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Das deutsche "Nebel- und Niefelheim", vor dem einst Goethe nach Italien floh - es wabert noch immer durch unsere Seelen, unseren Geist, unsere kulturelle Landschaft, und es bedarf immer neuer Anläufe, um diesem Land, um seiner allgemeinen Befindlichkeit mehr Lebensfreude zu vermitteln. Und es gibt eine Vergangenheit vor der jüngsten deutschen, uns quälenden Vergangenheit, eine hellere, barocke, weltläufigere. In allem, was Hans Pleschinski bislang geschrieben hat, ist der Wunsch zu spüren, an diese Vergangenheit wieder anzuknüpfen, einen modernen, zeitgemäßen Ton zu finden, der jene Offenheit,…mehr

Produktbeschreibung
Das deutsche "Nebel- und Niefelheim", vor dem einst Goethe nach Italien floh - es wabert noch immer durch unsere Seelen, unseren Geist, unsere kulturelle Landschaft, und es bedarf immer neuer Anläufe, um diesem Land, um seiner allgemeinen Befindlichkeit mehr Lebensfreude zu vermitteln. Und es gibt eine Vergangenheit vor der jüngsten deutschen, uns quälenden Vergangenheit, eine hellere, barocke, weltläufigere. In allem, was Hans Pleschinski bislang geschrieben hat, ist der Wunsch zu spüren, an diese Vergangenheit wieder anzuknüpfen, einen modernen, zeitgemäßen Ton zu finden, der jene Offenheit, Großherzigkeit, Eleganz, vielleicht auch lebenslustige Verspieltheit vermittelt und weiterträgt, die auch unser Erbe ist, ob wir's glauben mögen oder nicht.
In den Erzählungen und Aufsätzen dieses Buches, ob sie nun stärker fiktional oder - besonders berührend - autobiographisch sind, manifestiert sich eben jene Haltung, die auch einen Generationenwechsel markiert.
Gemeint ist nicht zuletzt, die Welt zu bezaubern und zu verzaubern, ihr Schönheit zu entlocken und sie mit Schönheit zu verwandeln, auch dort, wo sie scheinbar trocken und provinziell daherkommt. Das Apokalyptisch-Weltverneinende ist Pleschinski fremd, stattdessen empfiehlt er, kenntnisreich und gebildet, voller Selbstironie und Witz, die einst aristokratischen Tugenden der Anmut, des Großmuts, der Weltoffenheit - und ein bißchen weniger Nüchternheit.
Autorenporträt
Hans Pleschinski, geboren 1956 in Celle, Studium der Germanistik, Romanistik und Theaterwissenschaften in München. Arbeit für Galerien, die Oper und den Film. Seit 1985 Mitarbeiter beim Bayerischen Rundfunk und lebt als freier Autor in München. Zahlreiche Auszeichnungen und Preise: u.a. Staatlicher Förderpreis für Schriftsteller in Bayern (1986), Tukan-Preis der Stadt München (1995), Hannelore Greve Literaturpreis (2006), Nicolas Born- Preis (2008) und den Ernst Hoferichter-Preis (2012).

Sibylle Lewitscharoff, 1954 in Stuttgart geboren, studierte Religionwissenschaften in Berlin, lebte jeweils ein Jahr in Buenos Aires und Paris und danach wieder in Berlin. Sie ist Autorin von Radiofeatures und Hörspielen und hat ein Grammatik-Brettspiel erfunden. 1994 veröffentlichte sie ihr erstes Buch. 2007 erhielt Sibylle Lewitscharoff den Preis der Literaturhäuser, 2010 den Berliner Literaturpreis, 2011 den Kleist-Preis und 2013 wurde sie mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.08.2007

