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Ein altes verwunschenes Haus im Gewerbegebiet vor der Stadt wird zur Zufluchtsstätte einer kleinen Gruppe "geretteter Figuren". Vier Geschwister sind es und zwei ungleiche Liebhaber, die sich eine der Schwestern ins Haus holt. Abgeschirmt von Alltag und Außenwelt entwickelt sich in dieser freiwilligen Isolation ein bald somnambules, bald hellsichtiges Spiel der Gedanken und Verhaltensformen. Was bestimmt unsere Zeit, wie können wir sie bestimmen? Die "Bewußtseinsnovelle" von Botho Strauß fragt - in der Erinnerung an die großen Symbolfindungen der deutschen Literatur von Kleist bis Hofmannsthal…mehr

Produktbeschreibung
Ein altes verwunschenes Haus im Gewerbegebiet vor der Stadt wird zur Zufluchtsstätte einer kleinen Gruppe "geretteter Figuren". Vier Geschwister sind es und zwei ungleiche Liebhaber, die sich eine der Schwestern ins Haus holt. Abgeschirmt von Alltag und Außenwelt entwickelt sich in dieser freiwilligen Isolation ein bald somnambules, bald hellsichtiges Spiel der Gedanken und Verhaltensformen. Was bestimmt unsere Zeit, wie können wir sie bestimmen? Die "Bewußtseinsnovelle" von Botho Strauß fragt - in der Erinnerung an die großen Symbolfindungen der deutschen Literatur von Kleist bis Hofmannsthal - nach dem Bild, das jenseits des Netz-Werks für uns gültig sein könnte.
Autorenporträt
Botho Strauß, 1944 in Naumburg/Saale geboren, lebt in der Uckermark. Bei Hanser veröffentlichte er neben einer vierbändigen Werkausgabe seiner Stücke zuletzt die Prosabände "Mikado" (2006), "Die Unbeholfenen" (Bewußtseinsnovelle, 2007), "Vom Aufenthalt" (2009), "Sie/Er" (Erzählungen, 2012), "Der Aufstand gegen die sekundäre Welt" (Aufsätze, 2012), "Die Fabeln von der Begegnung" (2013), "Kongress" (Die Kette der Demütigungen, 2013), "Allein mit allen" (Gedankenbuch, 2014), "Herkunft" (2014), "Oniritti Höhlenbilder" (2016), "zu oft umsonst gelächelt" (2019) und "Nicht mehr. Mehr nicht" (Chiffren für sie, 2021).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2007

