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»Es ist, als sei allem etwas entzogen worden, wie durch einen chemischen Vorgang, eine Substanz, die nicht mehr in den Dingen vorhanden sei, obgleich sie doch eigentlich in ihnen vorhanden sein müßte. « Was aber, wenn die Dinge auch zuvor nie von einer Substanz durchdrungen waren? So wie all die Geschichten, die sich um den Niederflorstädter Sebastian Adomeit ranken, der als asketischer Konsumverweigerer und als Daseinssuchender sich stets von der dörflichen Biederkeit und der alltäglichen Infamie absetzte. Auch noch nach seinem Ablebenzieht er den Unmut der Dorfbewohner auf sich, indem er…mehr

Produktbeschreibung
»Es ist, als sei allem etwas entzogen worden, wie durch einen chemischen Vorgang, eine Substanz, die nicht mehr in den Dingen vorhanden sei, obgleich sie doch eigentlich in ihnen vorhanden sein müßte. « Was aber, wenn die Dinge auch zuvor nie von einer Substanz durchdrungen waren? So wie all die Geschichten, die sich um den Niederflorstädter Sebastian Adomeit ranken, der als asketischer Konsumverweigerer und als Daseinssuchender sich stets von der dörflichen Biederkeit und der alltäglichen Infamie absetzte. Auch noch nach seinem Ablebenzieht er den Unmut der Dorfbewohner auf sich, indem er kurz vor seinem Tod den Pfingstdienstag, der im Raum Frankfurt traditionell als 'Wäldchestag' gefeiert wird, als Tag für die Testamentseröffnung auswählte. Ein Affront gegen die lokalen Gepflogenheiten. Spekulationen der gerüchtebesessenen Dörfler um die Person des intellektuellen Sonderlings setzen ein und stiften Verwirrung, so daß selbst der Erzähler, einer der wenigen Vertrauten des Verstorbenen, zugeben muß, nicht mehr erkennen zu können, »was von dieser Geschichte tatsächlich passiert sei«.
Andreas Meier wurde 1967 in Bad Nauheim geboren. Im Frühjahr 2002 erschien im Suhrkamp Verlag sein zweiter Roman Klausen.
Autorenporträt
Andreas Maier, 1967 im hessischen Bad Nauheim geboren, studierte Philosophie und Germanistik, anschließend Altphilologie. Er lebt in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2000

