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Ungewöhnliche Familienverhältnisse: Ajot, der Rollstuhlfahrer, braucht eine Pflegerin, die wiederum findet in ihm einen Ersatzvater für ihren unehelichen Sohn Bert. Die Krankengymnastin Elisabeth dagegen verläßt Mann und Kinder, weil sie sich nach einem Liebhaber sehnt. Dagmar Leupolds Roman über das empfindliche Gleichgewicht, in dem diese Menschen balancieren und das sie »vorübergehend glücklich macht«, ist mit federnder Leichtigkeit geschrieben - und von großem menschlichen Gewicht. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Produktbeschreibung
Ungewöhnliche Familienverhältnisse: Ajot, der Rollstuhlfahrer, braucht eine Pflegerin, die wiederum findet in ihm einen Ersatzvater für ihren unehelichen Sohn Bert. Die Krankengymnastin Elisabeth dagegen verläßt Mann und Kinder, weil sie sich nach einem Liebhaber sehnt. Dagmar Leupolds Roman über das empfindliche Gleichgewicht, in dem diese Menschen balancieren und das sie »vorübergehend glücklich macht«, ist mit federnder Leichtigkeit geschrieben - und von großem menschlichen Gewicht.
(Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)
Autorenporträt
Leupold, DagmarDagmar Leupold, Schriftstellerin, wurde 1955 in Niederlahnstein geboren. Studium der Komparatistik in Marburg, Tübingen und New York. Sie erhielt mehrere Auszeichnungen, u. a. den aspekte-Literaturpreis für das beste Prosa-Debüt 1992.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.08.1995

Gute Babys heißen Bert
Dagmar Leupold reitet den Kentauren, als wäre er ein Pegasus

Ajot geht es besser. Zwar sitzt er, seit er seinen Schlaganfall erlitten hat, im Rollstuhl, aber dafür darf er nun sein, was er schon immer war: ein Narr - "von Montag bis Sonntag, amtlich, hauptberuflich und am Feiertag". Ajot ist nicht der Mittelpunkt von Dagmar Leupolds feinsinnigem Roman "Federgewicht". Er ist der Zuordnungspunkt, der Fluchtpunkt, der dem Geschehen Halt und Perspektive gibt. Sofern von einem Geschehen überhaupt die Rede sein kann; denn eigentlich passiert in diesem Buch so gut wie gar nichts. Eine Krankenschwester verläßt ihren Mann und ihre beiden halberwachsenen Kinder. Eine junge, alleinerziehende Mutter arbeitet als Pflegerin und zieht zu einem Behinderten. Na und?

Vorsicht. Womöglich hat Dagmar Leupold mit "Federgewicht" nämlich den deutschen Gegenwartsroman geschrieben, der von der Literaturkritik immer wieder ungnädig angemahnt wird. Denn Elisabeth (die Krankenschwester) hat Kummer mit ihrem Sohn: Er kommt nur noch selten nach Hause, meist stinkt er dann nach Alkohol, sein fettiges Haar ist kurz geschoren, und eines Tages entdeckt die besorgte Mutter auf seinem Arm eine Tätowierung, die ihn als Mitglied einer faschistischen Schlägertruppe ausweist. Dorothea aber (die Pflegerin) kommt aus der ehemaligen DDR und will sich deswegen nicht schämen müssen. Ihr Baby heißt Bert, weil sie Brecht verehrt, und ihre Eltern wohnen noch im Osten.

Es ist bewundernswert, wie leichtfüßig Dagmar Leupold diesem Mischmonster aus unbewältigter DDR-Vergangenheit und neonazistischer Gefahr die Sporen gibt. Sie reitet den Kentauren, als wäre er ein Pegasus: Die politischen Probleme ragen nicht von außen in den Roman hinein, sie ergeben sich sozusagen unpolitisch aus der Geschichte selbst.

Ajot ist der feste Punkt im Alltag, an dem die krummen Lebensschicksale einander überschneiden. Während Elisabeth regelmäßig mit ihm Krankengymnastik betreibt, entwickelt er sich zum Ersatzvater für Dorotheas Baby. In Wirklichkeit heißt dieser Sonderling Arpad Janos - Ajot sind nur seine Initialen -, stammt aus Ungarn und lebt seit Jahren mit einer imaginären Frau namens Rosa zusammen. Auf seine ironisch verrückte Art ist Ajot ziemlich weise; und es stört nicht im mindesten, daß er damit bis aufs Haar dem literarischen Topos des wise fool entspricht.

Selbstverständlich hat Dagmar Leupold nicht den großen deutschen Gegenwartsroman geschrieben. Das ist kein Unglück, denn sie hat ein schönes Buch vorgelegt. Mit feiner Sprachfeder gelingt es ihr, festumrissene Typen zu zeichnen, die keine Karikaturen sind; nebenbei verstreut sie leichthändig Aperçus dieser Art: "Bitterkeit macht anspruchsvoll - die anderen sollen sühnen, was man selbst versäumt hat. Kein erfolgversprechendes Konzept; und es kostet viel Energie, mit den unausweichlichen Enttäuschungen fertig zu werden."

Nicht unausweichlich ist indessen die Enttäuschung, die den Leser am Schluß des Romans befällt. Denn es kann ja nur die Schuld der Autorin sein, daß das Ende wie vorgestanzt wirkt: Elisabeths mißratener Sohn wird von der irdischen Gerechtigkeit ereilt, sie selbst geht zurück zu ihrem Mann. Dorothea findet einen Freund und wandert aus; Ajot stirbt. Sollte Dagmar Leupold, als sie ihrer Figuren überdrüssig wurde, schnell im himmlischen Verzeichnis der Romanschlüsse nachgeblättert haben, was da zu tun sei? Wir fürchten, sie hat in der Hast den falschen Abschnitt erwischt. HANNES STEIN

Dagmar Leupold: "Federgewicht". Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1995. 235 S., geb., 34,- DM.

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