Die Komödie der Schwarmintelligenz
In seiner Bewusstseinsnovelle „Die Unbeholfenen” führt Botho Strauß ein Marionettentheater der Reflexion auf
In der klassischen deutschen Literatur werden die Helden, wenn es um die Bildung ihres Herzens und ihres Kopfes geht, gern auf Wanderschaft geschickt. Um ihn nur ja daran zu hindern, sich irgendwo festzusetzen, wird Wilhelm Meister das Gelübde auferlegt, nirgends länger als drei Tage unter einem Dach zu verweilen. Das mag für den Helden unbequem sein, kommt aber dem Erzähler entgegen, der ihn durch die Welt führt, in Abenteuer und Liebschaften verstrickt, ihm eine Vielzahl von Charakteren begegnen lässt, bis am Ende ein rechter Roman daraus geworden ist.
Es gibt aber noch einen anderen Weg, um von den Abenteuern des Wissens und der Seele zu erzählen. Er führt in eine fest umrissene, abgezirkelte Situation, versammelt die Figuren auf engem Raum und legt ihnen Rätsel und alte Geschichten vor oder gibt ihnen Stichworte, aus denen sie selbst eine Erzählung herauszuspinnen haben. So geschieht es im Essay „Über das Marionettentheater” bei Heinrich von Kleist oder in den Gesprächen der Frühromantiker. Und wenn der umschränkte Raum nur abgelegen genug ist und die Figuren viel Zeit haben, gehen daraus ganze Novellenkränze hervor.
Der Schriftsteller Botho Strauß hat jetzt in einem Buch mit dem ebenso schönen wie rätselhaften Titel „Die Unbeholfenen” diesen zweiten Weg, den des symbolischen Erzählens, beschritten. Er versammelt darin fünf Figuren an einem abgelegenen, anonymen Ort: in einem Fachwerkhaus, das wie zum Trotz mit seinen nachgemachten Mittelalterzieraten in der Ödnis eines Gewerbeparks zwischen Lagerhallen und Containerbüros stehengeblieben ist. Hierhin verschlägt es den Ich-Erzähler, denn in dem anachronistischen Haus lebt die Familie seiner neuen Geliebten, Nadja.
Zum aktuellen Lieblingsgenre der Deutschen, dem genealogischen Familienroman, in dem Enkel und Großväter gemeinsam an der historischen Bildung der Leser arbeiten, führt von diesem Familiensitz kein Weg. Es gibt dort nur Geschwister, zu den Gesetzen des Hauses gehört, dass die Eltern ausgeschlossen sind und es verboten ist, Kinder in die Welt zu setzen. Das sind Bedingungen des Lebens – und Erzählens –, die dem Zusammenspiel von Wanderschaft und organisch sich entfaltenden Biographien entgegengesetzt sind. Hier wird bewusst auf der Stelle getreten , oder besser: getanzt.
Hier wird ein Marionettentheater der Reflexion aufgeführt, das sich „Bewusstseinsnovelle” nennt. Die Figuren sind Puppen, die an den Fäden ihrer Gedanken hängen: Albrecht, der ältere, behinderte Bruder Nadjas in seinem Rollstuhl, ihre jüngeren Zwillingsschwestern, Elena und die gehörlose Ilona, dazu Romero, der ehemalige Geliebte Nadjas. Man kann hier aus Liebesgeschichten herausspringen und doch am Gedankensquash weiter teilnehmen. Romero heißt zwar wie der Stierkämpfer aus Hemingways „Fiesta”, aber seine Wendigkeit und Geistesgegenwart ist die eines nahezu körperlosen Reflexionsakrobaten.
Wie in Goethes „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten” stehen auch hier die Figuren mit dem Rücken zur Gegenwart. Nur haben sich diese Emigranten nicht vor der Revolution ins Abseits geflüchtet, sondern vor der „Überschwemmung mit nichtswürdiger Gegenwart”. Ihr Credo ist, dass die Gegenwart nur versteht, wer sich ihrer Gesellschaft entzieht. Das einzige technische Gerät in diesem Abseits ist das Handy der tauben Ilona, das per SMS Verbindung zur Außenwelt, zur verbannten Mutter unterhält.
Aus der Gegenwart, aus ihren Debatten über Ökologie und Nanotechnologie, Internetkommunikation und kollektive Intelligenz, stammt der Stoff der Unterhaltungen in der geschlossenen Gesellschaft dieser Gegenwartsflüchtlinge. Die Themen der Informationsgesellschaft sollen in diesem Marionettentheater in poetisches Wissen verwandelt werden. Der Anspruch wird früh formuliert: so wie Goethe in den „Wahlverwandtschaften” die zeitgenössische Chemie in den Dienst der Poesie stellte, sollen hier der heutigen Wissenschaft und Technologie ihre Symbole abgewonnen werden: „Mit Hilfe von Restlichtverstärkern holt man für das natürliche Auge nicht mehr erkennbare Gestalten aus der Finsternis. Eine vergleichbare Wiederaufbereitung, die dem schwachen Strahlen der Symbole neue Leuchtkraft verliehe, ist technisch nicht denkbar. Doch müßten nicht wir selbst in der Abgeschiedenheit unseres Konventikels so etwas wie Restlichtverstärker sein für die ein oder andere vergehende Ansicht oder Einsicht?”
Ein elegischer Grundton, in den sich Verachtung der Gegenwart mischt, wird in diesen Unterhaltungen oft angeschlagen. Etwa wenn der gern den Reaktionär gebende Romero gegen die „Komfortgesellschaft” wettert und mit „ihren hauseigenen Mitteln der Toleranz, Diskussion, Konferenz, Konfliktforschung” ins Gericht geht. Das mag manchen Leser an manchen Essay des Autors Botho Strauße erinnern und wegen dieser Ähnlichkeit erfreuen oder verstimmen.
Aber in dieser Bewusstseinsnovelle, in der stets ein Wort das andere gibt und keine Meinung mit sich allein ist, gerät auch das selbstgewisse Rechten mit der Jeansmode oder den „Existenzprothesen” der „Enhance-Industrie” ins Zwielicht. Denn in diesem Marionettentheater herrscht der Geist nicht des Manifests, sondern der Komödie. Es ist freilich eine schwarze, eine bittere Komödie. Überaus intelligent und hochgebildet, beschwören darin die Figuren die „Bewusstseinskrise” der Gegenwart, wie zum Ansporn zitieren sie die Symbole, die um 1800 wie in der klassischen Moderne im frühen 20. Jahrhundert der Erfahrung krisenhafter Umbrüche abgewonnen wurden: Goethes Novelle vom „Mann von fünfzig Jahren”, Kleists „Marionettentheater”, Hofmannsthals Chandos-Brief, Prousts Vermeer-Epiphanien, Paul Valérys Monsieur Teste und seine Hirntestikel.
Aber so wie sie sich selbst das Zeugen verboten haben, gilt auch für ihr bisweilen hinreißend elegantes, bisweilen umständlich verstiegenes Gedankentheater, dass es unfruchtbar bleibt. Brillant spielen sie mit den modernen Mythen künftiger überindividueller „Schwarm-Intelligenz”, klug weisen sie die allgegenwärtige Metapher des „Netzes” als Schlüssel zum Gegenwartsbewusstsein zurück. Aber wenn am Ende der Ich-Erzähler seine Geliebte Nadja verloren, deren verjüngte Mutter als neue Geliebte gefunden hat und die Figuren von ihren Reflexionsfäden abgeschnitten werden, ist allenfalls eine Rahmenhandlung notdürftig zu Ende gebracht.
Die Bilder, die dem Leser im Gedächtnis bleiben, sind die der zitierten älteren Literatur: von der wunderbaren Brackenseil-Episode aus Wolfram von Eschenbachs „Titurel” bis zur nackten Wurzel im Park aus Sartres „Ekel”. Die unerhörte Begebenheit dieser Novelle, die im Auftritt eines starken Symbols für das Bewusstsein der Gegenwart bestanden hätte, ist ausgeblieben. Der Erzähler suggeriert: Es gehört zur Schwäche der Gegenwart, dass sie solche Bilder nicht hervorbringt. Das aber glaubt dem Erzähler kein wahrer Leser – und dem Autor dieser Novelle schon gar nicht. Denn es wäre die Kapitulation der Literatur vor der Gegenwart . LOTHAR MÜLLER
BOTHO STRAUSS: Die Unbeholfenen. Bewusstseinsnovelle. Carl Hanser Verlag, München 2007. 123 S., 12,90 Euro.
„Ja, waren sie nicht wie Puppen an den Fäden einer Reflexion, die über ihren Köpfen und nicht in ihnen stattfand? Jeder flüchtige Gedanke, jede innere und äußere Regung, die den einzelnen beschäftigten, hing an den Strippen einer vorrangigen Gemeinsamkeit und leitenden Sympathie.” Foto: Massimo Borchi/Corbis
In Datenmengen auf Symbolsuche: der Schriftsteller Botho Strauß Foto: Ruth Walz
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.09.2007

