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Es ist die älteste deutsche Geschichte, die hier erzählt wird. Die Historie vom Nibelungen, mehr als 1500 Jahre alt, wird in diesem Buch so mitreißend und sprachgewaltig zum Leben erweckt, daß uns eine Zeit und eine Literatur zurückgegeben wird, die uns abhanden gekommen waren.
Im 5. Jahrhundert spielt die Liebesgeschichte zwischen Siegfried aus Xanten, dem Drachentöter, und Krimhild, der Königstochter. Es sind barbarische Zeiten, Krieg, Gewalt, Vertreibung sind an der Tagesordnung. Ein phantastisches und am Ende hochdramatisches Geschehen wird vor uns entfaltet, eine geschichtliche Wende:…mehr

Produktbeschreibung
Es ist die älteste deutsche Geschichte, die hier erzählt wird. Die Historie vom Nibelungen, mehr als 1500 Jahre alt, wird in diesem Buch so mitreißend und sprachgewaltig zum Leben erweckt, daß uns eine Zeit und eine Literatur zurückgegeben wird, die uns abhanden gekommen waren.

Im 5. Jahrhundert spielt die Liebesgeschichte zwischen Siegfried aus Xanten, dem Drachentöter, und Krimhild, der Königstochter. Es sind barbarische Zeiten, Krieg, Gewalt, Vertreibung sind an der Tagesordnung. Ein phantastisches und am Ende hochdramatisches Geschehen wird vor uns entfaltet, eine geschichtliche Wende: Das Römische Imperium geht unter, die neue Ordnung der Christenheit scheint herauf; in der Mitte Europas ein früher Kampf der Kulturen.

In diesen gewaltigen Stoff sind zahlreiche mythische Erzählungen eingegangen. Der Kampf zwischen Treue und Verrat, Recht und Anarchie, unauslöschlichem Haß und Liebe über den Tod hinaus bewegen uns heute fast noch mehr als in der Vergangenheit: Es ist das Volk der »Deutschen«, das sich aus diesen Widersprüchen bildet - an überraschenden Verweisen auf unsere Gegenwart fehlt es in diesem Buch nicht.

»Eine der spannendsten Geschichten, die es gibt«, schrieb die Presse über Jürgen Lodemanns in fast zwanzigjähriger Arbeit entstandenes Werk, »lebendig, sinnlich verführend und zuweilen auch derb.« Das Aufregendste an dieser Reise in die Vergangenheit ist, daß sie in die Gegenwart führt.
Autorenporträt
Jürgen Lodemann, geboren in Essen, Studium der Germanistik und Geographie in Freiburg. Ab 1965 beim SWF-Fernsehen in Baden-Baden, 143 Mal Literaturmagazin, ab 1975 in der Jury der SWF-Bestenliste. Dokumentarfilme. Mitglied des PEN-Zentrums. Lehrtätigkeit an den Universitäten Stuttgart, Frankfurt, Marburg und Freiburg. Lebt in Freiburg, Essen und im irischen Galway. 1978 Kerr-Preis für Literaturkritik2002 Phantastikpreis der Stadt Wezlar2003 Literaturpreis der Stadt Stuttgart
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.03.2003