Vom dionysischen Taumel
„Verbot der Nüchternheit”: Hans Pleschinski fordert Lebensfreude
Titel und Untertitel dieses Buches führen in die Irre. Ein „Verbot der Nüchternheit” lässt ein zeitgemäßes Plädoyer für sportliche, patriotische oder religiöse Leidenschaft erwarten, wie sie seit der Fußballweltmeisterschaft und dem Papstwechsel die Deutschen als ihre neue Befindlichkeit theatralisch propagieren. Doch der Aufsatz, der unter diesem Titel den Band eröffnet, malt nur aus, wie es den Deutschen erginge, wenn sie noch mehr Alkohol zu sich nähmen: „besser” sagt Pleschinski im Spaß; im Ernst freilich wird sich der Leser sagen: „schlechter”. Der Untertitel „Kleines Brevier für ein besseres Leben” tut so, als handle es sich um ein weiteres Exemplar Ratgeberliteratur – allerdings mit der ungewöhnlichen Absicht, dionysische Trunkenheit an die Stelle apollinischer Besonnenheit zu setzen. In Wahrheit versammelt das Buch allerlei kleine Schriften, die Hans Pleschinski in den letzten 15 Jahren an zerstreuten Orten veröffentlicht hat: Erzählungen, Essays, autobiographische Erinnerungen. Es ist vielleicht das Ziel, doch gewiss nicht die Wirkung dieser Opuscula, zu einem besseren Leben zu verhelfen. Sie verhelfen nicht einmal zu einem anderen Leben, denn selbst dem Ratschlag, sich am Münchner Gärtnerplatz an der Schönheit der schwulen „Männerschau” zu berauschen, kann der nicht folgen, den Natur, Brauchtum oder Schicksal noch in den Banden der Heterosexualität gefangen halten.
So bunt und zufällig Pleschinskis Sammlung seiner Nebenwerke daherkommt, sie lassen sich dennoch in drei Rubriken ordnen und geradezu systematisch miteinander verbinden. Die Erzählungen handeln davon, wie schwer es ist, mit Frauen zusammenzuleben; die Essays beschreiben die intellektuelle und ästhetische Existenz homosexueller Männer; die Erinnerungen an die Kindheit in der Heidelandschaft halten die glückliche Zeit fest, da noch keine Entscheidung zwischen den Geschlechtern zu treffen war. Den Durchbruch vom hetero- zum homosexuellen Dasein feiert die Erzählung „Die Optiker”. Zwei Brillenmeistern aus Hannover, die sich über ihre unverständigen und reizlosen Frauen beklagen, gehen auf einer Fachmesse in München endlich die Augen auf. Sie umarmen sich in einem Hotelzimmer: „Aah, Frühling in Bayern! Wunderbar!” Pleschinskis Erzählungen sind platte, in eine schematische Handlung verpackte Idiosynkrasien – auch wenn sie einmal ihr Leitmotiv, das Unglück mit den Frauen und das Glück unter Männern, aussparen. Dann stürzt eine sehr sympathische Redakteurin einen sehr unsympathischen Neonazi, der gegen Ausländer und Schwule vom Leder zieht, über das Steilufer der Isar in den Tod. Beim Leser mag sich der Refrain einstellen: „Aah, der Antifaschismus in Bayern! Wunderbar!”
Die ganze Welt ertrinkt
Lesenswert hingegen sind Pleschinskis Erinnerungen an Zeit und Landschaft seiner Kindheit. Sie sind – ein gutes Zeichen – anders als die Erzählungen erst in den letzten Jahren entstanden. Jedes Kind ist originell, weil es in eine befremdliche Welt hineinwächst, die mit übermächtiger Stimme Niegehörtes zu ihm spricht. Nur einige können sich später daran erinnern, wenige davon erzählen oder darüber schreiben. Wenn der erwachsene Pleschinski von dem kleinen Hans berichtet, der in nächtlichen Angstphantasien den Wasserspiegel steigen sieht, so verbindet diese imaginäre Katastrophe den kleinen Ort des Kindes mit der ganzen Welt: „Das Nass überschwemmte die Kellerstufen, es schwappte über die Schwellen unseres Hauses, breitete sich durch die Zimmer aus, das Wasser rann auf die Straße, es flutete über Mauern, ertränkte das Städtchen Wittingen, den Landkreis Gifhorn, überschwemmte das Land Niedersachsen, ließ die ganze Welt ertrinken.”
Die Kindheitserinnerungen bewahren erste Ängste, erste Seligkeiten, die noch nicht durch vernünftige, also resignierte Einsicht in die Realität des durchschnittlichen Weltlaufs gedämpft sind. Unversehens geht aus Pleschinskis Rückblick auf seine Schulzeit eine kleine Theorie der Dichtung hervor: Um das Grauen vor dem Unheimlichen im Wald, im Haus, in der Seele zu bannen, spricht sich der Gymnasiast Poesien aus dem 17. Jahrhundert vor oder übersetzt selbst gedichtete Verse ins Französische. Das geprägte Wort gibt eine bündige Antwort auf die Schrecken des Lebens, es wendet sie „ins Heiterste”. Vermutlich ist der 1956 geborene Autor einer der letzten, die in jungen Jahren Trost, ja sogar Heilung durch Verse erfahren haben. Seit den späten Sechzigerjahren werden in der Bildungsgeschichte der Jugend Gedichte durch Popmusik ersetzt.
Dem Band ist ein Nachwort von Sibylle Lewitscharoff hinzugefügt, so als müsse die Gleichaltrige den Gleichaltrigen in die Welt – d. h. in den Literaturbetrieb – einführen oder, was wohl dasselbe ist, vor Rezensenten schützen. Ihnen soll exemplarisch vorgelobt werden, wie dieses Buch zu loben sei. Zur Strafe für diese unschickliche Hilfeleistung und zum Glück für die Freiheit des Leserurteils weiß Lewitscharoff, der doch so bezaubernde Porträts toter Schriftsteller gelungen sind, über den lebenden Autor nichts Einprägsames zu sagen. Man darf hoffen, dass dieses Beispiel nicht Schule macht. HEINZ SCHLAFFER
HANS PLESCHINSKI: Verbot der Nüchternheit. Kleines Brevier für ein besseres Leben. Mit einem Nachwort von Sibylle Lewitscharoff. Verlag C. H. Beck, München 2007. 260 Seiten, 19,90 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.10.2007