Die Schrift im Badeschaum an der Wand

Das ist der alte Botho Strauß, wie wir ihn noch nicht gelesen haben: Wie stets der kollektiven Befindlichkeit unserer Zeit auf der Spur, aber voller Selbstironie. "Die Unbeholfenen", eine Novelle über die Tücken der Bewusstseinskrise.

Von Hubert Spiegel

Der Ort: ein Nicht-Ort, eine verwunschene Villa, ehemals Heimstatt einer Wahrsagerin oder des Henkers, das einzige Wohnhaus inmitten eines öden Gewerbegebiets. Die Zeit: eine einzige Nacht in der Gegenwart. Die Figuren: die Unbeholfenen. Die Handlung: ein Reflexions- und Liebesreigen, ein gedankenschweres und amourenleichtes Sommernachtsverwirrspiel um die Schwierigkeit, Badeschaum an die Wand zu nageln. Denn genauso hat Botho Strauß vor drei Jahren definiert, was es bedeutet, Befindlichkeiten zu sondieren: das gleiche dem Versuch, Badeschaum an die Wand zu nageln. Der Satz findet sich in dem Band "Der Untenstehende auf Zehenspitzen" aus dem Jahr 2003. Jetzt hat Botho Strauß wieder zum Hämmerchen gegriffen und aus Reflexionen und Maximen eine "Bewußtseinsnovelle" geschmiedet. Und indem er uns seine Figuren auf der Suche nach der "beherrschenden kollektiven Gestimmtheit" unserer Zeit beobachten lässt, führt er das Gesuchte lässig vor.

