunte Westen faszinierte dieses in vieler Weise ergraute Land ohne gelungene Identität, ganz zu schweigen von entwürdigender politischer Gängelung und nahendem ökonomischen Kollaps. Wem ist nun was zu verdanken, wer ergriff wann, wie, warum mit welchem Ziel die Initiative, wer scheute Risiken und wer ging sie ein?
  In dem Buch, das Hans-Jochen Vogel, Erhard Eppler und Wolfgang Thierse über den deutschen Umbruch 1989/90 publiziert haben, beschreibt Thierse das Ursachenknäuel: Das Ende der DDR, die friedlich verstarb, war weder zwingend noch „ein reines Wunder und doch beides zugleich. Es bedurfte des Zusammenwirkens vieler Faktoren: der langfristigen Wirkung der Tapferkeit und des Avantgardismus der sowjetischen (Andrej Sacharow!) und tschechoslowakischen (Václav Havel!) Dissidenten, der Kraft der polnischen Oppositionsbewegung Solidarność (und der Rolle von Papst Johannes Paul II. dabei!), der Intelligenz ungarischer Reformkommunisten, des Scheiterns der Gorbatschowschen Perestroikapolitik, der Handlungsfähigkeit westlicher Politiker im Jahr 1990 von Kohl bis George Bush sen., des Desasters der DDR-Ökonomie, des Unwillens und der Desillusionierung vieler DDR-Bürger, der Zivilcourage der Oppositionsgruppen in der DDR.“
  In seiner Rede zum 17. Juni 1989 hatte Erhard Eppler – vorausschauend – der DDR etwa noch zwei Jahre gegeben. Die vergreiste Mittelmäßigkeit im Politbüro kommentierte er mit einem eingängigen Bild: Das dünne Eis, auf dem die SED sich bewege, sei das tauende Eis des Kalten Kriegs: Wer sich darauf nicht bewegt, aus Angst einzubrechen, werde dem kalten Wasser nicht entkommen. Eppler erzählt von seinen langjährigen engen Kontakten zu den oppositionellen Gruppen, insbesondere in der evangelischen Kirche. Er resümiert im Blick auf die heftigen Einheitsdebatten innerhalb der SPD im Herbst 1989: Wiedervereinigungsrhetorik ist falsch. Eine Ablehnung der Wiedervereinigung unbarmherzig.
  Am 30. Oktober 1989 stellte die SPD in einem Protokoll fest, was uns in den DDR-Oppositionsgruppen so deutlich nicht war: „Die führenden Köpfe in den Oppositionsgruppen hielten gegenwärtig noch an der Zweistaatlichkeit fest. Doch gäbe es Anzeichen dafür, daß die schweigenden Massen dies alles nicht wollten.“ Hans-Jochen Vogel, damals SPD-Vorsitzender, beschreibt den Anteil der SPD am deutschen Einigungsprozess, ohne die damaligen Verwerfungen und Verwirrungen außer Acht zu lassen – siehe Oskar Lafontaine, der gegen eine schnelle Einheit votierte, weil er weniger die deutsche Einigung als vielmehr die von Europa auf dem Schirm hatte.
  Dass Lafontaine mit seinen ökonomischen Warnungen und Einschätzungen recht haben sollte, hat der SPD bei den Wahlen am 18. März und am 2. Dezember 1990 nicht geholfen. Wie sehr die Dinge seit dem 9. November 1989 im Fluss waren, wie die Worte einem im Munde buchstäblich faul wurden, zeichnet Vogel nach. Was sollte und was würde werden?
  So sagte Helmut Kohl noch am 11. Februar 1990 nach seiner Rückkehr aus Moskau: „Wir werden eine neue Verfassung zu schaffen haben.“ Da erschien die Vereinigung auf Augenhöhe noch möglich, noch erschien es möglich, dass die DDR nicht – entsprechend Artikel 23 des Grundgesetzes – der Bundesrepublik einfach beitreten würde, sondern dass sie in freier Selbstbestimmung – gemäß Artikel 146 – mit der BRD zu einer gemeinsamen neuen Verfassung kommen könne. Diese politisch und menschlich große Chance wurde verpasst.
  „Das war hart“, resümierte noch 2009 Richard von Weizsäcker. Eine so wache, mitarbeitswillige, vernünftig hochpolitisierte ostdeutsche Öffentlichkeit fand sich später nicht wieder. Später unterwarfen sich viele den neuen Gegebenheiten.
  Wer Hans-Jochen Vogels Aufsatz liest, kann und muss das mittlerweile öffentlich leider recht feste Urteil über die SPD und die deutsche Einigung revidieren. Nach gewohnter Gründlichkeit, mit zahlreichen Belegen gestützt, kommt Vogel zu dem Resümee: Die SPD war und blieb eine Partei der deutschen Einheit. Wer gerecht ist, wird daran erinnern, dass auch Hans-Dietrich Genscher noch im Dezember 1989 in Leipzig die deutsche Frage in die europäische Frage eingebettet sehen wollte. Und als der Zug in Richtung Einigung dann abgefahren war, mochte Helmut Kohl die SPD nicht in die fälligen Verhandlungen einbeziehen. Vogel schreibt denn auch, der Kanzler habe die Einigung so betrieben, als ob sie seine Privatsache wäre.