Siegfried gegen den Rest der Welt
Jürgen Lodemann inszeniert den Nibelungenmythos als Sündenfall der Globalisierung
Was das Nibelungenlied von anderen Nationalepen unterscheidet, ist vor allem das Unbehagen, das einen angesichts dieser düsteren Familiengeschichte von Verrat und Blutrache leicht beschleicht. Die Ilias oder das Cid-Epos erzählen von Befreiung und somit auch von der Möglichkeit eines Neubeginns – das Nibelungenlied, im 19. Jahrhundert von patriotisch erglühten Germanisten mühevoll in den Rang eines Nationalepos gehievt, enthält so gut wie nichts, das der Ausbildung einer positiven nationalen Identität dienlich wäre. Folgerichtig wurde es in der politischen Rhetorik der Gründerzeit, des Wilhelminismus und schließlich auch der Hitler- Diktatur immer dann bemüht, wenn es galt, kriegerische Aggressionen als heroisches Handeln zu verkaufen, oder wenn man den Untertanen das elende Sterben auf einem Schlachtfeld als nationalen Heldentod schmackhaft machen wollte – man denke nur an Hermann Görings Identifikation von Etzels Halle mit Stalingrad.
Sollte es möglich sein, eine durch eine derart katastrophale Rezeptionsgeschichte verdunkelte Mär neu zu zu erzählen und gar mit einem herrschaftskritischen Sinn zu versehen? Diesen Versuch unternimmt Jürgen Lodemann in seinem voluminösen Roman „Siegfried und Kriemhild”, einem „Stück aktueller, glänzend gelungener Aufklärung”, so die SWF-Bestenliste.
Die böse Hagen-Achse
Der Roman gibt sich als die Übertragung einer Handschrift, die fast gleichzeitig mit den im Nibelungenlied überlieferten Ereignissen im 5. Jahrhundert entstanden sei. Lodemann erzählt vom Tod Siegfrieds und vom Burgundenuntergang als Konsequenz eines Konflikts von welthistorischer Dimension, bei dem Siegfried als Symbolfigur einer ganzheitlich-ökologischen Keltogermanenkultur der skrupellosen Macht des Christentums unterliegt, das mittels „Angst-Terror” eine lustfeindliche und umweltzerstörende „Wüstenreligion” etabliert.
Vertreten wird die Achse des Bösen von Hagen sowie vom „Hundsfott” Bischof Ringwolf, einem Ausbund von Bigotterie, Verlogenheit und Machtgier, der die Kontrastfigur zum fröhlich-subversiven Lebenskünstler Siegfried abgibt. Dieser plant ein „Reich, in dem weder Groß noch Klein regieren, in dem auch keine Schuldängste mehr drückten”, in dem „schöne bunte Bilder des Friedens und der Leibhaftigkeit (herrschen)”, und wo „keiner mehr nach Besitz gieren müsse und regieren”. Doch kam es ja bekanntlich so, dass die Welt – in Lodemanns Diktion – „zerhagenhackt” wurde zu „Schurkenmurksgelurke”, will sagen: Das christliche Imperium okkupiert das Germanenreich von Love & Peace.
Das hehre Inbild deutscher Heldentragik polt Lodemann in einen frechen Globalisierungsgegner um. Erkauft wird dieser dem Zeitalter der Esoterikmessen angepasste Birkenstock-Siegfried allerdings mit einer ans Monströse grenzenden Geschichtsklitterung. Die Konstruktion des unüberwindlichen Gegensatzes zwischen einem naturweisen und diesseitsfreudigen Germanentum und einem habgierigen römisch-christlich-jüdischen Imperium gehört seit jeher zum Stereotypenbestand der Germanenideologie. Schon in der Reformationspropaganda war es die katholische Kirche, die mit der bösen Fremdmacht identifiziert wurde – später konnte diese Position je nach ideologischer Bedarfslage mit Frankreich, dem Bolschewismus, dem „internationalen Judentum” oder eben auch dem „artfremden” Christentum besetzt werden. Die Vorstellung einer geistigen Überfremdung und politischen Entmündigung der Germanen durch die Christianisierung ist ein zentrales Thema auch der von antimodernen Ressentiments geprägten Volkstumsideologie, etwa in Alfred Rosenbergs „Mythus des 20. Jahrhunderts”.
In der seriösen Forschung ist der clash of cultures zwischen Germanen und Christen längst kein Thema mehr. Lodemanns Konzept eines kulturell und moralisch geschlossenen Keltogermanentums, dem die römisch- christliche Welt ebenso blockhaft gegenübersteht, hat mit den historischen Realitäten wenig zu schaffen. Seit der Antike stand ein großer Teil der germanischen Stämme in vielfältigem Kontakt mit der mediterranen Welt, und das Frankenreich mit seinem gallorömischen Bevölkerungsanteil war schon in seinen Anfängen ein Vielvölkerstaat mit regional recht unterschiedlichen zivilisatorischen Voraussetzungen. Wo Lodemann die Germanen als arglose Opfer einer machtbesessenen Christenclique zeichnet, hat sich tatsächlich ein komplexer Zivilisationsprozess abgespielt, in dem die keltogermanische Welt einen überaus aktiven Part spielte.