Dabei beginnt dieses Buch alles andere als lässig: Verrätselt, klügelnd, abstrakt und zuweilen bleischwer sind die Gespräche, die in der Villa geführt werden. Wie Ort und Figurenkonstellation ist jedes Wort, jede Geste mit Symbolik aufgeladen. Florian Lackner, der Erzähler, wird von seiner neuen Freundin Nadja, dem familienkreis präsentiert, der sich als Geschwisterbande entpuppt: Nadja und ihre Schwestern Ilona und Elena bilden mit ihrem Bruder Albrecht eine seltsame Gemeinschaft. Elitär und abgeschieden von der Welt, ergänzt um Nadjas ehemaligen Liebhaber Romero, liefern sie sich prätentiöse Wortgefechte und philosophisch aufgeladene Debatten um große Fragen und letzte Dinge. Es geht zu wie auf einer schlechten Podiumsdiskussion: Sentenzen und Statements werden abgesondert, ein intellektuelles Schaulaufen, bei dem keineswegs deutlich ist, ob Botho Strauß gerade aus seinen Figuren spricht oder sie der Lächerlichkeit preisgeben will. Streckenweise lesen sich Romeros und Albrechts Ausführungen wie Goethes "Betrachtungen im Sinne der Wanderer", fast dreißig Seiten unverbunden aneinandergereihter Weisheiten etwa von dieser Art: "Die Frage, woher hat's der Dichter? geht auch nur auf's Was, vom Wie erfährt dabei niemand etwas."

Woher's Botho Strauß hat und nimmt, lässt er den Leser gerne wissen. So werden die "Wahlverwandtschaften" ebenso angesprochen wie die "Wanderjahre" und die darin enthaltene Erzählung "Der Mann von funfzig Jahren", die der im Rollstuhl sitzende Albrecht aufgreift, um einen Vortrag über die Liebe zu halten. Aber während Florian glaubt, es gehe um Goethes Text, beginnt der Leser zu ahnen, dass diese Figuren immer nur von sich selbst reden und von dem seltsamen Spiel, in das sie ihren Gast verstricken. Kein Leser kann indes ahnen, dass Albrechts Worte, die nach gerade einmal vierzig Seiten fallen, bereits das Ende des Buches vorwegnehmen.

So spröde, wie Botho Strauß hier oft die Figurenrede aufeinander folgen lässt, mehr schlecht als recht verklammert durch Floskeln wie "Nadja ergänzte", "Romero warf ein", "Albrecht fuhr fort", so raffiniert und spielerisch ist das Ganze angelegt. Denn Botho Strauß nimmt das von ihm erfundene Genre der Bewusstseinsnovelle ernst und lässt außer dem Bewusstsein, das sich unablässig artikuliert, auch die Novelle zu ihrem Recht kommen, indem er dem Geschehen auf den letzten dreißig Seiten noch einmal eine völlig unerwartete Wendung gibt.

Zunächst hatte alles so ausgesehen, als würde der Erzähler nach einem anstrengenden Abend zu seinen amourösen Rechten kommen. Wie ein Schuljunge in der mündlichen Prüfung registriert er sorgfältig, was geschieht. Geduldig lässt er sich in die Rituale der Gemeinschaft einführen: "Wir sprechen, um wie bei der Flurprozession der Römer, den Rogationen, den Acker unserer Zeit zu umschreiten. Ambarvaler, Flurumschreiter, Zeitumschreiter sind wir, wenn wir sprechen . . . Die Frage bittet um Antwort. Die Antwort bittet um Frage. Das Zwiebitten. So wird es dir bei uns ergehen." Verdutzt lauscht er den Reden von "Widerfahrnissen" und von der "Infodemenz" als Signum unserer Epoche. Verschämt reagiert er, als Nadja ihm vor den anderen den Liebesakt ankündigt wie ein Geschenk, das sich indes auch als Prüfung erweisen könnte. Und gereizt bemerkt er, dass Romero ihn weniger als Nachfolger in Nadjas Gunst denn als Nebenbuhler empfindet. Und Nadjas Verhalten gibt dem Rivalen recht.

Nein, es ist keinem zu trauen in dieser Runde, nicht den Zwillingsschwestern, nicht Albrecht und auch nicht dem Erzähler selbst. Florian, Florianus, der Blühende, der nicht von ungefähr mit Nachnamen Lackner heißt, erweist sich als "Dilettant seines Ichs", ein unterwerfungsbereiter Anpasser, der gern dem stärkeren Charakter das Feld überlässt und nach kurzem Missvergnügen sein Interesse von Nadja auf Ilona verlagert, die, obgleich taub, als Einzige Kontakt mit der Außenwelt hält: Sie tauscht SMS mit der von den anderen verstoßenen Mutter.

Am Ende, nachdem Ilona und der Erzähler für einen gemeinsamen amourösen Ausflug das Haus verlassen hatten, um mit der Mutter zurückzukehren, ist der Spuk nicht nur vorüber, sondern wirkt sogar wie nie geschehen. Der schwere Kater, der die Gemeinschaft erfasst hat, kommt indes nicht vom Wein, sondern vom Reflexionsrausch. Schuld ist also, wie Romero mit einem "geradezu um Befreiung flehenden Blick" murmelt: "Das Scheißdenken . . . das Scheißdenken."

