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"Christoph Martin Wieland (1733-1813) hat in seinem langen Leben die deutsche Literaturlandschaft stärker geprägt, als dies heute allgemein im Bewußtsein ist. Mit seiner Shakespeare-übersetzung hat er vor Tieck und A. W. Schlegel diesen größten Dramatiker der Neuzeit im deutschen Sprachraum heimisch gemacht; er hat den Blankvers, wie er durch Lessing und Schiller populär wurde, für die deutsche Bühne etabliert; mit der Alceste hat er die erste deutsche durchkomponierte Oper konzipiert, mit der Geschichte des Agathon, in der Formulierung Lessings der "erste Roman für einen Kopf von klassischem…mehr

Produktbeschreibung
"Christoph Martin Wieland (1733-1813) hat in seinem langen Leben die deutsche Literaturlandschaft stärker geprägt, als dies heute allgemein im Bewußtsein ist. Mit seiner Shakespeare-übersetzung hat er vor Tieck und A. W. Schlegel diesen größten Dramatiker der Neuzeit im deutschen Sprachraum heimisch gemacht; er hat den Blankvers, wie er durch Lessing und Schiller populär wurde, für die deutsche Bühne etabliert; mit der Alceste hat er die erste deutsche durchkomponierte Oper konzipiert, mit der Geschichte des Agathon, in der Formulierung Lessings der "erste Roman für einen Kopf von klassischem Geschmacke", den ersten modernen deutschen Roman verfaßt. Doch Wieland ist nicht nur ein großer Neuerer, sondern auch ein exzellenter Beobachter und Kritiker. Mit seiner Zeitschrift Teutscher Merkur hat er das kulturelle Leben seiner Zeit maßgeblich mitgeprägt. Die von Jan Philipp Reemtsma und Hans und Johanna Radspieler veranstaltete Ausgabe von Wielands Schriften zur deutschen Sprache und Literatur macht diesen zu Unrecht wenig bekannten Teil des Wielandschen uvre zum erstenmal wieder in beglückender Vollständigkeit zugänglich und gibt so ein einmaliges Panorama jener Epoche von der Aufklärung bis zur Romantik, die man mit Fug und Recht als "Wielandzeit" bezeichnen könnte. "
Autorenporträt
Christoph Martin Wieland wurde am 5. September 1733 in Oberholzheim geboren. Nach dem Besuch des pietistischen Internats Kloster Berge bei Magdeburg begann er 1749 ein Philosophie-Studium in Erfurt. Ein Jahr später wechselte er zu einem Jura-Studium nach Tübingen. Ab 1752 arbeitete er als Hauslehrer in der Schweiz. Während seiner Professur an der Universität Erfurt von 1769 bis 1772 gründete er die Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«, die eine herausragende Stellung im Geistesleben der Zeit einnahm und so zu Weimars Rolle als literarisches Zentrum beitrug. Er veröffentlichte im Merkur eine Vielzahl eigener Essays und Aufsätze, beschäftigte sich mit philosophischen, politischen, gesellschaftlichen und ästhetischen Fragen. Daneben schrieb er Romane, Satiren und Dramen und übersetzte Shakespeare ins Deutsche. Christoph Martin Wieland starb am 20. Januar 1813 in Weimar. Jan Philipp Reemtsma, geboren 1952 in Bonn, ist Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Hamburg und geschäftsführender Vorstand der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur. 1981 gründete er die Arno-Schmidt-Stiftung, deren Vorstand er bis heute ist. Er ist Mitherausgeber der 'Bargfelder Ausgabe' des Gesamtwerkes von Arno Schmidt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.02.2006

Nur für helle Köpfe
Eine Schatztruhe der Gelassenheit: Wieland als Kritiker
Im geschwätzigen Weimar gab man nicht viel auf Wielands kritische Fähigkeiten. Karl August Böttiger, der in die Literaturgeschichte einging, weil Goethe ihm das Kompliment „Arschgesicht” zudachte, notierte im Januar 1797 nach einem Gespräch mit Herder: „Der gute Wieland schickt sich zu allem eher, als zu einem Kritiker. Es fehlt ihm die hier unerläßliche Schärfe und Präcision. Er hängt zu sehr von augenblicklichen Eindrücken und Launen ab.”
Eine so zuverlässige wie preiswerte Ausgabe der „Schriften zur deutschen Sprache und Literatur” lädt nun zur Überprüfung dieses Urteils ein. Sie enthält, was Wieland über eigene und fremde Werke, was er zu Fragen der Orthographie und des Raubdrucks, zu Debatten der Zeit und Problemen der Übersetzung schrieb. Der Germanist findet hier eine Geistesgeschichte in Rezensionen und Anmerkungen. Der neugierige Leser aber, auf den es ankommt, erhält Gelegenheit einen Kritikertypus kennenzulernen, der immer selten war und heute kaum noch zu finden ist.
