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Zwischen 1975 und 1981 erschien sein »literarisches Hauptwerk«, so bezeichnete Peter Weiss Die Ästhetik des Widerstands. Der Roman war und ist ein Kultbuch. Wer kennt nicht die Eingangsszene, die Analyse des Pergamonaltars im Berlin des Jahres 1937 durch Mitglieder des Untergrunds, und die letzten, von Melancholie getränkten Reflexionen über die mögliche Erfolglosigkeit des Widerstands gegen den Faschismus?
An Versuchen, die Singularität der Ästhetik des Widerstands anzudeuten, hat es nicht gefehlt: die einen verglichen das Werk mit Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit,
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Produktbeschreibung
Zwischen 1975 und 1981 erschien sein »literarisches Hauptwerk«, so bezeichnete Peter Weiss Die Ästhetik des Widerstands. Der Roman war und ist ein Kultbuch. Wer kennt nicht die Eingangsszene, die Analyse des Pergamonaltars im Berlin des Jahres 1937 durch Mitglieder des Untergrunds, und die letzten, von Melancholie getränkten Reflexionen über die mögliche Erfolglosigkeit des Widerstands gegen den Faschismus?

An Versuchen, die Singularität der Ästhetik des Widerstands anzudeuten, hat es nicht gefehlt: die einen verglichen das Werk mit Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, andre fühlten sich an James Joyce' Ulysses erinnert, wieder andere an Walter Benjamins Passagen-Werk.

Die beiden Ausgaben, in der Bundesrepublik die des Suhrkamp Verlags, Frankfurt am Main, in der DDR ab 1983 die des Henschel Verlags, Ost-Berlin, weichen im Textbestand vor allem im dritten Teil beträchtlich voneinander ab. Nun hat der ausgewiesene Philologe und Weiss-Kenner Jürgen Schutte die definitive Fassung erstellt: Sie präsentiert den Text nach den Vorgaben von Peter Weiss.
Autorenporträt
Peter Weiss wurde am 8. November 1916 in Nowawes bei Berlin geboren und starb am 10. Mai 1982 in Stockholm. Zwischen 1918 und 1929 lebte er in Bremen, wo er das Gymnasium besuchte. 1929 kehrte die Familie Weiss nach Berlin zurück, musste jedoch 1934 emigrieren. Die erste Station bildete London, darauf folgte 1936 die SR. In diesen Jahren widmete sich Peter Weiss vorwiegend der Malerei - 1937/1938 studierte er Malerei an der Kunstakademie in Prag. In dieser Zeit besuchte er Hermann Hesse während zweier längerer Aufenthalte in der Schweiz. Die dritte und letzte Emigrationsstation bildete 1939 Schweden, wo Peter Weiss zunächst in Alingsås, ab 1940 in Stockholm wohnte. Hier setzte er seine Tätigkeit als Maler fort. 1947 hielt er sich als Korrespondent einer schwedischen Tagesszeitung in Berlin auf. Seine Artikel versammelte er 1948 zu seiner ersten Buchpublikation. Der Band erschien posthum 1985 unter dem Titel Die Besiegten. Ab diesem Zeitraum entstanden, in schwedischer Sprache, die ersten Prosaarbeiten, Gedichte, und Dramen. Zu den wichtigsten Erzählungen aus dieser Schaffensperiode zählen Die Situation aus dem Jahre 1956 sowie das 1980 unter dem Autorenpseudonym Sinclair veröffentlichte Buch Der Fremde. Keines seiner Manuskripte wurde jedoch von einem schwedischen Verlag zur Publikation angenommen. Mitte der fünfziger Jahre begann Peter Weiss in deutscher Sprache zu schreiben. 