  Die sogenannte Wende ist indes nicht zu verstehen ohne die 1969 begonnene Entspannungspolitik unter Willy Brandt, Egon Bahr und Walter Scheel (FDP). Nicht ohne die besonnene Ablösung des kommunistischen Systems in Polen von 1956 über 1970 bis zu 1980 und 1989. Und ohne Michail Gorbatschows Machtantritt im März 1985 hätte die Geschichte einen anderen Verlauf genommen. Schließlich sind kommunistische Regime trotz dramatischer ökonomischer Verwerfungen zur Erhaltung ihrer Macht fähig gewesen. Wichtig war, dass die Ostdeutschen auf die Straße gingen, obwohl sie im Ohr hatten, welche indirekten Drohungen im Raum standen: Selbst die DDR-Volkskammer hatte die Gewaltaktionen zur Niederschlagung der „Konterrevolution“ in China 1989 gebilligt. Es ist nicht hoch genug zu würdigen, was jedem einzelnen DDR-Bürger zu verdanken ist, der vor dem 9. November auf die Straße ging. (Die drei Autoren tun dies!)
  Hans-Jochen Vogel entkräftet schließlich in der ihm eigenen Gründlichkeit Punkt für Punkt die Vorwürfe, dass die SPD sich nicht um die staatsunabhängige Demokratiebewegung in der DDR gekümmert hätte, dass sie an der Zweistaatlichkeit festgehalten hätte. Er konzediert freilich die in solchen Vorwürfen enthaltenen Teilwahrheiten. Er verweist stets auch auf den zeitlichen Zusammenhang aller Aussagen, sowohl seitens der DDR-Opposition wie der Kohl-Genscher-Regierung und der SPD-Führung.
  Strikt hatte sich der damalige SPDVorsitzende 1989 daran gehalten, das Selbstbestimmungsrecht der Ostdeutschen zu respektieren. Die West-SPD hatte auch keine der Gruppierungen „gekauft“. Eine Entscheidung, die damals aus Respekt vor den ostdeutschen Akteuren und deren Fremdbestimmungsängsten gefällt wurde, sollte fatale Folgen haben, die sich noch 25 Jahre später auswirken: Die Gründungsmitglieder der Ost-SDP waren mehrheitlich zu sehr auf Abgrenzung von der SED gepolt, einer Kaderpartei, die sich so lange auf die Abgrenzung ihrer Macht versteift hatte.
Das Buch von Eppler, Thierse und Vogel zeigt nicht bloß, wie die SPD damals agierte, es zeigt zudem das Dilemma allen politischen Handelns. Es macht deutlich, dass im Moment der fälligen Entscheidungen niemand weiß, wie etwas ausgeht.
Hans-Jochen Vogel, Erhard Eppler, Wolfgang Thierse: Was zusammengehört. Die SPD und die deutsche Einheit 1989/90. Herder Verlag, 2014. 288 S., 19,99 Euro.
Der Theologe Friedrich Schorlemmer lebte in der DDR bis zu ihrem Ende. Er ist Mitglied der SPD. Seit Jahrzehnten engagiert er sich gegen Aufrüstung. Zuletzt erschien von ihm „Die Gier und das Glück. Wir zerstören, wonach wir uns sehnen“.
Das dünne Eis, auf dem die SED
sich bewegte, sagte Eppler, war
das tauende Eis des Kalten Krieges
Verfehlt sind die Vorwürfe, die
SPD hätte sich nicht um die
Demokratiebewegung gesorgt
1989/90 gab es bei der SPD viel zu diskutieren. Als Gerhard Haderer Anfang der 90er
die SPD-Führungsriege karikierte, gewährte er allen zusammen nur ein einziges Weihnachtsmann-
Kostüm. So stehen etliche sehr dürftig bekleidet da. Im Uhrzeigersinn: Oskar Lafontaine,
Björn Engholm, Hans-Ulrich Klose, Hans-Jochen Vogel und Willy Brandt.
Zeichnung: Haderer
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Für die friedliche Revolution von 1989/90 entdeckt Friedrich Schorlemmer ein ganzes "Ursachenknäuel" in Hans-Jochen Vogels, Erhard Epplers und Wolfgang Thierses Buch über den deutschen Umbruch. Schorlemmer erfährt von Eppler über dessen Kontakte zu den oppositionellen Gruppen, von Vogel (entgegen der landläufigen Meinung) über den entscheidenden Anteil der SPD am Einigungsprozess und von allen dreien über die enorme Bedeutung der Bürgerbewegung das Dilemma politischen Handelns, nie zu wissen, welche Folgen eine Entscheidung haben wird.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2015