Es stimmt ja: Wer der Droge starker Meinung bedarf, wer Rezensionen als Gefäß kultivierter Rüpeleien schätzt, wer das Forcierte sucht, das die meisten Meisterstücke deutscher Literaturkritik von Lessing bis Heine ausgezeichnet hat, der wird von Christoph Martin Wieland schlecht bedient. Wenn dieser schwere Geschütze auffährt, etwa in seinen Angriffen auf die Gottsched-Schule oder in der infamen Denunziation des braven Johann Peter Uz, dann wirkt er schwach. Zu blass und unbestimmt bleibt das Bild des Gegenüber. Wenn er überschwänglich lobt, etwa Johann Wilhelm Ludwig Gleims „Halladat”, vermag er kaum zu überzeugen. Man merkt, dass er überreden will. Seine Stärken liegen woanders: eben in jener Abhängigkeit von Eindrücken und Launen, die Herder verstörte und die in der geschichtsphilosophisch armierten Kritik der Goethezeit das Aussehen von Prinzipienlosigkeit gewinnen musste. Die literarischen Revolutionäre und Rabauken, die rebellierenden Jünglinge, die Stürmer und Dränger wie die Romantiker, haben Wieland daher gern als Schwächling attackiert. Goethe machte mit „Götter, Helden und Wieland” den Anfang, Lenz folgte brav, die Brüder Schlegel erprobten im „Athenäum” eine Art literarischen Totschlags an Wieland. Keiner kam an ihm vorbei.
Seit den fünfziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts hatte Wieland Sitz und Stimme auf dem deutschen Parnass, und er behielt sie bis zum Ende der napoleonischen Kriege. Wie ein Mantra trug noch Heinrich von Kleist ein lobendes Schreiben des Mannes bei sich, der einst Bodmer verteidigt hatte. Das Singspiel „Alceste”, die Cervantes-Imitation „Don Sylvio von Rosalva”, der Desillusionierungsroman „Die Geschichte des Agathon”, die romantische Verserzählung „Oberon”, die Feenmärchen waren längst erschienen, Muster der vergangenen Saison, als Jean Paul, Novalis und Kleist wieder Wielands Frühwerk lasen. An diesem Dichter müssen alle irre werden, die den Märchen von der Avantgarde ergriffen lauschen.
1988 erschienen im Greno Verlag Wielands „Politische Schriften”. Die Ausgabe ging in die Literaturgeschichte ein, als der genial gutgelaunte Grantler Peter Hacks beschloss, sie zu besprechen. Er nannte Wieland die „Weltidee im Schlafrock” und bestimmte die „beiden Gründe seiner hartnäckigen Nichtachtung durch die philologischen Medien”: „Er führte ein gelehrtes, mithin häusliches Leben, und in ihm war der Wurm nicht drin. Welcher Grund ist der ausschlaggebende? Der Mangel an action? Oder die Aufklärung?” Hacks meinte, die Aufklärung, verstanden nicht als Mode einiger Jahrzehnte, sondern als Beruf.
Sie ist es auch, die Wielands kritische Arbeiten dem heutigen Leser fremd, schwer verständlich erscheinen lässt. Wir sind gröbere Reize gewohnt. Überdies haben die Debatten von einst im Rückblick ein akademisches Antlitz gewonnen. „Ueber die Frage: Was ist Hochteutsch? und einige damit verwandten Gegenstände” ist ein Artikel überschrieben, der 1782 im „Teutschen Merkur” erschien. Wieland prüft einen Aufsatz aus dem „Magazin für die Deutsche Sprache”, in dem Johann Christian Adelung gutes Deutsch mit der „Sprache der oberen Classen der Einwohner der blühendsten Provinz der Nation”, also Sachsen, gleichsetzte. Das schien Wieland erstens falsch oder doch nicht völlig zutreffend, zweitens aber witterte er die Gefahr des Dogmatismus, der um der Prinzipien willen Möglichkeiten verschenkt. Adelung antwortete grob. Wieland erwiderte mit jener Überlegenheit, die allein gelassenen Geistern zu Gebote steht: bestimmt in der Sache, lässlich im Persönlichen, mehr am Fortgang der Diskussion als am Rechthaben interessiert.
Man hat auf diesen wenigen Seiten die Tugenden des Kritikers Wieland beisammen. Er mochte das Wort „Tugend” übrigens nicht, es war für den Alltag zu vornehm und zu oft missbraucht oder „unverständig gelallt” worden. Seine Stärke lag darin, dass er wie ein Handwerker urteilte. Er schätzte gewiss das Außergewöhnliche, die Produkte des Genies, sah aber vor allem darauf, dass bestimmte Standards nicht unterschritten wurden. Er glaubte zudem an die Möglichkeit ständiger Verbesserung. An seinen eigenen Werken feilte er immer wieder, zur Verbesserung fremder Werke wollte er durch eine Art öffentliches Werkstattgespräch beitragen. Drittens kannte er aus seiner Jugend die despotische Versuchung, die jeden Vernunftgebrauch begleitet, zu gut, um ihr zu erliegen. Jan Philipp Reemtsma nennt dies in seiner langen Einleitung „Polemik gegen Monopole der Wirklichkeitsdeutung”.
