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Schon 1890, lange vor Orwell und Huxley, hat Oskar Panizza sich in Die Menschenfabrik prophetisch, fesselnd und verstörend mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Mensch und Maschine auseinandergesetzt. Seine Erzählung handelt von der Optimierung der Menschheit, von der drohenden Herrschaft der künstlichen Intelligenz - und fragt danach, was den Menschen überhaupt ausmacht.

Produktbeschreibung
Schon 1890, lange vor Orwell und Huxley, hat Oskar Panizza sich in Die Menschenfabrik prophetisch, fesselnd und verstörend mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Mensch und Maschine auseinandergesetzt. Seine Erzählung handelt von der Optimierung der Menschheit, von der drohenden Herrschaft der künstlichen Intelligenz - und fragt danach, was den Menschen überhaupt ausmacht.
Autorenporträt
Panizza, OskarOskar Panizza, geboren 1853 in Bad Kissingen, war Nervenarzt, Schriftsteller, entschiedener Antikatholik und einer der größten Kritiker des autoritäten wilhelminischen Staats. Seine Texte wurden im Deutschen Kaiserreich zensiert und verboten. Für Das Liebeskonzil, seine Satire auf die katholische Kirche, wurde Panizza 1895 wegen Majestätsbeleidigung und Blasphemie verhaftet und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Nach seiner Haft lebte er in Zürich und Paris. Per Steckbrief international gesucht, kehrte er 1901 nach Bayern zurück, wo er von 1904 bis zu seinem Tod 1921 in verschiedenen Nervenkliniken untergebracht war. Zu den Unterstützern Panizzas und begeisterten Lesern seines Werks gehörten prominente Zeitgenossen wie Walter Benjamin, George Grosz, Kurt Tucholsky oder Frank Wedekind.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.03.2019

Vom Traum zur Tat im Apparat
Oskar Panizzas Erzählung "Die Menschenfabrik" spekuliert ums Ganze

Den Text könnte ein Roboter geschrieben haben, so starr stehen die groben Kopplungen bei zusammengesetzten Hauptwörtern darin zunächst da ("Reise-Karte", "Mittel-Deutschland", "Stehen-Bleiben"). Dann aber heißt es doch "Nachtquartier" statt, wie eben noch, Nacht-Quartier, als wäre der Bindestrich geschmolzen und hätte als Restmatsch die beiden Wortbestandteile zusammengeklebt. Wie Automatik zum Traum zergeht und wie umgekehrt ein Traum zerlegt wird, bis er als modulare Maschinentätigkeit erkennbar wird, das ist das interessante, aber versteckte Thema Nummer zwei in der kurzen Erzählung "Die Menschenfabrik". Die derzeit modische Angst davor, Menschen könnten in Serienproduktion erzeugt werden, ist dagegen das eher banale Thema Nummer eins, das man getrost Zivilisationsmüden und Technikverstörten überlassen kann.

"Die Menschenfabrik" erschien erstmals 1890. Der Verfasser Oskar Panizza war kein Roboter, sondern zunächst zugelassener Seelenarzt und dann, während der traurigen letzten zwanzig Jahre seines Lebens, amtlich beglaubigter, staatlich untergebrachter Patient just derjenigen Heilkunde, die er selbst ausgeübt hatte. Die Tragödie liegt lange zurück und war wohl keine ganz innerseelische oder rein syphilisbedingte, auch wenn beide Diagnosen vorliegen. Denn Panizza hatte sich als Schriftsteller oft genug an seiner Gesellschaft, ihrer Offenbarungsreligion und ihrer Standesordnung gestoßen, um bleibende Schäden davonzutragen. Sein wildsatirisches Drama "Das Liebeskonzil" von 1894 hat im unheimlichen Flügel der ideellen deutschen Gesamtbibliothek einen Ehrenregalplatz. Wer "Die Menschenfabrik" der Gegenwart empfiehlt, hat es aufgrund der Kunstqualitäten auch dieser Arbeit nicht nötig, mit dem dicken Stift die Aktualitätsangebote darin hervorzuheben, auch wenn ein Satz wie: "Herr Direktor, soeben haben wir den Chinesen herausgebracht", den da ein Menschenfabrikarbeiter sagt, nach einer Deutung als Vorwegnahme der Crispr-Babys des Doktors Jiankui He zu rufen scheint.

Die Wiederlektüre der Erzählung unter solchem Aspekt lebt wie die von Aldous Huxleys "Brave New World" (1939) oder die Wirkung der Fernsehserie "Westworld" wohl von der weithin verleugneten Angst, künstliche Menschen könnten am Ende anständiger, mutiger und lustiger sein als die vom Gruppendruck geduckte, emotional vage und intellektuell unscharfe Brut, die wir in unseren Familien, Kitas, Schulen, Universitäten und sonstigen Ausbildungseinrichtungen heranziehen.

Das freundliche Vorwort, das Panizzas nachgeborener Schriftstellerkollege Joachim Bessing der "Menschenfabrik" spendiert hat, macht sich sanft Sorgen um unsere Ersetzbarkeit durch Artifizielles und verschweigt höflich die Pointe von Panizzas Text, die der Technik der Menschenzüchtung ihr Künstliches raubt und es der Kunst zurückgibt. Tatsächlich könnte Kunst ja ein Sammelpunkt für den geordneten Rückzug der Humanität aus der Weltgeschichte sein, heute, da die Wissenschaft, die für die Vermenschlichung irdischer Zustände doch einiges aus- und angerichtet hat, mit Grauen erkennen muss, dass sie gegenüber der Religion im Ringen mit der Herzensträgheit des Normalmenschen einen entscheidenden strategischen Nachteil aushalten muss: Wer nicht an Jesus glauben will, büßt damit die christliche Erlösung ein, es sei denn, Gott erbarmt sich; wer aber die Wissenschaft nicht verstehen will, kann ihre technischen Früchte leider trotzdem genießen, ganz ohne Gnadenakt. So unfair ist unsere schlechterdings naturwüchsige, in keiner Fabrik montierte Zivilisationsgeschichte.

DIETMAR DATH

Oskar Panizza:

"Die Menschenfabrik".

Erzählung.

Mit einem Vorwort von Joachim Bessing. Verlag Hoffmann & Campe,

Hamburg 2019. 64 S., geb., 14,- [Euro].

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»Die unverblümteste, knappste und in ihrer überzogenen Gruseligkeit fast schon wieder komische Dystopie zum Thema Mensch.« Welt am Sonntag kompakt, 17.02.2019