Erst jetzt, im abschließenden Zwiegespräch mit Romero, erfahren wir, welchen Beruf Florian Lackner ausübt. Er war Traumdeuter, aber nicht am Hof des Pharao, sondern in den Prachtbüros der Vorstandsvorsitzenden, denen er die Angst vor dem rasenden "Feuerball der Wertlosigkeit" nehmen sollte. Aber Träume, so lässt Botho Strauß seinen Erzähler verraten, lassen sich nicht deuten. "Sie sind vielmehr das bildnerische Protein, der verdichtete Stoff, der uns für ein ungleich reicheres Erleben ausbildet, als es im tatsächlichen Leben jemals genutzt werden könnte." Und weil der verdichtete Stoff, den Strauß hier im Sinn hat, der Traum von der Kunst ist, dürfte dieses Buch alles andere sein als eine Fortsetzung der Straußschen Zeitkritik. Es ist aber auch mehr als nur Kritik der Zeitkritik. Botho Strauß, der Mahner und Dichterseher, spielt mit seinen alten Themen: Er verwandelt die Schrift an der Wand in Badeschaum und den Badeschaum in die Schrift an der Wand. Das ist nicht nur raffiniert und kunstvoll, das ist von überraschender Selbstironie.

- Botho Strauß: "Die Unbeholfenen. Bewußtseinsnovelle". Carl Hanser Verlag, München 2007. 123 S., geb., 12, 90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

So ganz erschließt sich nicht, wie ernst Rezensent Jens Jessen dieses Buch genommen hat, über das er sich immerhin im Aufmacher des Literaturteils einerseits recht belustigt äußert, das ihn andererseits aber auch nicht ganz unberührt gelassen hat. Botho Strauß lässt in seiner Novelle eine von allen psychologischen Wahrscheinlichkeiten befreite "philosophische Großdebatte" führen. Themen sind wie üblich bei Strauß der "Hass auf die Medien", und die "Klage über unsere Gegenwart". Das Problem und die Enttäuschung für Jessen sind dabei, dass Strauß' Gegenrezepte auch nicht die frischesten sind. Hier sieht er vor allem die "verflossenen Ideen der konservativen Revolution", einen "leeren Mystizismus ohne Gott" und einen altbackenen Archaismus" wehen. Aber dann wiederum erkennt er bei Strauß eine Distanzierung sich selbst gegenüber und attestiert ihm, beileibe kein Zeitgeistpädagoge zu sein.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Botho Strauß ist ein Violinvirtuose der sirrenden, schwebenden Wörter; sie verzaubern durch ihre Klarheit, so durchsichtig und unheimlich wie das Wasser, in dem man scheinbar mühelos schwimmt. ... Eine Novelle - es sei noch einmal gesagt: von betörend schöner Sprachhöhe - über das Thema des verdrahteten Bewusstseins." Fritz J. Raddatz, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 07.10.07

"Der Leser aber kann noch einmal zurückblättern und staunen darüber, was Botho Strauß an eigenwilligen Formulierungen für unsere unfassbare Gegenwart gefunden hat. Wieder einmal." Volker Hage, Der Spiegel, 24.09.07

"Das ist der alte Botho Strauß, wie wir ihn noch nicht gelesen haben: Wie stets der kollektiven Befindlichkeit unserer Zeit auf der Spur, aber voller Selbstironie." Hubert Spiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.09.07

"Botho Strauß erinnert wortmächtig an all das, was wir verloren haben." Tilman Krause, Die Welt, 15.09.07

"Botho Strauß lässt hier seinen Gedankenspielen freien Lauf - eine hochgeistige Gesprächsrunde mit überraschendem Ausgang." Volker Hage, Der Spiegel, 24.09.07

"Strauß gestaltet mit großem Geschick die Unterhaltung der fünf merkwürdigen und doch irgendwie "geretteten Figuren". Es geht ihnen um nichts Geringeres als um die Frage, wie sich unser Zeitalter bestimmen lässt. ... Er spart sich die belehrende Rede, weil er über die bewundernswerte Artistik verfügt, seine Vielbelesenheit und seine geistige Offenheit in ein lebendiges Sprachwerk zu verwandeln." Stephan Sattler, Focus, 17.09.07

"'Die Unbeholfenen' ist ein Buch von so grossem Gedankenreichtum und Anspielungspotenzial, dass er sich selbst vor Goethe nicht zu verstecken braucht." Andrea Köhler, Neue Zürcher Zeitung, 08.10.07

"Ein erzromantisches Buch, das Botho Strauß auf der Höhe seines Könnens und subtilen Zeitkritiker zeigt." Die Welt, 06.10.07
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