Diese habituell gewordene Abneigung gegen das Endgültige prägte auch die Arbeitsweise des Kritikers. Er war Journalist. Als 1773 das erste Heft des „Teutschen Merkur” erschien, schrieb er: „Die gelehrte Republik in Deutschland hat seit einiger Zeit die Gestalt einer im Tumult entstandnen Demokratie gewonnen, worinn ein jeder, den der Kitzel sticht, oder der sonst nichts zu thun weiß, sich zum Redner aufwirft, wohl oder übel über die Angelegenheiten des Staats spricht, und, wenn es nicht durch Verdienste geschehen kan, durch Ränke, Cabalen und verwegne Streiche, sich wichtig zu machen sucht. Man muß gestehen, die Nachläßigkeit und nicht selten auch die Partheylichkeit, womit zuweilen die ordentlichen Richter ihr kritisches Amt verwalten, giebt zu Beschwehrden Anlaß, von welchen jene anmaßliche Demagogen den Vorwand nehmen, die gelehrte Republik in Verwirrung zu setzen, und die Verfassung dieses Staats, der seiner Natur nach Aristokratisch seyn muß, gänzlich umzukehren.”
Um die Demokratie unter Aristokraten zu sichern, kritisierte Wierland die Kritik und verfasste Anmerkungen zu den Rezensionen seiner Mitarbeiter und Autoren. So verteidigte er den „Götz von Berlichingen”, pries Novalis oder parodierte Schmeicheleien, untertänigst verknotetes Deutsch oder prätentiöse Gesten: „Der Verfasser mag heißen wie er will, traun! der Kerl ist’n Genie, und hat blos für Genien, wie er ist, geschrieben, wiewohl Genien nichts solches nöthig haben. Wer konnt’s ihm wehren?”
Es ist die Schwäche der Ausgabe wie der Einleitung, dass sie es dem Leser überlässt, das Handgemenge, in dem Wieland sich behauptete, zu rekonstruieren, dass sie die historischen Kontexte nicht erschließt. Sie verführt dazu, diese Schriften, überwiegend Gelegenheits- und auch Verlegenheitsarbeiten, für ein essayistisches Werk anzusehen.
Böttiger hat vom üblichen Herausgeberchaos berichtet: „Weil er höchst ungern geschriebenes ließt: so machte er oft die erste Revision eines Beytrags, den er auf gut Glück abdrucken ließ, erst bey der Correctur, und rächte sich nun, wenn ein Autor ihn berückt hatte, durch beissende und viele Autoren ganz zurückschreckende Anmerkungen.” Einmal druckte er eine italienische Novelle, sah dass es schlecht war und setzte hinzu: „Dieß sei ein lehrreiches Beispiel, wie man nicht übersetzen müsse.”
Wieland war ein leicht reizbarer, rasch aufbrausender Charakter. Briefe, in denen er unangenehme Neuigkeit vermutete, ließ er wochenlang ungeöffnet liegen. In literarischen Fehden reichte er gern die Hand zur Versöhnung, wenn nur die Grenze nach unten nicht überschritten worden war. Wer das erste Fremdeln überwindet, sich den wiegenden, wägenden Sätzen hingibt, kann in dieser Ausgabe die Arbeitsökonomie der Aufklärung studieren und kennenlernen. Es ist eine Schule der launenhaften, pedantisch prinzipienlosen Gelassenheit. JENS BISKY
CHRISTOPH MARTIN WIELAND: Schriften zur deutschen Sprache und Literatur. Herausgegeben von Jan Philipp Reemtsma, Hans und Johanna Radspieler. 3 Bände. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2005. 2044 Seiten, 98 Euro.
Christoph Martin Wieland 1806, gemalt von Ferdinand Jagemann
Foto: bpk
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Da es sich bei Christoph Martin Wieland um einen schon zu seiner Zeit äußerst seltenen "Kritikertypus" handelt, der heute so gut wie gar nicht mehr auftritt, freut sich Jens Bisky über diese "zuverlässige wie preiswerte" Ausgabe seiner kritischen Schriften. Darin rezensiert Wieland literarische Werke, äußert sich zu geisteswissenschaftlichen Debatten und Übersetzungsproblemen und gibt Auskunft über eigene Schriften, fasst der Rezensent zusammen. Zeitgenossen fanden seine literarischen Urteile zu lasch und wenig pointiert, und wer sich "starke" Meinungsäußerungen oder "kultivierte Rüpeleien" wünscht, wird enttäuscht werden, warnt Bisky. Denn gerade, wenn Wieland "schwere Geschütze auffahre" - ob im Lob oder im Tadel - wirke er "schwach". Wielands "Tugenden" sind sein Interesse an der Sache, die gegenüber bloßem "Rechthaben" die Oberhand behält, und sein Verzicht auf persönliche Angriffe, meint Bisky angetan. Etwas enttäuscht ist er, dass diese Ausgabe es versäumt, den "historischen Kontext" der Texte mitzuliefern, was laut Bisky dazu führt, diese tagesaktuellen Schriften fälschlich als "essayistisches Werk" zu lesen. Wer sich allerdings auf die "wiegenden, wägenden Sätze" dieses Bandes einlassen kann, wird darin die "Arbeitsökonomie der Aufklärung" entdecken können, so der Rezensent eingenommen.

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