1960 erschien sein erstes Prosabuch Der Schatten des Körpers des Kutschers. Zu Beginn der siebziger Jahre wand sich Peter Weiss wieder der Prosa zu. Zwischen 1975 und 1981 erschien der dreibändige Roman Die Ästhetik des Widerstands, deren letzter Band begleitet wird von Notizbücher 1971 - 1980. Ihm wurde posthum der Georg-Büchner-Preis für das Jahr 1982 zuerkannt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Helmut Böttiger liest für eine Sammelbesprechung Bücher von und über Peter Weiss. Das wichtigste der zum 100. Geburtstag des Autors erschienen Bücher ist für ihn eindeutig die Neuausgabe der "Ästhetik des Widerstands". Der Mitte der Siebziger bis Anfang der Achtziger in drei Bänden erschienene Roman steht für Böttiger heute wie ein wuchtiger, scharfkantiger Felsbrocken im Kieselstrand der heutigen Literatur. Es geht um alles in diesem Roman: Er ist autobiografisch, so Böttiger, auch wenn sich der als Sohn eines jüdischen Fabrikanten ab 1939 im schwedischen Exil lebende Autor eine neue Biografie als kommunistischer Arbeitersohn und Widerstandskämpfer erfand. Politische Diskurse, die auf eine sich ständig verändernde Gesellschaft reagieren, nehmen großen Raum ein ebenso wie ästhetische. Das man die "Ästhetik" in seiner ganzen, von Weiss autorisierten Version lesen kann, ist erst mit dieser Ausgabe möglich. Ein "Jahrhundertwerk", versichert der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.11.2016

Ein herausgemeißeltes Jahrhundertwerk
Zum 100. Geburtstag von Peter Weiss sind eine Neuausgabe seiner „Ästhetik des Widerstands“,
eine Ausgrabung schwedischer Zeitungsartikel und zwei neue Biografien erschienen
VON HELMUT BÖTTIGER
Drei junge Kommunisten besichtigen zur Zeit von Hitlers Machtergreifung den antiken Pergamonaltar in Berlin und diskutieren intensiv, wie man ihn zu interpretieren habe. Neben dem Ich-Erzähler sind es Hans Coppi und Horst Heilmann. Der Ich-Erzähler rückt jedoch oft an den Rand, und in den langen Satzperioden, die die absatzlosen Seiten des Buches bestimmen, löst er sich mitunter in Dialogen auf und verschwindet hinter anderen Personen, die plötzlich im Vordergrund stehen. So monumental die äußere Gestalt dieser „Ästhetik des Widerstands“ auch ist, so unsicher wirken die unterschiedlichen Bewegungen im Inneren. Das Buch täuscht eine klassische, realistische Erzählweise vor, doch sie wird zwischen den Zeilen und später auch in ihnen selbst erschüttert.
  Das Hauptwerk von Peter Weiss, ein Gipfelpunkt deutscher Prosa nach 1945, hatte in den Jahren seines Erscheinens und noch lange danach Kultstatus. In jeder deutschen Universitätsstadt gab es manchmal ganze Semester lang tagende Lektüregruppen, die sich über seinen gesellschaftspolitischen und ästhetischen Ansatz den Kopf zerbrachen. Weiss hat das Buch 1975, 1978 und 1981 (er starb 1982) in drei aufeinanderfolgenden Bänden veröffentlicht. Ursprünglich war es als ein Buch über den kommunistischen Widerstand in Berlin und Stockholm während des Zweiten Weltkriegs gedacht, doch es wuchs sich aus zu einer weit in die Geschichte ausgreifenden Epopöe, die die Klassengegensätze zwischen unten und oben mit den Widersprüchen zwischen Geist und Macht zusammendenkt. Die Vorstellungen einer besseren Gesellschaft werden in jedem Abschnitt neu konturiert und reflektiert, sie befinden sich in einem ständigen Veränderungsprozess. Das hatte für die damalige Rezeption einen irritierenden, provokativen Effekt.
  Peter Weiss, vor hundert Jahren am
8. November 1916 als Sohn einer bürgerlichen jüdischen Fabrikantenfamilie in Deutschland geboren, erlangte im Exil die schwedische Staatsbürgerschaft und bekannte sich, nach schwierigen Selbstfindungsversuchen, in den Sechzigerjahren radikal zum Sozialismus. Dieser Weg erschien ihm symptomatisch und konsequent. Überall in der „Ästhetik des Widerstands“ finden sich deshalb autobiografische Reflexionen des Autors, die ins Allgemeine und Überpersonale überführt werden.