Großes Gerede nach dem Tod des alten Adomeit
Der Debütant Andreas Maier lädt ein zum „Wäldchestag”
Ein zwiespältiges Lob auf die Provinz haben schon viele Autoren gesungen, aber seit langem hat es keiner mehr so brillant getan wie jetzt Andreas Maier in seinem Roman Wäldchestag. Maier, der im Sommer den Ernst-Willner-Preis der Klagenfurter Literaturtage und den Literaturpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung erhalten hat und soeben zum aspekte-Literaturpreisträger 2000 gekürt worden ist, hat ein erstaunliches Debüt vorgelegt – in mehr als einer Hinsicht.
Man braucht eine Weile, um sich an die indirekte Rede zu gewöhnen, in der die Provinzposse durchgängig erzählt ist. Thomas Bernhard, über den der gebürtige Bad-Nauheimer gegenwärtig eine Dissertation schreibt, fällt einem schon auf der ersten Seite ein; eine Referenz, die schon in Klagenfurt erwähnt wurde, wo Maier eine im kleinstädtischen Altnazimilieu angesiedelte Humoreske vorgelesen hatte, die von einem ähnlichen Geist wahrhaft beseelt ist wie nun Wäldchestag.
Unwillkommene Verfügung
Es ist die Geschichte des alten Sebastian Adomeit, eines latent menschenfeindlichen Eigenbrötlers aus Florstadt in der hessischen Wetterau, Großraum Frankfurt, der kurz vor seinem Tod verfügt hat, dass er am Pfingstsonntag beerdigt wird, an einem Tag, an dem die Kleinstädter eigentlich Besseres zu tun haben, als jemanden zu Grabe zu tragen, der nicht sonderlich beliebt war im Ort und dessen Lebenswandel nun in Wirtshäusern oder draußen auf der Straße misstrauisch unter die Lupe genommen wird. Die Leute reden und reden, obwohl – und bereits daraus bezieht der Roman zum Teil seine Komik – eigentlich kaum einer den Toten besonders gut kannte.
Das Adomeit-Bild, das die Nachbarn und Verwandten entwerfen, schillert denn auch in bunten Farben: Ob Altnazi oder Kommunist, ob Müßiggänger mit philosophischen Neigungen oder habgieriger Zivilisationskritiker – die Leute, die auf die Testamentseröffnung warten, trauen ihm im Nachhinein alles zu. Als hätte er das vorausgesehen, hat Adomeit diesen Termin auf den Dienstag nach Pfingsten verlegt, den Wäldchestag, den die Bewohner feiernd im Wald zu verbringen pflegen. So muss die in erbschleicherischer Absicht angereiste und entsprechend streitlustige Verwandtschaft länger im Ort bleiben, als ihr lieb ist.
Lange Zeit denkt man auch als Leser nur an Adomeit; aber dann bekommt man diesen mehr und mehr aus dem Blick und merkt, dass es Maier mindestens genauso sehr um eine Milieustudie zu tun ist, die er grandios inszeniert. Ins Zentrum der Handlung rücken sehr bald drei junge Männer, Schossau, Schuster und Wiesner, sympathische Florstädter, die ihre Halbstarken-Manieren noch nicht ganz abgelegt haben und sich Adomeit als einzige noch verbunden zu fühlen scheinen – gelehrige Schüler, denen freilich genauso wenig auf die Schliche zu kommen ist wie dem verewigten Weltweisen selbst.
Und hier ist Maier sichtlich in seinem Element. Als sicherer Erzähler weiß er, dass er nicht ins Manierierte verfallen darf, wenn er aus dem Alltäglichen Funken schlagen will; er weiß, dass unter der Oberfläche der Normalität das Absonderliche desto leichter hervorzuholen ist, je sorgfältiger er diese Normalität beschreibt. So können wir den jungen Leuten bei ihren Verschrobenheiten und Übersprungshandlungen zusehen. An Komik, aber auch an Einfühlsamkeit fast nicht zu überbieten ist jener ernüchternd endende Discoausflug eines Motorradjünglings, der zu einer Dorfschönheit Kontakt aufnehmen will.
In der zweiten Hälfte dreht sich schließlich viel um Wiesner, der in einer gekonnt in die Länge gezogenen Schlussszene visionsartig in Höhen der Erkenntnis steigt, die dem gemeinen Wetterauer unzugänglich bleiben. Aberwitzige, filmhaft abspulende Szenen sind das, die Wiesner, taumelnd zwischen selbstmörderischer Absicht und dem Wunsch, einfach Amok zu laufen, durchlebt. Der einzige, der ihm dabei zu folgen vermag, ist Schosser, der als Binnenerzähler alles dem Rahmenerzähler anvertraut und für eine verblüffende Auflösung des rätselhaften Eingangshinweises sorgt.
Ergiebiges Schwadronieren
Hinter der vertrackten Erzählweise steckt am Ende dann doch so etwas wie die Kritik nicht nur des provinziellen Lebens, sondern des Lebens schlechthin, das auch im abgelegenen Winkel gleichnishaft gültig abläuft – eine geschwätzige, in blendendem Stil verfasste Kritik, befeuert wohl auch vom Alkohol, den Maiers Personal in großen Mengen trinkt; eine Kritik, die ohne jene boshaften Überzeichnungen auskommt, die viele Provinzsatiren so unlebendig wie unwahrscheinlich erscheinen lassen; eine Kritik vielmehr, die alles in ironischer Schwebe lässt: „Alle reden”, denkt Schossau, „die ganze Welt sei ein einziges Gerede, und jede Rede sei jederzeit umdrehbar, und irgendwann haben sich die Leute daran gewöhnt.  Als sei allem die Substanz entzogen. ”
Man greift vermutlich nicht zu hoch, wenn man als Vorbilder dieses Romans einige Namen nennt. In seiner feinnervigen Versponnenheit erinnert es wie von fern an die romantisch-realistische Erzählweise im Umfeld von Jean Paul, Adalbert Stifter und Wilhelm Raabe; die psychologisch versiert vorgetragene Situationskomik hat Maier bei Dostojewskij und Eckhard Henscheid geborgt. Henscheid, Verfasser von Idyllen wie Frau Killermann greift ein und Maria Schnee, ist denn wohl auch als Hauptanreger zu nennen für Maiers raffiniertes Verfahren, die Menschen erst in ihrem Schwadronieren zu sich selbst kommen zu lassen. Es ist sehr zu hoffen, dass dieses irritierende Glanzstück viele Leser findet.
EDO REENTS
ANDREAS MAIER: Wäldchestag. Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 2000. 314 Seiten, 39,80 Mark.
Andreas Maier, für seinen Erstlingsroman soeben zum aspekte-Literaturpreisträger gewählt, ist bereits vor Erscheinen des Buches mit zwei Auszeichnungen bedacht worden. Aus Klagenfurt trug er den Ernst-Willner-Preis davon. Kurz darauf erhielt er den Preis der Jürgen-Ponto-Stiftung.
Foto: Markus Kirchgeßner
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.11.2000