SPD und deutsche Einheit
Hans-Jochen Vogel kämpfte 1989/90 an zwei Fronten

Gut 25 Jahre ist es nun her, dass die SPD gegen den Ruf zu kämpfen hatte, der deutschen Einheit skeptisch-abwartend oder gar ablehnend gegenüberzustehen. In den Wendemonaten 1989/1990 war das nicht bloß Teil einer politischen Auseinandersetzung, von denen es viele gibt und die zumeist rasch vergessen werden. Der Ruf, für den auch Spitzenpolitiker der Partei verantwortlich waren, hatte unmittelbare machtpolitische Folgen. Ein Jahr nach dem Fall der Mauer in Berlin standen die Bundestagswahlen an. Helmut Kohl war Bundeskanzler. Nicht wenige seiner Parteifreunde sahen sein politisches Ende gekommen und arbeiteten daran. Kohl gewann den CDU-internen Machtkampf. Sodann nutzte er die Gunst der Stunde - und machte sich auf den Weg, "Kanzler der Einheit" zu werden. Da kam es ihm zupass, dass sein Kontrahent, der SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine, sich als einer der Skeptiker der Einheit, jedenfalls ihres realen Vollzugs, entpuppte. Kohl siegte. Die SPD hatte ein Problem.

Hans-Jochen Vogel, der im nächsten Jahr 90 Jahre als wird, hat jene Zeit nicht vergessen. Vogel war damals Vorsitzender der SPD und auch der SPD-Bundestagsfraktion. Es war eine schwere Zeit für ihn. Vogel hatte an zwei Fronten zu kämpfen, was er jetzt noch einmal in Erinnerung ruft. Einerseits gegen Kohl und dessen Versuch, die Vereinigung Deutschlands parteipolitisch gesehen weitgehend allein zu organisieren. Andererseits gegen Lafontaine und dessen Bedenken gegen die deutsch-deutsche Währungsunion, die zwar von vielen Ökonomen geteilt wurden, aber für die SPD politisch schädlich waren. In dem Buch "Was zusammengehört" beschreibt Vogel sein Dilemma. Er sah die ökonomischen Schwierigkeiten des Beitritts der DDR zur westdeutschen Republik des Grundgesetzes. Er sah aber auch die politischen Folgen einer solchen Haltung. Und vor allem: Er sah keine Alternative - schon gar nicht als ehemaliger Regierender Bürgermeister von Berlin, ein Amt, das er wenige Monate innegehabt hatte.

Vogel stand zwischen Lafontaine und Willy Brandt, dem SPD-Ehrenvorsitzenden. Zudem: Auch Vogel konnte (und wollte) Lafontaine nicht mehr die Kanzlerkandidatur streitig machen - erst recht nicht nach dem Attentat auf Lafontaine im Frühjahr 1990, wenige Monate vor der Bundestagswahl. In dem Band setzt er sich mit der innerparteilichen Meinungsbildung auseinander - so wie "man" es von ihm gewohnt ist: Akribisch beschreibt er sein Erleben jener Monate, sein Mitwirken an der Vereinigung des Landes und der beiden sozialdemokratischen Parteien und auch seine Versuche, die Schwierigkeiten seiner da noch westdeutschen Partei zu bewältigen. Aufsätze von Erhard Eppler und Wolfgang Thierse ergänzen Vogels Versuch, der Geschichtsklitterung entgegenzuwirken. Alle Entscheidungen auf dem Weg zur deutschen Einheit hat die SPD mitgetragen.

GÜNTER BANNAS

Hans-Jochen Vogel/Erhard Eppler/Wolfgang Thierse: Was zusammengehört - Die SPD und die deutsche Einheit 1989/90. Verlag Herder, Freiburg im Br. 2014. 288 S., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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