  Die Kunst erschien Weiss früh als eine Gegenwelt. In den Fünfzigerjahren in Schweden beschäftigte er sich intensiv mit dem Surrealismus, und sein Essay über die visuelle Kunst der Avantgarde bewegte sich auf einer Höhe der Zeit, die in der damaligen Bundesrepublik noch überhaupt nicht vorstellbar war. Der Verbrecher-Verlag legt jetzt unter dem Titel „Dem Unerreichbaren auf der Spur“ einen Band mit bisher noch nicht ins Deutsche übersetzten schwedischen Artikeln vor, die vor allem diese Phase mehr erhellen. Nach zwei Psychoanalysen und einigen sozialkritischen Dokumentarfilmen radikalisierte sich Weiss zusehends. Der Besuch des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses fungierte dabei als Katalysator.
  In der „Ästhetik des Widerstands“ lässt Weiss die Bindung an ein bürgerlich-subjektives Ich hinter sich und entwirft eine „Wunschautobiografie“, wie er es in einem Interview anfangs unvorsichtig nannte. Die Ich-Figur des Romans verbindet tatsächlich Weiss’ konkrete Lebensorte mit dem Weg eines kommunistischen Arbeitersohns. Im Mittelpunkt stehen dabei keine individuellen Gefühlswelten, sondern die zeitgenössischen politischen und ästhetischen Diskurse, die durch das Ich hindurchgehen und es zu einem agierenden wie getriebenen Teil der Zeitgeschichte machen. Spannende und dramatische Szenen, etwa im Spanischen Bürgerkrieg oder im Berliner Untergrund der Vierzigerjahre, gehen über in differenzierte Auseinandersetzungen über Brecht oder den Dadaismus, über Dante oder über Kafka – wodurch auch die Obsessionen des Autors Peter Weiss auf einer höheren Ebene wieder neu verhandelt werden.
  Charakteristisch für diesen sperrigen, mehrdeutigen und überbordenden Roman ist, wie sich die Debatten über den Pergamonaltar durch die drei Bände ziehen. Immer wieder werden neue Perspektiven entwickelt, aus denen man ihn betrachten kann. Das vorläufige Schlusswort wird wie nebenbei gesprochen: „Weniger das Abgeschlossne als das im Entstehn Begriffne bestimme unser Leben, sagte Heilmann“ – und das ist auch ein Schlüssel für die Interpretation der „Ästhetik des Widerstands“ überhaupt. Es geht um etwas noch Unbestimmtes, um einen Prozesscharakter. Das forderte damals dogmatische linke Weltverenger heraus und ist heute umso mehr eine Herausforderung für Lesegewohnheiten, die Zwischenräume aussparen, auf Eindeutigkeit setzen und allzu Schwieriges als „unklar“, „schwammig“ oder „raunend“ ablehnen. Die „Ästhetik des Widerstands“ ragt in die heutige Literaturlandschaft wie ein Fremdkörper herüber, ein verwitterter Monolith.
  Aus Anlass des hundertsten Geburtstags von Peter Weiss sind zwei höchst unterschiedliche Biografien erschienen. Birgit Lahanns Buch ist von der momentan grassierenden Mode historischer Reportage gezeichnet. Die Autorin vermittelt den Eindruck, unmittelbar dabei gewesen zu sein, ohne zeitliche Distanz, mit den Mitteln von Home-Story und Spaziergängen mit Prominenten. Hauptquelle sind Gespräche mit der Witwe von Weiss. Wegen der beabsichtigen Wirkung gehen Interview-Dialoge ohne Zitatzeichen, wenn auch mit Zeilensprung, in den Text ein: „Was war bei dieser ersten Begegnung das Interessante an ihm? / Er hatte eine Ausstrahlung, das muss ich sagen. Die hatte er. / Und Sie waren eine intelligente und sehr schöne Frau. / Schön? Das hab ich selbst nie so gesehen. / Aber er wird es gesehen haben.“ Als prägendes Trauma in Weiss’ Leben erscheint dann gleich im ersten Kapitel der Unfalltod seiner erst zwölfjährigen Schwester Margit 1934, der durchaus Spuren in seinem Werk hinterließ, bei Lahann aber eine zusätzliche melodramatische Note bekommt.