Die Wetterau-Fragen
Andreas Maiers großes Debüt "Wäldchestag" · Von Hubert Spiegel

In der Wetterau ist der Mensch dem Menschen ein Rätsel. Zwei Fragen sind es, die der Wetterauer dem Wetterauer stellt. Die eine - Was ist das eigentlich für einer? - stellt er heimlich, im stillen, ganz für sich allein, die andere - Was glaubt der eigentlich, wer er sei? - stellt er laut und fast immer in Gesellschaft. Nicht selten stellt er sie in geradezu dröhnender Lautstärke, und mitunter haut er dabei mit der Faust auf den Tisch, um sein ganzes Interesse an ihr zu unterstreichen. Die eine Frage stellt er in der eigenen Kammer, die andere mit Vorliebe im Gasthaus. Die erste Frage bedrängt den, der sie stellt, die zweite jenen, dem sie gestellt wird.

Der Wetterauer geht nicht den Dingen, wohl aber den Menschen gern auf den Grund, und wenn er dabei unversehens ins Bodenlose fällt, wundert er sich, wie ihm nun das wieder passieren konnte. Und schon denkt der Wetterauer über sich selbst nach, und wenn er nur recht über sich selbst nachdenkt, wird der Wetterauer sich selbst mit einem Mal ganz unverständlich, und der Riß, der durch die Welt geht, tritt in der Wetterau ganz offen zutage, unübersehbar geht der Riß durch die Wetterau und durch den Wetterauer selbst, der darüber ganz melancholisch wird, aber auch in einen Zorn hinein gerät und in große Verwirrung. In dieser Verwirrung beginnt der Wetterauer zu reden, was das Zeug hält. Wenn er jung ist, redet er über sich selbst. Wenn er älter ist, redet er über andere. Und dieses gemeinsame, ununterbrochene Gerede schwillt an, bis es mächtig wird in der ganzen Wetterau, mächtig bis nach Frankfurt und über Frankfurt hinaus, mächtig bis ans Ende der Welt, wo noch niemand war, das der Wetterauer aber irgendwo in Südhessen vermutet.

Daß selbst hier, am Ende der Welt, heute jedermann wissen kann, wie es zugeht in der Wetterau, verdanken wir dem ersten Roman von Andreas Maier, gebürtig im Jahr 1967 in Bad Nauheim, einem unbedeutenden Nachbarort jenes Butzbach, das Thomas Bernhard in seinem Drama vom "Theatermacher" unsterblich gemacht hat, auch wenn er aus Gründen der Butzbach-Freundlichkeit den ersten Buchstaben wegließ und milde von Utzbach sprach - "Utzbach wie Butzbach". Wer sich je gefragt hat, wie wohl das Publikum aussehen mag, das der Theatermacher Bruscon haßt und verachtet und braucht und liebt und das in Bernhards Stück den Saal im Utzbacher Gasthaus "Zum Schwarzen Hirschen" fluchtartig verläßt, noch bevor der Vorhang sich gehoben hat, muß Maiers Debütroman "Wäldchestag" lesen.