Doch geht es Lodemann nicht darum, wie durch die Vermittlung jüdisch- christlicher, antiker, keltischer und germanischer Traditionen eine neue Zivilisation erwuchs, nämlich die des europäischen Mittelalters. Ein manichäisches Weltbild bedienend, bei dem ein alteuropäisches Edelheidentum mit den christlich-mediterranen Mächten der Finsternis im Kampf liegt, schreibt Lodemann unbekümmert den fatalen Weltverschwörungsmythos fort, in den die völkische Ideologie die Nibelungengeschichte verwandelt hat. Er greift selbst auf die vor allem in der Nazizeit populäre Idee zurück, der Cheruskerfürst Arminius sei ein direkter Vorfahr Siegfrieds gewesen.
Der Hohlkopf Tacitus
So wird die Schlacht im Teutoburger Wald, tatsächlich eine Meuterei des cheruskischen Hilfsheers der Römer, nach altbekanntem Muster zum Befreiungsschlag gegen die „römischen Verwüster” stilisiert. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die nicht gerade geschmackvolle Geschichte, die Lodemann über den römischen Geschichtsschreiber Tacitus, dessen ethnographische Schrift „Germania” die wertvollste Quelle der Germanenforschung darstellt, ersonnen hat. Ein „gelenkiger Jüngling aus der Gegend von Paderborn” habe sich der Vergewaltigung durch den „lahmen Pergament- Arsch” entzogen, indem er dem „Hohlkopf” in seiner Angst all den Unsinn auftischte, der dann den Inhalt der „zur Herabsetzung der nordischen Stämme” geschriebenen „Germania” ausmachen sollte.
In dem Stil, in dem hier ein Meisterwerk der lateinischen Literatur diskreditiert wird, wird im Roman auch gegen die jüdisch-christliche Tradition geeifert: „Wüstenterror. Von Wüstenpriestern. Jerusalem wie West-Rom wie OstRom, sie verdorren die Welt.”
„Mit GeistIdiotie”, tönt es da dumpf, und an Stelle der „Kopfkrankheit aus der Wüstenstadt Jerusalem” wird eine seichte Ganzheitlichkeitsesoterik, die angeblich die Religion Alteuropas gewesen sei, als Weltheilmittel eingefordert. So vollmundig Lodemann der christlichen Zivilisation eine Abfuhr erteilt, so dürftig sind seine Alternativen.
Das antithetische Schema der Germanenideologie, in das auch Lodemann die Nibelungen presst, dient der Kompensation von Unterlegenheitsgefühlen und der Produktion von Feindbildern. Die Logik dieses schlichten Denkens kennt nichts als den Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen „uns” und dem Drachen. Wenn Lodemanns Roman „Aufklärung” leistet, dann unfreiwillige: darüber, dass dieses Schema seinen menschenverachtenden Charakter auch dann bewahrt, wenn es für die Kritik an Umweltzerstörung und Imperialismus in Anspruch genommen wird. Die Verantwortung für die Fehlentwicklungen der Zivilisation lastet Lodemann den „RomHerren” und – ohne Scheu vor antisemitischen Untertönen – den „Wüstenpriestern Jerusalems” an.
Die Opfer in dieser Dolchstoßszene sind „wir”, Siegfrieds Erben. Es ist nicht leicht nachzuvollziehen, was angesichts der nazideutschen Welteroberungsversuche mit ihren Millionen Opfern ein derart abstruses, an uralten Stereotypen orientiertes Geschichtsmodell leisten sollte – außer einer allzu billigen Entlastung von der neueren Geschichte. Jürgen Lodemanns globalisierungskritisch-ökologisches Sendungsbewusstsein in allen Ehren, doch mit der Wiederaufbereitung von ideologischem Giftmüll ist diesem Anliegen denkbar schlecht gedient.
Es liegt zweifellos ein gewisser Triumph der Poesie darin, dass das Nibelungenlied jeden, der diese ferne Dichtung vor einen aktuellen ideologischen Karren zu spannen versucht, buchstäblich verdammt alt aussehen lässt.
KLAUS BÖLDL
JÜRGEN LODEMANN: Siegfried und Kriemhild. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2002. 887 Seiten, 29,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.07.2002