Seid nüchtern

Hans Pleschinski will das "Verbot der Nüchternheit" unterlaufen und ruft, nicht ganz ernsthaft, dazu auf, beherzt zu Rum, Whiskey und Gin zu greifen. "Alkoholica, Erbgut ältester feinster Kulturen" preist er als Lösung aller Probleme an. Der Band mit Erzählungen und Aufsätzen verspricht im Untertitel mehr, als der Inhalt hält - Lebensweisheiten? Fehl am Platz. Pleschinski lässt sich bissig und teilweise auch unterhaltsam über die Schwierigkeiten zwischen den Geschlechtern, homosexuelle Optiker und seine Kindheitserinnerungen aus. Manch einer mag sich hier wiederfinden. Ob sich ihm dadurch aber ein besseres Leben offenbart, sei zu bezweifeln. Also doch lieber Alkohol? (Hans Pleschinski: "Verbot der Nüchternheit". Kleines Brevier für ein besseres Leben. C.H. Beck Verlag, München 2007. 263 S., geb., 19,90 [Euro].) phil

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Heinz Schlaffer betont, dass es sich bei dem Buch von Hans Pleschinski weder um eine Aufforderung zur Leidenschaftlichkeit noch um Ratgeberliteratur handelt, wie Titel und Untertitel glauben machen könnten. Der Sammelband mit bisher verstreut erschienenen Texten lässt sich in Erzählungen, Essays und Erinnerungen einteilen, wobei erstere von den Schwierigkeiten zwischen den Geschlechtern, die zweiten von homosexuellen Männern handeln, erklärt der Rezensent. Die Erzählungen befindet Schlaffer knapp als flach und "schematisch" und auch mit den Essays will er sich gar nicht länger aufhalten. Einzig die Kindheitserinnerungen lohnen seiner Ansicht nach die Lektüre, hier gelinge es Pleschinski, sich tatsächlich in sein Kindheits-Ich zurückversetzen und seine Ängste und Freuden wirkungsvoll zu evozieren. Eine harsche Spitze bringt Schlaffer noch gegen das Nachwort von Sibylle Lewitscharoff, von dem er meint, dass es lediglich dazu diene, Pleschinskis Texte vor den bösen Rezensenten in Schutz zu nehmen und die Rezeption zum Positiven zu lenken.

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