Wie Bernhards Utzbacher gehen auch Maiers Wetterauer kaum je ins Theater, und wenn, dann höchstens aus Niedertracht der Schauspielkunst gegenüber, sie brauchen das Theater nicht, denn sie sind das Theater, eine Menschheitskomödie, die naturgemäß auch eine Tragödie ist. Bei Maier beginnt sie mit der Beerdigung des alten Adomeit, eines Einzelgängers und Sonderlings, am Pfingstsonntag und endet mit dem Nervenzusammenbruch des jungen Florstädter Taugenichts Anton Wiesner am Wäldchestag, dem Dienstag nach Pfingsten, den man in Hessen traditionellerweise essend, trinkend und schwatzend in der freien und wehrlosen Natur verbringt, im Wäldchen eben. Zwischen beiden Ereignissen liegen Leichenschmaus und Testamentseröffnung, Intrigen und Familienstreitigkeiten, Liebesgeschichten und Besäufnisse, liegen also jene drei Tage, von denen der Roman erzählt, und zwar auf eine Weise erzählt, daß man dem Debütanten zwei Fragen stellen möchte, die beiden Wetterau-Fragen nämlich: Was ist Andreas Maier wohl für einer? Und was glaubt er eigentlich, wer er sei?

Was ist das für einer, der einen ganzen Roman im Konjunktiv erzählt, der wild die Perspektiven wechselt, der seinen Figuren ohne jede Scham in die Köpfe hineinleuchtet, aber seine Leser im unklaren darüber beläßt, wer es eigentlich ist, der hier die Taschenlampe hält? Der eine ganze Ortschaft, das an und für sich nicht weiter bemerkenswerte Nieder-Florstadt nämlich, in einen Rausch aus Tratsch und Gerüchten, Mirabellenschnaps und Apfelwein, Neid und Verleumdung, Mißgunst und Klatschsucht stürzt und die irrwitzigen Gesprächs- und Gedankenprotokolle dieser drei Tage am Ende als Bericht "zur Vorlage an die Kommission zur Bewilligung von Kuren auf Beitragsbasis der hiesigen Kassenstelle" deklariert?

Und was bildet sich eigentlich einer ein, der seinen Debütroman vom ersten bis zum letzten Satz wie eine Imitation oder Parodie auf das Werk Thomas Bernhards klingen läßt, ohne sich um den unausweichlichen Vorwurf der Epigonalität zu scheren? Maier übernimmt nicht nur den exzessiven Gebrauch des Konjunktivs, der ironisiert und distanzierend bricht, was im Roman berichtet wird, von Bernhard, sondern er teilt auch die Beobachtungsgabe, vielleicht den Beobachtungszwang des Österreichers.

Jener Satz, den Bernhard seinem Romandebüt, dem 1963 erschienenen Roman "Frost", voranstellte, könnte ebensogut über "Wäldchestag" stehen. Die Frage des Malers Strauch aus "Frost" ist auch die Frage, die den alten Adomeit bewegt haben mag: ",Was reden die Leute über mich?', fragte er. ,Sagen Sie: der Idiot? Was reden die Leute?'"

Das Gerede der Leute, vor allem aber die Frage: Wie reden die Leute?, ist das eigentliche Thema dieses Romans. "Wäldchestag" besteht zum großen Teil aus nichts anderem als der konjunktivischen Wiedergabe von Geschwätz und Gesprächen, von Gerede, das die häufig, oft beinahe unmerklich wechselnden Erzähler zuweilen nicht einmal selbst mitangehört haben, sondern nur aus den Berichten Dritter kennen. "Wäldchestag" ist ein Roman über die Macht des Hörensagens und die verschiedenen Aggregatzustände des Gerüchts: Es ist zäh und ledern, dünnflüssig und quecksilbrig, labil wie ein Kartenhaus und unverwüstlich wie ein Panzerkreuzer. Wie Öl, das aus einem lecken Tank fließt, dringen Mutmaßungen und Unterstellungen in alle Wetterauer Winkel und Ritzen.