Das ist der Nibelunge Talkshow
Neue Funde zu altgermanischen Debattenhelden: Jürgen Lodemanns Roman "Siegfried und Kriemhild"

Wenn jemand weiß, wo der Roman in diesen Tagen zu stehen hat, dann ist es der frühere Literaturredakteur Jürgen Lodemann: Vielsprachig, vielstimmig, ironisch gebrochen soll der Roman vor allem sein. Und so beginnt "Siegfried und Kriemhild" mit einer Vorrede des fingierten Herausgebers John J. B. B. Schazman. Schazman - Achtung: Nibelungenhort! - ist ein Ire des neunzehnten Jahrhunderts, der eine keltische Chronik des Nibelungenstoffes ins Englische übertragen haben will, sah er doch seine "eigene vertrackte Gegenwart" in der Geschichte von Liebe, Eifersucht und Mord gespiegelt.

"Keltisch" - das geht heute freilich leichter von der Zunge als "germanisch". Lodemann lebt in Irland, über Galway hat er einen Fernsehfilm gedreht, und von einem Buchhändler in Galway, so die Fiktion, habe er Schazmans Manuskript erhalten. Eine Urfassung der Nibelungen also, von Giselhers eigener Hand verfaßt, von dem irischen Mönch Kilian Hilarus gerettet und ins Keltische übertragen, mit gelehrten Anmerkungen versehen; an Leitmotiven, an multikulturellen und feministischen Tupfern fehlt es nicht; Meta-, Sub- und Paratexte und -fiktionen sind reichlich vorhanden.

Alles, was die postmoderne Literaturtheorie verlangt, findet der Leser im Übermaß; soweit die Erfolgsrezepte von Umberto Eco erlernbar sind, hat es Lodemann an Fleiß nicht fehlen lassen. Herausgekommen ist freilich ein unlesbares Buch. Weil Lodemann seinen Roman geschrieben hat, um etwas zu beweisen. Denn so steht es gleich zu Anfang in Kilians eigener Chronik-Vorrede: Der Mord an Siegfried ebenso wie Giselhers Schicksal seien "Beweise dafür, daß unsere heilige christliche Religion zu einer Todesreligion wird, die das Leben und die Welt verachtet, die nur noch das paradiesische Jenseits preist und nicht mehr das umsichtige Wirken im Diesseits". Primär war hier der Wille zur These. Jede Episode der Nibelungen-Geschichte wird diesem Willen geopfert. Statt eines Romans findet man eine Kopfgeburt.

Über den Stoff des mittelalterlichen Nibelungenlieds legt Lodemann ein Schema. Mit klaren Feldzeichen treten die Protagonisten an: Gegen die Freien und Fröhlichen stehen die Welt-Verfinsterer. Finster sind Rom und seine Wormser Agenten, finster ist die Macht im allgemeinen, die Kirche im besonderen, "Zinsraffwut" und Geldgier und vor allem Hagen. Er ist als Übeltäter leicht erkennbar: "Über seine Zahnspitzen sah ich im Flackerlicht die grinsenden, die rissigen Lippen", notiert Giselher. Heiter sind dagegen die Kelten, fröhlich ist der Glaube an Erdmutter Gaia, fröhlich sind die Freiheit, die Toleranz und ihr Vorkämpfer Siegfried. So fällt dem Leser die Orientierung nicht schwer. Er weiß, daß es die Bischöfe sind, die "die Juden, die Heiden und die Frauen" verdammen und von Materie oder Lebenslust nichts wissen wollen.

Zwar ist auch Kilian Hilarus kein Heide, aber durch seinen Beinamen den Fröhlichen zugeordnet. Er gehört zur "heiteren Christuskirche der Iren". Bei den Finsteren steht naturgemäß Bischof Ringwolf, der schon zu Beginn Siegfried den Zutritt nach Worms verwehren will. Siegfried nämlich ist der Hoffnungsträger der antirömischen Partei, gilt er doch als Nachkomme von Hermann dem Cherusker, der die Streitkräfte des Imperiums erstmals hatte zurückschlagen können. Lodemann sieht ihn als wiedergekehrten Spartakus. Der junge Held jedenfalls ist "kein Trauerkloß", ihm kann keiner mit "Geistesgedöns" kommen.

Auch Giselher hält es lieber mit der "schönen Freiheitsreligion des Jesus" als mit der "kirchlichen MachtArbeit", der "Angstseuche", ja dem "Angst-Terror des RomImperiums". Niemanden wird es überraschen, daß die Kirchenmänner sich in diesem Roman als Frauenfeinde hervortun. Die Frauen nämlich pflegen die "Baumkraft"; ihnen ist das alte Wissen anvertraut, das geradewegs aus einem Wochenend-Workshop des Jahres 1977 zum ganzheitlichen Leben zu stammen scheint. Natürlich muß der Männerneid ihnen diese Kraft entwenden, wie Hagen es dem Bischof Ringwolf eingeflüstert hat: "Zertrenne du die Geister von den Leibern. Die Weisheit von den Weibern. Mit den Zertrennten operiere dann ich". Wie Hagen die Kriegstreiberei, so vertreten die Frauen den Friedenswillen: "Für Frau Sieglind ist das Sternbild Orion kein Jäger, sondern eine riesenhafte Kuh. Ein friedliches Rind. Nicht um Eisen, Kampf und Speerstöße geht es ihr, sondern um Milch und Sonne und Freundlichkeit." Daß es gerade ein männlicher Autor ist, der uns mit solch kuhwarmer Weisheit traktiert, macht die Sache nur peinlicher.