  Werner Schmidt hingegen beginnt seine Biografie exemplarisch mit der großen Lebenskrise, die Weiss um 1960 hatte – er war 43 Jahre alt, als bildender Künstler wie als Filmemacher erfolglos geblieben und schien als schwedisch schreibender wie als deutschsprachiger Autor gescheitert zu sein. Zeitgleich kam es zur vorübergehenden Trennung von seiner langjährigen Partnerin und späteren Ehefrau Gunilla Palmstierna. Damit trifft Schmidt einen Nerv. Als emeritierter Professor für Neuere Geschichte in Stockholm interessieren ihn allerdings vornehmlich gesellschaftspolitische Aspekte. Deshalb ist seine Biografie auch weniger eine klassische Lebensbeschreibung als eine Folge instruktiver Essays über die einzelnen werkgeschichtlichen Phasen. Das Privatleben von Weiss bleibt nahezu ausgeklammert. Interessant sind Schmidts Ausführungen über die politische Haltung des Autors, der von Stockholm aus BRD und DDR als ihm gleichermaßen nahe und fremde deutschsprachige Staaten ansah und in seiner radikalsten politischen Phase sich eindeutig zur DDR bekannte. Ästhetische Fragen treten aber fast völlig in den Hintergrund, sodass auch diese Biografie nur Teile des Gegenstands adäquat erfasst.
  Die zentrale Neuerscheinung zum 100. Geburtstag von Peter Weiss ist zweifellos die „Neue Berliner Ausgabe“ der „Ästhetik des Widerstands“, die sich tatsächlich von den legendären drei grauen Kartonbänden der Originalausgabe unterscheidet. Weiss war mit dem Lektorat vornehmlich des dritten Bandes damals überhaupt nicht einverstanden. Die Lektorin Elisabeth Borchers monierte Skandinavismen in Weiss’ Sprache und hatte den Verdacht, der Autor habe sich in seinem jahrzehntelangen Exil von der deutschen Umgangssprache zunehmend entfernt. Sie wollte vor allem Partizipialkonstruktionen auflösen und „die Begriffe schärfen“, außerdem „Subjekt und Verb einander näher“ bringen. Für Weiss spielte jedoch die Musikalität der Sprache eine entscheidende Rolle, markant sind etwa seine herausgemeißelten Endungen bei den Verben: „sehn“, „haun“, „vorziehn“. Die DDR-Ausgabe, die von 1983 an erschien, ging dann eher auf diese Intentionen des Autors ein. Sie war ihm also nicht aus politischen Gründen näher, wie später gemutmaßt wurde. Die Neuausgabe berücksichtigt jetzt sämtliche erhaltenen Skripte und Angaben des Autors und ist daher wirklich von „letzter Hand“ – ein Jahrhundertwerk mit Ecken und Kanten.
Peter Weiss: Die Ästhetik des Widerstands. Roman. Hrsg. und mit einem editorischen Nachwort von Jürgen Schutte. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 1199 Seiten, 38 Euro.
Werner Schmidt: Peter Weiss. Leben eines kritischen Intellektuellen. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 461 Seiten, 34 Euro. E-Book 29,99 Euro.
Birgit Lahann: Peter Weiss. Der heimatlose Weltbürger. Verlag J.H.W. Dietz, Bonn 2016. 336 Seiten, 24,90 Euro.
Peter Weiss: Dem Unerreichbaren auf der Spur. Schwedische Essays und Interviews 1950 – 1980. Hrsg. und übersetzt von Gustav Landgren. Verbrecher Verlag, Berlin 2016. 304 Seiten,24 Euro.
Nach einer schwierigen Phase
der Selbstfindung bekannte Weiss
sich radikal zum Sozialismus
Die zentrale Neuerscheinung
ist die „Neue Berliner Ausgabe“
seines Monumentalromans
Die Reaktionen auf den Film waren vernichtend: ein „Skandal“ in „Inhalt und Ausführung, hieß es. Peter Weiss distanzierte sich danach öffentlich von seinem Werk.
Dieser Film sollte ein kommerzieller Erfolg werden: Peter Weiss bei den Dreharbeiten zu „Schwedinnen in Paris“ (1960 / 61)
Fotos: Christer Strömholm
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»Geisterbeschwörung und Geschichtsroman zugleich ... In seinem grandiosen Epitaph gegen das Vergessen lässt Peter Weiss auf den Untergang der realen Utopie ihre imaginäre Auferstehung folgen: Die Toten leben noch.« Kurt Darsow WDR 20161108