Kein anderer Debütant hat in diesem Jahr mit soviel Selbstbewußtsein und sowenig Respekt vor großen Vorgängern die literarische Szene betreten wie Andreas Maier. Keiner hat mehr gewagt und mehr erreicht. Von Eckhard Henscheid, dessen "Trilogie des laufenden Schwachsinns" das Kneipengeschwafel literaturfähig machte, hat Maier die Liebe zum Geschwätz, von Thomas Bernhard den Tonfall, von Arnold Stadler den mikroskopischen Blick auf das Dorf als Lebensgemeinschaft und Lebensgegnerschaft übernommen, und der Debütant hat aus diesen und vielen anderen Anleihen etwas unverwechselbar Eigenes gemacht: einen Roman, der den Umweg als interessanteste Verbindung zwischen zwei Punkten feiert, der grandios umständlich ist und kontrolliert ausufernd, dessen Sprache daherrauscht wie junger Apfelwein und dessen Beschreibungskunst zum Witzigsten gehört, was die deutsche Literatur seit langem hervorgebracht hat.

Das "Schlaganfallklima" der mit dem alten Adomeit weitläufig verwandten Familie Mohr, Tante Lenchen, ein achtzigjähriges Renitenzbündel, das noch immer seinen NSDAP-Ausweis in der Handtasche aufbewahrt, um jederzeit die Famile blamieren zu können, der Nieder-Florstädter Renovierungswahn ("die Kirchgasse zwanzig ist überfällig, sie ist so reif wie ein Apfel im Herbst"), Schossaus Notwendigkeitssucht und Wiesners Liebes- und Lebenskrankheit - all dies ist nicht nur glänzend beobachtet und beschrieben, sondern zugleich von größter Komik, einer Komik, die frei ist von der ätzenden Schärfe und der Haßliebe eines Thomas Bernhard. Bernhard, der Übertreibungskünstler, bezog seine Komik aus den ins Groteske übersteigerten Eigenheiten seiner Figuren, aus ihrer Weltwut und Lebensangst, ihrer Hypochondrie und Tyrannei. Maiers Komik kommt direkt aus der Banalität der Figuren, die nicht vergröbert, sondern nur verdeutlicht werden. Selbst in den beklemmenden Szenen, die der Testamentseröffnung gelten, wenn Habgier, Mißgunst und Trunkenheit eine geradezu pogromartige Stimmung erzeugen, wird deutlich, daß hier nicht nur ein virtuoser Sprachmimetiker und Situationskomiker am Werke ist, sondern auch ein großer Realist. Nicht rümpfend, sondern witternd reckt Andreas Maier seine Nase in den Wind. Er hat ihn längst über die Wetterau hinaus getragen.

Andreas Maier: "Wäldchestag". Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000. 315 S., geb., 39,80 DM.

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»Ein zwiespältiges Lob auf die Provinz haben schon viele Autoren gesungen, aber seit langem hat es keiner mehr so brillant getan wie jetzt Andreas Maier. ... Er hat ein erstaunliches Debüt vorgelegt - in mehr als einer Hinsicht. ... Es ist sehr zu hoffen, daß dieses irritierende Glanzstück viele Leser findet.« Edo Reents Süddeutsche Zeitung 20001018

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Ulrich Greiner ist geradezu überwältigt von diesem Debütroman. Dem aus dem Harz stammenden Autor sei ein "Geniestreich" gelungen, gleichermaßen komisch wie "philosophisch", schwärmt der Rezensent. Er fühlt sich durch den den gesamten Roman durchgehaltenen Konjunktiv an Thomas Bernhard erinnert, betont aber, dass der Autor keineswegs zu dessen "Epigonen" gerechnet werden kann, denn während Bernhards Bücher rabenschwarz seien, sei dieses Werk "kunterbunt gesprenkelt". Die "Kunst" des Autors zeige sich darin, dass er das fast undurchdringliche Stimmen- und Handlungsgewirr am Ende in eine "völlig schlüssige Geschichte" einmünden lässt, lobt der Rezensent. Er preist das Buch als "gewaltige Leistung", die durch geniale Einfälle und großes Sprachvermögen glänzt. Vor allem aber habe er sich "selten so amüsiert", gesteht der Rezensent hingerissen.

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