Die Sprache dieses Buchs will den Ton mündlichen Erzählens treffen. Manches klingt wie vom seligen Felix Dahn - "Weh, ächzte Hagen" -, an anderen Stellen häufen sich genaue Benennungen, die pralles Leben simulieren sollen: Da findet sich das "Unschlitt-Lämpchen" neben dem "Rupfenrock". Und deshalb muß Hagen ebenso regelmäßig rülpsen ("Qualp") wie sonstige Leibeswinde entlassen. Wer das Buch liest, tut gut daran, gelegentlich zu lüften.

Als die Nibelungen, im letzten Abschnitt, die Reise in den Osten antreten, in Etzels und Kriemhilds Land, machen sie Rast bei Miltenberg. Die Sonne geht unter. Die Beleuchtung der Szene gibt dem starr-fanatischen Geistlichen nur das Stichwort, um auf den "überaus dämonischen Mithraskult" zu sprechen zu kommen, dem Etzel mit seinen Hunnen anhänge - er sieht den Zug als Missionsreise. "Da fragte ich", so wirft Kilian ein, "den schmächtigen Gotteskrieger, warum wir den Herrn Etzel nicht glücklich sein lassen könnten mit seinem Sonnenglauben, es sei doch die Sonne vor allem, was die unfaßlich schöne Gottheit geschaffen habe, das Hellste und Wunderbarste, die Kraftquelle für jedes Leben."

Wie zu erwarten, eifert der Gottesmann für Maria und die Trinität, worauf Kilian seine Sonnenpredigt wiederaufnimmt: "Und lieber Bruder, auch dann, wenn wir selber längste zur Erde geworden sind, auch dann, denk dir, wird immer wieder neu ringsherum und allenthalben dies lüsterne Blühen sein und wird, von der Sonne geweckt, immer von neuem solch zwitschernde, betäubend duftende Zeugungsfreude sich tummeln, in unendlicher Lust, voller Begehren nach neuem Leben." So angestrengt poetisch, so herzlich platt redet er über Seiten, und so wiederholt es sich in jedem Kapitel. Mädchenschönheit, Vogelzwitschern, Hagen-Bosheit sind Anlässe nicht fürs Erzählen, sondern für Debatten. Der Leser wird in die große Nibelungen-Talkshow über die heidnisch-christliche Epochenschwelle versetzt.

Wer sich, wie Lodemann, ehrenamtlich im Schriftstellerverband engagierte, wer gar den Beruf des Literaturredakteurs wählte, der hat gezeigt, daß ihm an Büchern etwas liegt. Nur über die eigene schriftstellerische Begabung ist damit noch nichts gesagt. Kaum war das Buch allerdings erschienen, da stand es, im Juni, auf Platz eins eben jener SWR-Bestenliste, die Lodemann einst begründet hatte, in diesem Monat immerhin noch auf Platz zwei. Wollen wir der fröhlichen Partei zustimmen, die von einer Hommage an den alten Kollegen spricht, oder der finsteren, die sich abwendet?

Jürgen Lodemann: "Siegfried und Kriemhild". Roman. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2002. 887 S., geb., 29,50 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Anfang und Ende scheinen noch vertraut, meint die Rezensentin Beatrix Langner, es beginnt mit der Ankunft Siegfrieds in Worms und endet mit Kriemhilds Rache, jedoch dazwischen erzählt Lodemann, gegen den Strich des Gewohnten, vom fatalen Sieg des Christentums über die Germanen. Langner betont, dass es dem Autor durchaus Ernst ist mit seiner Geschichte, auch wenn er zum "schwankhaften" Ton in der Lage ist. Konsequent hat er, so Langner, den Stoff zur "Neo-Mythe des 'korrigierenden Blicks'" - umgebaut, wenig ist geblieben vom strahlenden deutschen Heldenwesen Siegfrieds. Der ist jetzt Linksdemokrat. Die Rezensentin hat Lodemann mit seinem Roman offensichtlich hingerissen: sie stellt ihn neben Dieter Kühn und Umberto Eco, lobt in den höchsten Tönen seine "Gelehrsamkeit", aber auch seine Lust am "witzelnden Kalauer". Es handelt sich, kurz gesagt, um ein "großformatiges Erzählvergnügen."

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